13.10.2015

Gibt es mehr Unwetter?

Rezension von Thilo Spahl

Thilo Spahl bespricht Roger Pielkes Buch über Extremwetter und Klimapolitik. Man erfährt überraschende Fakten. Die größeren Schäden durch Unwetter haben zum Beispiel gar nichts mit dem Klimawandel zu tun. Die häufigere Berichterstattung legt dies nur nahe

Dass sich das Klima ändert, ist unumstritten. Es gibt indes zwei große Kontroversen. Die erste fragt nach der Rolle des Menschen. Als Klimaskeptiker werden gemeinhin jene Debattenteilnehmer bezeichnet, die den Wandel in erster Linie als natürliches Phänomen betrachten und den menschlichen Einfluss für unbedeutend halten. Zu dieser Gruppe gehört Roger Pielke Jr., Professor für Umweltforschung an der Universität von Colorado, nicht. Das betont er, der die Erfahrung machen musste, als „Klimaleugner“ angegriffen zu werden, in seinem Buch The Rightful Place of Science: Disasters and Climate Change ausdrücklich.

Die zweite große Kontroverse schaut nicht auf die Verursachung, sondern auf die Folgen des Klimawandels. In dieser Debatte bezieht Pielke, dessen Arbeitsschwerpunkt der Einfluss des Klimawandels auf Häufigkeit und Intensität von Naturkatastrophen ist, mit seinen Forschungsergebnissen Position. Er sagt: Dass heute Stürme und Unwetter immer größere Schäden verursachen, hat nichts mit dem Klimawandel zu tun. Wie kann er das behaupten? Für die meisten Menschen ist es keine Frage, dass das Klima verrücktspielt und wir darunter zu leiden haben. Wir hören es täglich. Wir lernen es von klein auf. „Klar ist: Der Klimawandel wird das Risiko von Wetterextremen in der Zukunft deutlich erhöhen. […] Die Kräfte der Natur, angeheizt durch den Ausstoß von Treibhausgasen, toben sich in Stürmen, Unwettern und sintflutartigen Regenfällen aus“, lesen wir in Unterrichtsmaterial, das Greenpeace deutschen Schulen zur Verfügung stellt. 1

„Die größeren Schäden durch Unwetter haben nichts mit dem Klimawandel zu tun“

Ein von der Weltbank herausgegebener Bericht des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung beginnt mit dem Satz: „Dramatische Klimaveränderungen und Wetterextreme betreffen schon Millionen von Menschen weltweit.“ 2 Die meisten hinterfragen diese Auffassung nicht. In den Medien wird in der Berichterstattung zu Unwettern routinemäßig ein Zusammenhang zum Klimawandel hergestellt. So genannte Extremwetterereignisse werden von Naturphänomenen zu menschengemachten Katastrophen umgedeutet. Jeder Tornado, jede Flut, jede Hitzewelle, jeder Schneesturm ist heute mit einem Aufruf verbunden, den Klimawandel zu stoppen. Denn jeder von uns, so die Botschaft, könne die Folgen der steigenden Temperaturen schon am eigenen Leibe erfahren, wenn das Wetter mal wieder aus dem Rahmen fällt.

Extreme Berichterstattung

Die meisten Menschen halten es für selbstverständlich, dass Extremwetter immer häufiger vorkommen. Als gesicherte Erkenntnis kann jedoch nur gelten, dass Berichte über Extremwetter extrem zugenommen haben. Pielke zeigt in einer Kurve auf, wie oft der Begriff „Extremwetter“ während der letzten 50 Jahre in der New York Times auftauchte. Bis 2005 bleibt die Zahl der Artikel fast immer unter 20, danach schießt sie steil nach oben und erreicht im Jahr 2014 fast 180. Hat das mit dem Klima zu tun oder mit unserer Wahrnehmung? In seinem Ende 2014 erschienenen kurzen Buch fasst Pielke den Stand der Wissenschaft kurz zusammen. Er betont, dass er sich dabei vollständig auf die Fakten stützt, die auch in den letzten IPCC-Berichten enthalten sind. Diese regelmäßig erscheinenden Berichte des Intergovernmental Panel on Climate Change, in die Arbeiten einer sehr großen Zahl von Wissenschaftlern einfließen, sind die Basis dessen, was gemeinhin in der öffentlichen Debatte als der Konsens der internationalen Klimaforschung bezeichnet wird. Pielke bekräftigt seine Übereinstimmung mit den vom IPCC zusammengetragenen Forschungsergebnissen, indem er ausführlich zitiert. Er bezieht sich insbesondere auf den Sonderbericht „Managing the Risks of Extreme Events and Disasters to Advance Climate Change Adaptation (SREX)“ von 2012 sowie auf die Berichte „Climate Change 2013: The Physical Science Basis“ und „Climate Change 2014: Impacts, Adaptation, and Vulnerability.“ Es zeigt sich auch hier, dass man beim IPCC zwischen den wissenschaftlichen Erkenntnissen, die die Entwicklung des Klimas insgesamt sehr differenziert beschreiben, und den oft alarmistischen Zusammenfassungen für Politik und Medien, auf die sich auch die Medien vor allem stützen, unterscheiden muss.

Die Fragestellung ist einfach: Wenn der Klimawandel einen Einfluss hat, dann müssten Extremereignisse durch ihn entweder häufiger oder stärker werden, oder beides. Ist das nicht der Fall, dann muss es andere Ursachen dafür geben, dass die volkswirtschaftlichen Schäden durch diese in den letzten Jahrzehnten dramatisch angestiegen sind.

Werden Unwetter immer häufiger und schlimmer?

Um zu entscheiden, ob sich beobachtbare Veränderungen im Wettergeschehen auf den Klimawandel zurückführen lassen, müssen diese immer vor dem Hintergrund natürlicher Variabilität gesehen werden. So ist etwa im Nordatlantik seit den 1970er-Jahren eine verstärkte Orkanaktivität zu verzeichnen. Diese bewegt sich jedoch im Rahmen der bekannten natürlichen Schwankungen im 20. Jahrhundert. Damit ist nicht auszuschließen, dass die Zunahme mit dem Klimawandel zusammenhängt. Es könnte sein, muss aber nicht. Aus wissenschaftlicher Sicht kann man eine Veränderung nur dann einer Ursache zuschreiben, wenn man begründen kann, dass diese Ursache die wahrscheinlichste ist. Wenn vom 7. bis zum 12. August die Tageshöchsttemperatur kontinuierlich von 19 auf 31 Grad steigt, habe ich keinen Grund, nach außergewöhnlichen Ursachen zu suchen. Es reicht mir zu wissen, dass es sich um Temperaturen handelt, die im August normal sind.

Als Extremwetterereignisse werden große Hitze, sehr starke Niederschläge, tropische Wirbelstürme (Orkane bzw. Zyklone), Überflutungen, Tornados und Dürren bezeichnet. Laut IPCC ist im globalen Maßstab eine Zunahme extremer Hitze und extremer Niederschläge wahrscheinlich, jedoch keine von Orkanen, Tornados, Fluten und Dürren. In Hinblick auf die Temperatur habe mit einer mittleren Sicherheit weltweit die Länge und Häufigkeit von Wärmeperioden, einschließlich Hitzewellen, seit Mitte des 20. Jahrhunderts zugenommen. In Hinblick auf extreme Niederschläge schreibt die IPCC, es sei wahrscheinlich, dass es seit 1951 mehr Regionen mit einen statistisch signifikanten Anstieg als Regionen mit einem statistisch signifikanten Rückgang gegeben habe. Von allen Extremwetterereignissen verursachen Hitze und starke Niederschläge die geringsten Schäden, Orkane die bei Weitem größten. So hat etwa der Orkan Katrina im Jahr 2005 80 Milliarden US-Dollar gekostet und der „Tropische Zyklon 02B“ hat im Jahr 1991 in Bangladesch 138.000 Menschen getötet. Wenn wir von Naturkatastrophen reden und den Klimawandel verantwortlich machen, dann meinen wir vor allem solche Ereignisse – nicht einige Tage mit großer Hitze oder starkem Regen.

„Die Wahrheit fällt bei Greenpeace nicht zu sehr ins Gewicht“

Aufgrund der vorliegenden Daten lässt sich in den USA für das 20. Jahrhundert keine Zunahme bei der Häufigkeit oder Intensität von Orkanen feststellen. Laut IPCC ist eine solche auch für den Rest der Welt wenig wahrscheinlich. Der für die USA beobachtete Anstieg seit 1970 ist einfach dadurch zu erklären, dass in den 1970er-Jahren die Aktivität sehr gering war. (So, wie eine Höchsttemperatur von 19 Grad im August eben sehr gering ist und daher die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass sie danach wieder rasch ansteigt.) Die 1970er-Jahre sind der einzige Zeitpunkt in den letzten 150 Jahren, an dem man eine Kurve beginnen lassen kann, die dann bis heute ansteigt.
Was sagt Greenpeace? Überraschenderweise lesen wir im vorhin schon zitierten Unterrichtsmaterial den zutreffenden Satz: „Bei tropischen Wirbelstürmen glaubt der Weltklimarat nicht mehr an eine Zunahme.“ Nanu, war nicht weiter vorne im Text von den Kräften der Natur die Rede, die sich angeheizt durch den Ausstoß von Treibhausgasen in Stürmen austoben? Wie so oft versucht die Organisation, die Wahrheit nicht gänzlich unerwähnt zu lassen. Hauptsache, sie fällt in der Gesamtdarstellung nicht zu sehr ins Gewicht.

Was für tropische Wirbelstürme gilt, gilt auch für Flutkatastrophen, Tornados und Dürren: Es fehlen Hinweise auf eine Zunahme bei der Häufigkeit oder Intensität. Für Tornados kann Pielke sogar einen deutlichen Rückgang zeigen. Mit Werten von 2005 berechnet, betrug der durchschnittliche Schaden in den USA zwischen 1950 bis 1981 jährlich 7,6 Milliarden, im Zeitraum von 1982 bis 2013 waren es nur noch 4,1 Milliarden. Für Dürren spricht der IPCC von einer mittleren Wahrscheinlichkeit, dass sie seit den 1950er-Jahren in Länge und Intensität zugenommen haben, insbesondere in Südeuropa und Westafrika. Gleichzeitig seien sie in anderen Regionen seltener, weniger intensiv oder kürzer geworden, beispielsweise in Nordamerika und Nordwestaustralien. Pielke hat Auswertungen für Buschfeuer in Australien vorgenommen. Auch hier zeigt sich: Sie sind nicht schlimmer als früher.

Warum wachsen die Katastrophenschäden so stark an?

Wenn die Unwetter nicht zunahmen, warum melden dann die Versicherungen immer neue Rekordschadenssummen? Die Ursache ist offenbar, dass heute sehr viel größere Werte vorhanden sind, die durch das Wetter vernichtet werden können. Einfach gesagt: Wenn vor hundert Jahren einem Tornado nur fünf unversicherte Scheunen in die Quere kamen, heute jedoch am selben Ort zwei Dutzend gut versicherte Villen stehen, dann ist es kein Wunder, dass die Statistiken weitaus größere Schäden ausweisen. Um zu ermitteln, welche Rolle diese höheren Werte der gefährdeten Objekte spielen, wurden Studien durchgeführt, bei denen simuliert wurde, welche Schäden historische Stürme verursachen würden, wenn sie in gleicher Stärke am gleichen Ort in der heutigen Zeit wüten würden. Das Ergebnis: Das Wetter der Vergangenheit würde heute die gleichen Schäden verursachen, wie das Wetter der Gegenwart es tut. Die größeren Werte erklären die höheren Schäden vollständig. Die Suche nach anderen Ursachen erübrigt sich. Der Klimawandel wird als Verantwortlicher nicht benötigt. Daraus ergibt sich auch eine klare Handlungsempfehlung: Wer Schäden vermeiden will, sollte nicht versuchen, die Veränderung des Klimas zu beeinflussen, sondern angemessenen Katastrophenschutz betreiben.

„Wer Schäden vermeiden will, sollte angemessenen Katastrophenschutz betreiben“

Natürlich, so Pielke, haben Kritiker seiner Arbeit, die ihm Verharmlosung vorwerfen, Recht, wenn sie sagen, er könne nicht beweisen, dass der Klimawandel keinen Einfluss auf Extremwetterereignisse hat. Es verhalte sich nicht anders als bei Außerirdischen oder Gott. Niemand kann beweisen, dass sie nicht existieren. Das ist auch nicht die Aufgabe der Wissenschaft. Er zitiert den Philosophen Bertrand Russell, der im Zusammenhang mit der Frage nach der Existenz Gottes einmal sagte: „Wenn ich behaupten würde, zwischen Mars und Erde ziehe eine Porzellanteekanne ihre elliptischen Bahnen um die Sonne und vorsichtshalber noch hinzufügte, die Teekanne sei zu klein, um von unseren leistungsstärksten Teleskopen entdeckt zu werden, könnte niemand meine Behauptung widerlegen. Aber wenn ich jetzt noch sagen würde, da meine Behauptung nicht widerlegt werden könne, sei es nicht zu tolerieren, sie zu bezweifeln, sollte man zu Recht von mir denken, dass ich Unsinn rede.“

Innovationen statt Illusionen

Im abschließenden Kapitel des Buches widmet sich Pielke der internationalen Klimapolitik. Er formuliert ein „ehernes Gesetz“, das lautet: Während es überall auf der Welt Menschen gibt, die bereit sind, einen gewissen Preis für den Schutz der Umwelt zu bezahlen, ist das Ausmaß der Bereitschaft insgesamt doch recht begrenzt. Global betrachtet stagniert die CO2-freie Energieerzeugung seit 1990 bei etwa 13 Prozent. Bei über 90 Prozent müsste sie nach vorherrschender Meinung liegen, um den Klimawandel zu stoppen. Um diesen Wert zu erreichen, müsste man von heute bis 2050 jeden Tag ein Atomkraftwerk oder 1000 Windräder in Betrieb nehmen und die Nutzung fossiler Energiequellen entsprechend reduzieren. Davon sind wir himmelweit entfernt. In Deutschland wurde im Jahr 2014 mit fast 1800 neu errichteten Windrädern, also immerhin etwa fünf pro Tag, ein neuer Rekord aufgestellt. Der Rest der Welt ist mangels vergleichbarer Subventionierung weit abgeschlagen. Global betrachtet hatten wir in den letzten fünf Jahren einen Zuwachs von knapp 40.000 Megawatt pro Jahr an installierter Windenergieleistung. 3 Das entspricht 16.000 Windrädern (à 2,5 MW) pro Jahr oder 44 pro Tag. Es fehlen also noch 956 zum Sollwert. Aber vielleicht können wir den Restbedarf von 2200 Prozent ja mit Solarzellen decken?

Pielke bezeichnet die Auffassung als großen Irrtum, mit der globalen Energiewende gehe es nicht voran, weil es an Aufklärung über die Gefahren des Klimawandels mangele. Die öffentliche Zustimmung für aktiven Klimaschutz sei selbst in den USA sehr hoch. Die Umfragen sind in dieser Hinsicht mehr als deutlich. Fehlende Einigkeit sei nicht der Grund, weshalb die globalen CO2-Emissionen partout nicht zurückgehen. Der Kampf gegen den vermeintlichen Einfluss von Klimaskeptikern sei nutzlos. Ebenso nutzlos, wenn nicht kontraproduktiv, sei es, die Wissenschaft zu frisieren und nur der „guten Sache“ dienliche Ergebnisse zu kommunizieren, um so die Folgen der Erwärmung zu dramatisieren, wozu auch er immer wieder aufgefordert wurde. Das tatsächliche Hindernis bestehe schlicht darin, dass trotz überwältigender prinzipieller Zustimmung zum Klimaschutz drastisch erhöhte Energiekosten so gut wie nirgends auf der Welt politisch durchsetzbar sind. Deshalb bleibe am Ende nur eine Devise: „Macht saubere(re) Energie günstig und schmutzige Energie wird schnell ersetzt werden.“ Jeder Klimaaktivist, der auf andere Weise sein Ziel erreichen will – durch Aufklärung längst überzeugter Bürger, Katastrophenbeschwörung oder Bekämpfung böser Klimaleugner –, vergeudet seine Energie. Wenn es eine Botschaft gibt, die es wert ist, verbreitet zu werden, dann diese unbequeme Wahrheit. Die meisten Klimaschutzaktivisten sind in dieser Hinsicht leider wahre Meister der Verdrängung.

„Macht saubere Energie günstig und schmutzige Energie wird schnell ersetzt werden“

Nur massive technische Innovation führt zu billiger, sauberer Energie. Doch Fortschritt und Innovation werden durch Katastrophengläubigkeit und eine in der Klimarettergemeinde virulente Verzichtsideologie behindert. Pielke versucht, dennoch optimistisch zu bleiben. Er fordert, groß und großmütig zu denken: „Öffentliche Unterstützung für Energieinnovation könnte dadurch erreicht werden, dass wir den höheren Energiebedarf der Welt einsehen und das Recht von Milliarden von Menschen anerkennen, in gleichem Maße Zugang zu Energie zu erhalten, wie ihn die Reichsten überall auf der Welt heute haben. Ein Appell für Chancen und Wachstum wird stets stärkere politische Unterstützung finden als die Forderung nach höheren Kosten und Grenzen.“

Der Rezensent nickt zustimmend und empfiehlt das Buch gerne weiter.

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