19.01.2018

Vom Klimaschutz zur Klimasteuerung

Von Kolja Zydatiss

Titelbild

Foto: derwiki via Pixabay / CC0

Die Debatte um den Klimawandel ist von kurzfristigem Denken geprägt. Umweltschützer wie „Skeptiker“ verkennen die eigentliche Herausforderung: Bewusste Gestaltung des Klimas mittels Geoengineering.

Der Klimawandel ist ein umstrittenes Thema. Ständig hören wir Aussagen wie:

„Treibhausgasemissionen erwärmen die Erde.“
„Früher gab es viel weniger CO2.“
„Die Erde war früher viel kälter.“
„Die Gletscher schmelzen.“

Aber auch:
„CO2 ist natürlich.“
„Früher gab es viel mehr CO2.“
„Die Erde war früher viel wärmer.“
„Wir leben in einer Eiszeit.“

Das Problem: Jede dieser Aussagen ist wahr. Doch der Reihe nach.

Eine kurze Geschichte des Klimas

Tatsächlich ist das Klima der Erde höchst variabel. Es gab Eiszeiten und Wärmeperioden, in denen Palmen an den Polarkreisen wuchsen, möglicherweise auch „Schneeball Erde“ genannte Phasen, in denen nahezu die gesamte Erdoberfläche mit Gletschern bedeckt war. Am besten untersucht sind die letzten 500 Millionen Jahre. Für diesen Zeitraum, der ungefähr dem Phanerozoikum entspricht (also dem erdgeschichtlichen Zeitalter, in dem komplexe Lebensformen entstanden sind), können Wissenschaftler recht genaue Rekonstruktionen des Klimas erstellen. Sie nutzen dazu sogenannte „Proxys“ wie Baumringe, Ozeansedimente oder Eisbohrkerne.

Ein Blick auf die Temperaturverlaufsrekonstruktion (Abbildung 1) zeigt, dass wir in einer unterdurchschnittlich kalten Zeit leben, einem sogenannten „Eiszeitalter“. Damit sind Zeiträume gemeint, in denen mindestens ein Pol ganzjährig vergletschert ist. Eis an den Polen ist erdgeschichtlich betrachtet die Ausnahme. Meist war es hierfür zu warm. Innerhalb eines Eiszeitalters wechseln sich sogenannte Kaltzeiten (auch „Glaziale“ genannt) und Warmzeiten („Interglaziale“) ab. Erstere sind von durchschnittlich tieferen Temperaturen und umfangreichen Vergletscherungen in den gemäßigten Breiten geprägt. Wenn umgangssprachlich von einer „Eiszeit“ die Rede ist, ist meist eine solche Kaltzeit gemeint. Die letzte war Tummelplatz von Mammuts, Säbelzahnkatzen und Riesenhirschen und endete vor circa 12.000 Jahren.

„Eis an den Polen ist erdgeschichtlich betrachtet die Ausnahme.“

Abbildung 1: Temperaturverlauf der letzten 500 Millionen Jahre, rekonstruiert anhand von Sauerstoffisotopen. Eiszeitalter werden hier als „Eiszeiten“ bezeichnet (Quelle: Robert A. Rhode, vorbereitet mit Hilfe öffentlich zugänglicher Daten, CC BY-SA 3.0).

Zusammenfassend kann man sagen: Wir leben heute in einer relativ warmen Periode (Interglazial) innerhalb einer sehr kalten Periode (Eiszeitalter). Vor 100 Millionen Jahren, in der Kreidezeit (in Abbildung 1 mit „K“ beschriftet), sah die Erde noch sehr anders aus. New York hatte das Klima von Florida. In höheren Breiten waren die Unterschiede zu heute noch größer. Fossilienfunde belegen, dass Krokodile und Schildkröten nördlich des Polarkreises lebten. Nirgendwo, nicht einmal an den Polen (!), war die Durchschnittstemperatur niedriger als null Grad Celsius. Da das Wasser nicht in Gletschern gebunden war, lag der Meeresspiegel bis zu 200 Meter höher als heute.

Der Abwärtstrend, der in das aktuelle Eiszeitalter führte, begann vor circa 50 Millionen Jahren. Die Gründe dafür sind umstritten, eine gängige Theorie geht davon aus, dass die Ausbreitung und spätere Sedimentierung des Süßwasserfarns Azolla der Atmosphäre beträchtliche Mengen des Treibhausgases CO2 entzog. In den letzten zwölf Millionen Jahren ist der Temperaturabfall stärker geworden, gipfelnd in einer schnellen Folge immer intensiverer Glaziale, die die letzten drei Millionen Jahre prägten (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Klimaänderungen der letzten 65 Millionen Jahre, rekonstruiert anhand von Isotopendaten (Quelle: Robert A. Rhode, vorbereitet mit Hilfe öffentlich zugänglicher Daten, CC BY-SA 3.0).

Dass das Klima so kalt und volatil geworden ist, liegt laut aktuellem Forschungsstand an der Plattentektonik. Vor etwa 40 bis 50 Millionen Jahren rammte die indische Platte in die eurasische Platte. Es entstanden das Hochland von Tibet und die Gebirge Himalaja, Pamir und Karakorum, zusammen auch „Dach der Welt“ oder „dritter Pol“ genannt. Erdgeschichtlich betrachtet sind Berge, die bis an den Rand der Stratosphäre reichen, eine Anomalie. Die Auffaltung der Felsmassen hat eine außergewöhnliche klimatische Epoche eingeleitet, denn sie hat die Verwitterung silikatreicher Gesteine wie Granit erheblich verstärkt. Bei diesem Prozess wird Calcium freigesetzt. Das Calcium reagiert zu Calciumcarbonat (dem Hauptbestandteil von Kalkstein) und entzieht dabei der Atmosphäre CO2.

„Wir leben heute in einer relativ warmen Periode einer sehr kalten Periode.“

Durch die Bildung der innerasiatischen Gebirge ist die (ohnehin rückläufige) CO2-Konzentration stark abgesunken. Der Rückgang des Treibhausgases hat das Klima nicht nur abgekühlt. Er hat es auch anfälliger für leichte Variationen des solaren Energieeintrags gemacht. Auf den serbischen Mathematiker Milutin Milanković (1879–1958) geht die Entdeckung zurück, dass zyklische himmelsmechanische Schwankungen die Verteilung der Sonnenenergie auf der Erde periodisch verändern. Diese sogenannten Milanković-Zyklen hat es schon immer gegeben. Klimatisch relevant sind sie erst seit etwa drei Millionen Jahren, denn in einer Welt mit abnehmendem CO2-Gehalt ist die Wärmeverteilung zunehmend beeinträchtigt. Die Folge ist ein periodischer Eisaufbau an den Polen, der die immer wiederkehrenden Glaziale verursacht. Lange Zeit folgten diese einem 41.000-Jahr-Zyklus, der mit der Schwankung der Erdachsenneigung in Zusammenhang gebracht wird. Vor etwa 1,2 Millionen Jahren erfolgte aus bislang ungeklärten Gründen ein „Umspringen“ auf einen 100.000-Jahr-Zyklus, der mit Veränderungen der Exzentrizität der Erdbahn zusammenhängt.

Anthropogener Klimawandel

Unser Wissen über die Milanković-Zyklen ermöglicht uns, Vorhersagen über die zukünftige Entwicklung des Klimas zu treffen. Nach dem aktuellen Zyklus hätte vor etwa 5000 Jahren das nächste Glazial beginnen müssen. Dass das nicht eingetreten ist, liegt an dem anderen Faktor, der neben der auftreffenden Sonnenenergie unser Klima maßgeblich beeinflusst: den Treibhausgasen. Genauer: am menschlichen Treibhausgasausstoß.

Vor etwa 12.000 Jahren, im Neolithikum, begann ein globaler Übergang von Jäger- und Sammlerkulturen zu sesshaften Bauern. Um Flächen für die Landwirtschaft zu gewinnen, wurden im großen Stil Brandrodungen durchgeführt, was erhebliche Mengen an CO2 freisetzte. Hinzu kam Methan durch Viehhaltung und Reisanbau (Reisfelder sind im Wesentlichen künstliche Sümpfe). Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert nahm die CO2-Konzentration durch die Verbrennung von Kohle und später Erdöl und Erdgas weiter zu. Seit dem Jahr 1000 n. Chr. ist der CO2-Gehalt der Atmosphäre von 280 parts per million (ppm) auf über 400 ppm angestiegen. Die Folge ist ein starker Erwärmungstrend, der das erwartete Glazial aufgehoben hat. Da die Treibhausgasemissionen durch Wohlstandsteigerungen in den Schwellen- und Entwicklungsländern weiter zunehmen werden, ist eine Fortsetzung dieses „anthropogenen“ (menschengemachten) Erwärmungstrends sehr wahrscheinlich.

„Entgegen einer weitverbreiteten Meinung ist die globale Erwärmung wohl keine Katastrophe für die Artenvielfalt.“

Folgen und Risiken

Um die Folgen der globalen Erwärmung ranken sich viele Missverständnisse. Entgegen einer weitverbreiteten Meinung ist sie wohl keine Katastrophe für die Artenvielfalt. Angesichts der Größe der Erde und der Vielfalt ihrer Lebensräume steckt die Biodiversitätsforschung noch in den Kinderschuhen. Die Biologen kennen bisher circa 1,75 Millionen Tier- und Pflanzenarten. Bei der Frage, wie viele unbekannte Arten es noch gibt, gehen die wissenschaftlichen Schätzungen jedoch weit auseinander. Es könnten drei Millionen oder 100 Millionen sein. Bei so viel Unsicherheit sind belastbare Aussagen nahezu unmöglich. Dass eine wärmere Welt weniger artenreich sein soll, erscheint jedoch wenig plausibel. Am höchsten ist die Artenvielfalt in Äquatornähe; in höheren (sprich kälteren) Breiten und im Gebirge nimmt sie ab. In der Erdgeschichte waren die Warmzeiten stets am artenreichsten.

Der anthropogene Klimawandel ist bislang auch kein größeres Problem für die Menschheit. Es mag kontraintuitiv klingen, aber tatsächlich nehmen in Verbindung mit dem Klima stehende Todesfälle seit Jahrzehnten dramatisch ab. Die Anzahl der Toten durch Stürme, Dürren, Überflutungen, Erdrutsche, Lauffeuer und extreme Temperaturen ist laut Daten der Amerikanischen Behörde für internationale Entwicklung (OFDA) und des belgischen Zentrums für die Forschung über die Epidemiologie von Naturkatastrophen (CRED) in den letzten 90 Jahren um 95 Prozent zurückgegangen, obwohl sich im gleichen Zeitraum die Weltbevölkerung mehr als verdreifacht hat. Die Gründe dafür sind der technologische Fortschritt und der steigende Wohlstand. Wir sind immer besser in der Lage, Extremwetter vorherzusehen (etwa durch Satellitentechnologie) und uns physisch davor zu schützen (z.B. durch Deiche, Entwässerungssysteme oder robustere Gebäude). Wenn Extremwetterereignisse noch heute viele Menschenleben fordern, liegt das nicht am Klimawandel, sondern an Armut und Unterentwicklung. 2008 tötete der Zyklon Nargis im verarmten Myanmar 138.000 Menschen. Die vergleichbar starken Stürme Harvey und Irma, die letztes Jahr die hochentwickelten USA trafen, führten hingegen zu Todesfällen in dreistelliger Höhe. Tragisch genug, aber von der Größenordnung nicht annähernd vergleichbar.

Ob das Risiko von Extremwetter durch den Klimawandel überhaupt zunimmt, bleibt höchst umstritten. Der „Weltklimarat“ IPCC, wahrlich kein Hort der „Klimaskeptiker“, kam 2014 zu der Schlussfolgerung, dass eine globale Zunahme extremer Hitze und extremer Niederschläge wahrscheinlich sei, jedoch keine von Orkanen, Tornados, Fluten und Dürren. Ausgerechnet Hitze und starke Niederschläge verursachen jedoch von allen Arten von Extremwetterereignissen die geringsten Schäden.

„In Verbindung mit dem Klima stehende Todesfälle nehmen seit Jahrzehnten dramatisch ab.“

Können wir also die globale Erwärmung auf die leichte Schulter nehmen? Nein. Die wirkliche Bedrohung ist langfristiger Natur und liegt im Anstieg des Meeresspiegels durch das Abschmelzen von Eis und die Wärmeausdehnung des Wassers. Bis zum Jahr 2100 rechnet der IPCC mit einem Anstieg von 0,26 bis 0,82 Metern. Für den Zeitraum bis 2300 prognostizieren Computermodelle einen Anstieg von bis zu 3 Metern. Das Problem ist nicht nur, dass dichtbesiedelte küstennahe Gebiete, etwa in Bangladesch, Kalifornien oder den Niederlanden, geflutet werden. Mindestens genauso bedrohlich ist die Versalzung der Böden, die sich bis weit ins Landesinnere ziehen kann. Beispielsweise erwarten Wissenschaftler, dass der Reisertrag in Bangladesch bis 2050 aufgrund der Bodenversalzung um circa 16 Prozent zurückgehen wird. Auf einem Planeten, dessen Bevölkerung bis 2100 auf etwa elf Milliarden Menschen anwachsen soll, sind solche Beeinträchtigungen der landwirtschaftlichen Produktivität ein ernstzunehmendes Problem.

Kulturkämpfe um den Klimawandel

Fassen wir zusammen: Das Klima hat sich schon immer gewandelt. In der Erdgeschichte gab es Phasen mit Vergletscherungen bis in gemäßigte Breiten, aber auch Warmzeiten, in denen die Lebensräume tropischer Arten bis in die Polargebiete reichten. Treiber der Klimaveränderungen waren Schwankungen der Treibhausgas-Konzentration, in der jüngeren Erdgeschichte auch himmelsmechanisch bedingte Veränderungen der Menge an Sonnenenergie, die auf die Erde trifft (andere Faktoren wie Vulkanstaub oder der bei Klimaskeptikern beliebte Sonnenfleckenzyklus fallen im Vergleich dazu kaum ins Gewicht).

Vor etwa 12.000 Jahren begannen die Menschen, die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre signifikant zu erhöhen, erst durch die Landwirtschaft, dann durch die Nutzung fossiler Brennstoffe. Letztere waren bisher für die Menschheit ein Segen. Sie ermöglichten einen enormen Wohlstands- und Entwicklungssprung, der sich u.a. in besserer Gesundheit, Ernährung und einer erheblichen Verbesserung unserer Fähigkeit, uns vor den Launen der Natur zu schützen, niederschlug. Allerdings haben unsere Emissionen einen Erwärmungstrend ausgelöst. Auch dieser war bisher für die Menschheit insgesamt vorteilhaft, hat er doch das Eintreten in die nächste Kaltzeit verhindert (niemand kann ernsthaft eine Welt wie im Jungpleistozän wollen, als ein kilometerdicker Eisschild Berlin bedeckte und Rentiere an der Côte d’Azur grasten).

„Die wirkliche Bedrohung ist langfristiger Natur und liegt im Anstieg des Meeresspiegels.“

Der anthropogene Klimawandel ist keine Abweichung von den Schwankungen, die im Rahmen der natürlichen Variabilität seit Jahrmillionen auftreten (die Erde ist immer noch unterdurchschnittlich kalt!). Auch von der Geschwindigkeit her ist der aktuelle Wandel nicht ungewöhnlich (rasante Klimaveränderungen treten auch von Natur aus auf, die sogenannte Misox-Schwankung vor 8200 Jahren etwa brachte einen globalen Temperatursturz von circa drei Grad Celsius innerhalb von 150 Jahren). Die globale Erwärmung kann also nicht als Störung des „natürlichen Gleichgewichts“ betrachtet werden. Ein solches Gleichgewicht gab es nie. Der anthropogene Klimawandel ist nicht in erster Linie ein Problem für die Natur, sondern für den Menschen. Das liegt an der umfangreichen physischen Infrastruktur (Städte, landwirtschaftliche Flächen), die wir in Küstennähe geschaffen haben und die durch den steigenden Meeresspiegel bedroht ist.

Eine rationale Antwort auf die globale Erwärmung könnte aus Maßnahmen zum Schutz küstennaher Gebiete und einem längerfristigen Engagement im Bereich der Entwicklung, Verbesserung und breiten Implementierung emissionsarmer Energieerzeugungstechnologien bestehen. Rationale Stimmen sind in der aktuellen Debatte jedoch rar. In tonangebenden westlichen Kreisen dominiert eine Sichtweise, die den Klimawandel als verwerfliche menschliche Störung der vermeintlich „harmonischen“ Natur, oder gar als eine Art „Strafe“ für die menschliche Hybris, zeichnet. Befördert wird diese Sicht durch den faktenfreien Alarmismus von Umweltschützern und einigen „aktivistisch“ gepolten Wissenschaftlern, bzw. von Journalisten, die deren Behauptungen und Weltsicht unkritisch übernehmen. So wurde kürzlich ein verhungernder Eisbär zum „Gesicht des Klimawandels“ stilisiert, obwohl sein Gesundheitszustand höchstwahrscheinlich nichts mit dem Klimawandel zu tun hatte und die Gesamtpopulation der Eisbären seit den 1950er Jahren zunimmt. Als letzten Herbst der Hurrikan Irma die USA traf, sprach die Boulevardzeitung B.Z. von der „Rache der Erde“. Die Tatsache, dass die Anzahl der Hurrikane, die das Festland der USA erreichen, seit dem späten 19. Jahrhundert leicht abgenommen hat, blieb unerwähnt.

Es lässt sich ein interessantes Paradoxon beobachten: Einerseits gilt die globale Erwärmung vielen als apokalyptische Bedrohung; „Klimaskeptiker“ bzw. „-leugner“ werden moralisch stigmatisiert und müssen um Ruf und Karriere bangen. Andererseits werden objektiv betrachtet kaum wirksame Maßnahmen zum Schutz des Klimas ergriffen. Wie Thilo Spahl kürzlich bei Novo schrieb, sind die regelmäßig stattfindenden „Klimagipfel“ im Wesentlichen Symbolpolitik. Im jüngsten Pariser Abkommen (aus dem US-Präsident Donald Trump, begleitet von weltweiter Empörung, ausgestiegen ist) einigten sich 192 Staaten auf bescheidene Reduktionsziele, die ohnehin nicht verbindlich sind. Selbst bei kompletter Einhaltung aller Vereinbarungen ergäbe sich laut einer Studie des MIT nur eine Reduktion der Klimaerwärmung um 0,2 Grad Celsius.

„Objektiv betrachtet werden kaum wirksame Maßnahmen zum Schutz des Klimas ergriffen.“

Besonders absurd ist die Situation in Deutschland. Seit Jahren inszeniert sich die deutsche Regierungschefin Angela Merkel als „Klimakanzlerin“. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich die deutsche Energiewende jedoch als teure, symbolische Wohlfühlaktion, die keinen nennenswerten Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen leistet. Mangels ausgereifter Speichertechnologien sind die volatilen Energiequellen Wind und Sonne einfach nicht in der Lage, konventionelle fossile Kraftwerke zu ersetzen. Ob die selbstgesteckten Klimaziele der Bundesregierung jemals erreicht werden, ist höchst fraglich.

Wirkliche Fortschritte beim Klimaschutz könnte ein konsequenter Ausbau der Kernenergie bringen, doch die wirksamste Technologie zur CO2-Vermeidung wird seit dem Reaktorunglück im japanischen Fukushima komplett abgelehnt. Die verbleibenden deutschen Kernkraftwerke sollen bis 2022 abgeschaltet werden. Zu den unerbittlichen Gegnern der Kernenergie gehören auch einflussreiche internationale Umweltschutz-NGOs wie Greenpeace und Friends of the Earth. Auch die Fracking-Revolution wird vehement abgelehnt, obwohl sie in den USA maßgeblich zur Emissionsreduzierung beiträgt.

Es drängt sich die Frage auf, ob es bei dem ganzen Klimaschutz-Hype wirklich um Klimaschutz geht. Auffällig ist die Tendenz, über das Thema diverse andere Anliegen voranzutreiben. Für die Globalisierungskritikerin Naomi Klein etwa ist der Klimawandel „das beste Argument, das progressive Kräfte jemals hatten.“ In ihrem Buch „Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima“ erklärt die kanadische Bestsellerautorin, wie die Klimakatastrophe das Ende von Marktfundamentalismus und Wachstumsideologie einläuten und „die Welt zum Besseren ändern“ kann. Solches Denken findet sich nicht nur am linken Rand. Vorbehalte gegenüber Wirtschaftswachstum, technologischem Fortschritt und vermeintlich exzessivem Konsum gehören heute in westlichen Gesellschaften zum Mainstream. Vielen „Klimabesorgten“ scheint es vor allem um die Ablehnung dieser Attribute moderner, für gewöhnlich kapitalistischer Industriegesellschaften zu gehen. Letztlich ist es das menschliche Streben nach einer besseren materiellen Zukunft, was hier auf der Anklagebank landet. Wie sonst lässt sich der enge Fokus auf Verzicht, Regulierung, Deindustrialisierung und Subventionierung wenig beeindruckender „Erneuerbarer“ erklären? Wohl auch als Reaktion auf solche Verwirrungen ist (vor allem in konservativen, liberalen und rechtspopulistischen Kreisen) eine Gegenbewegung mit nicht selten verschwörungstheoretischen Zügen entstanden. Diese „Skeptiker“ halten die globale Erwärmung für einen Schwindel bzw. für Teil eines linken Komplotts, eine Ökodiktatur zu errichten.

„Es drängt sich die Frage auf, ob es bei dem ganzen Klimaschutz-Hype wirklich um Klimaschutz geht.“

Ambitionierter denken

Sowohl die Öko-Ideologen als auch die Skeptiker erweisen der Menschheit einen Bärendienst. Es geht nicht um politische Profilierung, sondern darum, ergebnissoffen eine Kombination von Maßnahmen zu entwickeln, die das Problem lösen und über ideologische Grenzen hinweg Unterstützung genießen.

Die Klimaerwärmung zu bremsen kann jedoch nur der Anfang sein. In der Klimapolitik ist viel von der Zwei-Grad-Grenze die Rede, jenseits derer die mit dem Klimawandel einhergehenden Risiken nach Ansicht vieler Wissenschaftler deutlich zunehmen. Vorausgesetzt wir schaffen es tatsächlich, die Erwärmung auf zwei Grad Celsius gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung zu begrenzen. Was dann? Wir werden immer noch auf einem Planeten leben, dessen langfristige Klimaentwicklung von Natur aus einer Achterbahnfahrt gleicht. Es ist inkonsequent, den anthropogenen Klimawandel als ernste Bedrohung zu betrachten, aber nichts gegen natürliche Klimaschwankungen unternehmen zu wollen, die genauso extrem und abrupt sein können.

Auch wenn es für viele utopisch klingen mag: Die eigentliche Herausforderung für die Menschheit liegt darin, das Klima bewusst zu gestalten. Unbeabsichtigt beeinflussen wir das Klima bereits seit tausenden von Jahren. Auch Klimaschutzmaßnahmen sind faktisch menschliche Eingriffe in den globalen Klimahaushalt. Bisher wird beim Klimaschutz vor allem auf Emissionsreduzierung gesetzt. Angesichts der rapide steigenden Emissionen sprechen sich Experten jedoch zunehmend für das sogenannte Geoengineering aus. Damit sind Maßnahmen gemeint, die vorsätzlich und im großen Stil in geochemische oder geobiochemische Kreisläufe der Erde eingreifen. Die bisherigen Vorschläge zur Verhinderung der globalen Erwärmung fallen in zwei Kategorien: Beim Solar Radiation Management (SRM) wird die Sonneneinstrahlung verringert, etwa durch Ausbringung von Sulfataerosolen in der Stratosphäre oder Installation von Sonnensegeln im Weltall. Das Carbon Dioxide Removal (CDR) setzt hingegen auf Reduzierung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre durch direkte Rückholung aus der Luft oder indirekte Methoden (z.B. Düngung der Meere mit Eisen).

„Es ist inkonsequent, den anthropogenen Klimawandel als ernste Bedrohung zu betrachten, aber nichts gegen natürliche Klimaschwankungen unternehmen zu wollen.“

Derzeit wird Geoengineering vor allem als Plan B diskutiert, für den Fall, dass die Emissionsvermeidungsstrategie scheitert. Doch die gezielte Steuerung des Klimas sollte kein Notfallplan, sondern die Regel sein. Durch Geoengineering können wir uns von den massiven Vergletscherungen und Schwankungen des Meeresspiegels befreien, die unseren Planeten seit jeher heimsuchen.

Trotzdem wird modernes Geoengineering bislang kaum ernsthaft erforscht. Das liegt nicht nur an den politischen Herausforderungen (die Maßnahmen müssten international abgestimmt und „Verlierer“ ggf. entschädigt werden) oder an unserem noch lückenhaften Wissen über das Klimasystem und die Risiken von Eingriffen. Diese Probleme sind prinzipiell lösbar. Die größten Hürden sind die verbreitete Idealisierung der Natur und das mangelnde Vertrauen in die menschliche Gestaltungsfähigkeit. Im westlichen Gesellschaften sind die Menschen zunehmend überzeugt, dass „Natürliches“ zwangsläufig gut ist und in der Natur pure Harmonie wirkt, die nicht gestört werden darf. Bewusste Versuche, unsere Umwelt zu gestalten und zu kontrollieren, gelten als unmoralisch oder zu riskant. Dieses unwissenschaftliche und antihumanistische Denken zeigt sich u.a. in Trends wie „Naturheilkunde“ oder der hysterischen Ablehnung von grüner Gentechnik und Atomkraft.

Dass die zeitgenössische Naturromantik und Geringschätzung der menschlichen Gestaltungsmöglichkeiten auch die Debatten über Geoengineering einfärbt, sollte niemanden überraschen. So meint etwa der amerikanische Umweltwissenschaftler Dale Jamieson: „Selbst im Erfolgsfall würde [Geoengineering] immer noch die arrogante Sichtweise bestärken, dass der Mensch die Natur beherrschen sollte.“ Doch „arrogante“ Naturbeherrschung ist genau das, was wir anstreben sollten. Ohne eine gezielte Steuerung des Klimas werden wir seinen Launen für immer ausgesetzt sein.

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