01.01.1999

Informationen über den Aufruf und die Initiative “Für das Freie Wort”

Von Novo-Redaktion

Im Juni 1997 wurde zur Unterstützung von LM die Initiative "Für das Freie Wort" gegründet. Der gleichnamige Aufruf erschien mit insgesamt 57 prominenten ErstunterzeichnerInnen erstmals am 11.7.1997 in der Zeit. Er wurde im September 1997 auch in den Blättern für deutsche und internationale Politik veröffentlicht.

Die Initiative setzt sich dafür ein, dass der Inhalt und die möglichen Folgen des Rechtsstreits öffentlich diskutiert werden können. Im Mai 1998 zog die Initiatorin der Initiative, Christine Horn, in einem Novo-Artikel eine Zwischenbilanz ("Für das Freie Wort", Nr.34, Mai/Juni1998).

Die Initiative will nicht nur "moralische" Stütze sein. Es geht auch darum, Spenden zu sammeln. Um den anstehenden Prozess finanziell durchstehen zu können, benötigte LM zum Jahreswechsel noch etwa 240.000 DM. Wir möchten auch Sie bitten, einen finanziellen Beitrag dafür zu leisten, dass LM bestmöglich vorbereitet seine Verteidigung antreten kann. Bitte wenden Sie sich direkt an LM oder schicken Sie einen Scheck oder überweisen Sie eine Spende auf das Konto der Initiative:

 

Hier der originale Unterstützungsaufruf von 1997:

Für das Freie Wort

Mit Informationen wird Politik gemacht, wird Macht und Einfluß ausgeübt. Mit Informationen kann man Menschen helfen, die Wirklichkeit besser zu verstehen, man kann mit denselben jedoch auch manipulieren und täuschen. Darum kommt es ausschlaggebend darauf an, daß die Informationen aus klaren Quellen geschöpft werden und in einem solchen Kontext präsentiert werden, daß der Leser, Hörer und Zuschauer dieselben wahrhaft versteht. Am meisten kann man mit Bildern lügen, gerade weil selbige uns den Anschein geben, als ob wir den betreffenden Sachverhalt authentisch betrachten könnten. Um den Menschen eine möglichst unvoreingenommene Auseinandersetzung mit der Realität zu ermöglichen, ist das vorurteilsfreie Ausleuchten von Sachverhalten und deren Hintergründe für einen guten Journalismus unverzichtbar. Immer häufiger aber entscheidet nicht die journalistische Sorgfaltspflicht über den Umgang mit Informationen. Vielmehr ist dieser Umgang, vor allem mit Bildinformationen, im Journalismus heute oft unprofessionell zu nennen, wenn nicht gar manipulative Absichten dahinterstehen.

Ein besonders skandalöses Beispiel dieser Entwicklung enthüllte jüngst der NOVO-Redakteur Thomas Deichmann, der im Verlauf von Recherchen feststellte, daß das berühmte Bild des britischen Nachrichtensenders ITN aus dem Bosnienkrieg vom August 1992, auf dem ausgemergelte bosnische Muslime hinter einem Stacheldraht zu sehen waren und das in aller Welt als Beleg für die Existenz serbischer 'Konzentrationslager' ausgelegt wurde, auf einer Täuschung beruhte. In Wirklichkeit befanden sich nicht die bosnischen Muslime, sondern die britischen Reporter in einem mit Stacheldraht umzäunten Areal, von dem aus sie, durch den Stacheldrahtzaun hindurch, herausfilmten. Auch und gerade weil es während des Krieges in Ex-Jugoslawien auf allen Seiten schlimme Lager gegeben hat, darf nicht durch gestellte, das heißt unwahre Bilder getäuscht und nicht eine falsche beziehungsweise einseitige emotionale Stimmung mobilisiert werden.

Dieses Bild hat die Wahrnehmung des Bosnienkonflikts so nachhaltig geprägt wie kein anderes. Aber nicht wenige Kommentatoren reagierten auf Deichmanns Enthüllungen nur mit plumpen Denunziationen und Unterstellungen, statt das Problem der Verletzung journalistischer Sorgfaltspflichten rational zu diskutieren. Und statt sich öffentlich mit dem Vorwurf der Irreführung auseinanderzusetzen, hat ITN gegen die britische Zeitschrift LM, die mit der Novo-Redaktion kooperiert und die Deichmanns Reportage publizierte, eine Verleumdungsklage angestrengt, deren Zweck wohl nur darin besteht, die Ergründung der Wahrheit zu unterbinden und LM in den Ruin zu treiben.

Die britischen Verleumdungsgesetze gelten als die repressivsten in derwestlichen Welt. Sie gestatten es reichen und mächtigen Institutionen und Personen, unliebsamen Kritikern einen Maulkorb vorzuhängen. Prozesse sind mit enormen Kosten verbunden, und anders als in anderen europäischen Ländern und den USA fällt die Beweislast auf den Angeklagten. Daß ein Nachrichtensender solch repressive Gesetze bemüht, um Nachrichten zu unterdrücken, ist ein Novum in der Mediengeschichte.

Wir meinen, gerade in einer Zeit großer gesellschaftlicher Herausforderungen sind unbefangene Tatsachenanalyse und sachlicher Gedankenaustausch unverzichtbar. Daher möchten wir eine öffentliche Diskussion darüber in Gang setzen, wie dem aktuellen Trend zu einseitiger Informationsmanipulation und Borniertheit zu begegnen wäre. Wir sind zudem ernsthafte Verfechter der Presse- und Meinungsfreiheit und werden alles daran setzen, daß der Einschüchterungsversuch des Mediengiganten ITN nicht gelingt.

Recherchen, Reisen, Pressekonferenzen und Öffentlichkeitsarbeit haben bereits etliche Tausend Mark aus der NOVO-Kasse verschlungen. Das Magazin kann die schon jetzt immer höher werdenden Kosten nur dann verkraften, wenn sich in nächster Zeit genügend Spender zur Unterstützung dieser Arbeit finden. Wir wollen, daß im Rechtsstreit zwischen ITN und LM der gewinnt, der die überzeugenderen Argumente hat, und nicht der mit den teuersten Anwälten. Aus diesem Grund bitten wir Sie um die Unterzeichnung dieses Aufrufs und um eine möglichst großzügige Geldspende. Denn es steht mehr auf dem Spiel als die bloße Informationsfreiheit. Es geht um immer erneute Auseinandersetzung für Rationalität und Vorurteilsfreiheit in der wissenschaftlichen, kulturellen und politischen Auseinandersetzung.



Dieser Aufruf erschien erstmals in der ZEIT vom 11. Juli 1997 mit insgesamt 57 ErstunterzeichnerInnen. Zu den Unterstützern des Aufrufs zählen:

Prof. Dr. Ulrich Albrecht, Hochschullehrer; Prof. Dr. Astrid Albrecht-Heide, Hochschullehrerin; Elmar Altvater, Universitätsprofessor; Lothar Baier, Schriftsteller; Mira Beham, Publizistin; Georg Benz, Rentner; David Binder, Journalist (Korrespondent, USA); Klaus Bittermann, Verleger; Prof. Pierre Bourdieu, Soziologe (Collège de France, Frankreich); Peter Brock, Journalist (Chefredakteur "The Real Washington", USA); Emil Carlebach; Theo Christiansen, Theologe; Edi Clijsters, Journalist (Belgien); Dr. Heinrich Comes, Rechtsanwalt; Christoph Damm, Gewerkschafter (IG Medien Hessen); Prof. Dr. Frank Deppe, Hochschullehrer; Wolfgang Ehmke, Oberstudienrat; Raimund Fellinger, Lektor; Dr. Hans Rudi Fischer, Systemtherapeut; Miriam Fleischman, Übersetzerin (Frankreich); Wolfgang Främke, Sozialpädagoge; Dr. Frank Füredi, Soziologe (Großbritannien); Prof. Dr. Peter Glotz, Universität Erfurt; Dr. Norbert Greinacher, Universitätsprofessor; Jens Hagen, Schriftsteller; Peter Handke, Schriftsteller; Rolf Hartzuiker, Journalist (Niederlande); Detlef Hensche, Gewerkschaftssekretär (IG Medien); Lutz Herden, Journalist (Redaktionsleiter der Wochenzeitschrift "Freitag"); Christine Horn, Journalistin (Koordinatorin dieses Aufrufs); Prof. Dr. Jörg Huffschmid, Hochschullehrer; Hubertus Janssen, Pfarrer; Elfriede Jelinek, Schriftstellerin; George Kenney, Publizist (USA); Dietrich Kittner, Kabarettist; Prof. Dr. Reinhard Kühnl, Hochschullehrer; Felicia Langer, Rechtsanwältin u. Autorin (Trägerin des Alternativen Nobelpreises 1990); Martin Lettmayer, Journalist; Herbert Leuninger, Pfarrer; Prof. Dr. Birgit Mahnkopf, Hochschullehrerin; Prof. Hans Mommsen; Marianne McGeehan; Jakob Moneta, Journalist; Wolf-Dieter Narr, Hochschullehrer; Catari Neth; Dr. Jan Öberg, Friedensforscher (Schweden); Gudrun Pausewang, Schriftstellerin; Zarko Radakovic, Übersetzer; Prof. Dr. Dr. Horst-Eberhard Richter, Psychoanalytiker; Renate Riemeck, Hochschullehrerin em.; Prof. Dr. Eberhard Schmidt, Hochschullehrer; Martin Singe, Organisationssekretär (Komitee für Grundrechte und Demokratie); Peter Singer, Bioethiker (Australien); Sören Sommelius, Journalist (Kulturredakteur "Helsingborgs Dagblad", Schweden); Eckart Spoo; Johano Strasser, Schriftsteller; Prof. Dr. Gerhard Stuby; Klaus Vack, Bürgerrechtler (Organisator für humanitäre Hilfe in Ex-Jugoslawien); Prof. Dr. theol. em. Marie Veit; Werner Vitt, Rentner; Hans-Jochen Vogel, Studentenpfarrer; Zeljko Vukovic, Publizist. (Die Angaben in Klammern dienen lediglich der Information.)

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