18.07.2011

Potentiale einer neuen Energiequelle

Analyse von Rob Lyons

Schiefergas kann eine der bedeutendsten Energieressource der Zukunft werden. Es ist billig, massenhaft vorhanden und „sauber“. Der Autor stellt die Potentiale dieser neuen Energiequelle vor, die von vielen Grünen mit fadenscheinigen Argumenten bekämpft wird

Das muss die Energiekrise sein, vor der die Umweltschützer schon solange warnen. Seit Jahren flattern immer höhere Stromrechnungen in die Briefkästen der Verbraucher. Und jetzt, da die Preise von Öl und Gas bereits historische Höchststände erreicht haben, macht Deutschland im Zuge seiner sogenannten Energiewende die Energie sogar noch teurer. Es pumpt Milliarden und Abermilliarden Euros in die Förderung wenig effizienter erneuerbare Energiequellen wie etwa Wind und Solar, die einfach noch nicht weit genug entwickelt oder zuverlässig genug sind, um die altgedienten Energiequellen ersetzen zu können. Vielleicht sollten wir alle langsam damit anfangen in der kalten Jahreszeit Strickjacken zu tragen, wie der damalige US-Präsident Jimmy Carter, als er 1977 sein Volk auf bevorstehende Energieengpässe einschwor.

Wäre es nicht schön, wenn eine neue, billige, verlässliche und als „gut“ verstandene Energiequelle auftauchen und uns aus dieser teuren und misslichen Lage heraushelfen würde? Anscheinend ist das jetzt passiert – aber natürlich wollen die verschiedensten Leute die Sache bereits im Keim ersticken. Es geht um das Potential der neuen Energiequelle Schiefergas, das der Wissenschaftsautor Matt Ridley in seinem Bericht The Shale Gas Shock beschreibt.

Der Schock des Alten – und des Neuen

„Dass Tonsteinformationen Gas enthalten, ist schon lange bekannt“, schreibt Ridley und erläutert, dass es beim Bohren nach Ölreservoirs durch Tongestein (umgangssprachlich auch als Schiefer bezeichnet) zu Austritten von Gas („Shows“) kam. Die Förderung dieser Gasvorräte galt jedoch immer als zu schwierig oder zu teuer. Durch die Zusammenführung verschiedener teils alter, teils neuer Techniken hat sich das nun geändert.

Das Verfahren der Hydraulischen Rissbildung („Fracking“) gab es bereits seit den 1940er-Jahren. Im Wesentlichen ist das eine Tiefbohrtechnik, bei der Risse in der Bohrung erzeugt werden, um dann Wasser und Sand in diese Risse zu leiten, damit das Gas aus dem Stein freigesetzt wird. Horizontale Bohrungen in großer Tiefe gibt es dagegen erst seit den 1970er-Jahren, und sie wurden in den 1990er-Jahren deutlich verbessert. Bei konventioneller Öl- oder Gasförderung bohrt man einfach auf ein Reservoir hinunter, so dass nur vertikales Bohren erforderlich ist; sobald man das Reservoir erreicht hat, kann man den Energieträger ohne Weiteres zutage fördern. Bei Tongestein muss man rund um die vertikale Bohrung weiträumig ins Gestein vordringen. Das ist jetzt möglich.

Durch die Verbindung von Fracking, horizontalem Bohren und hochentwickelten Fördertechniken haben US-Unternehmen große Fortschritte bei der immer effizienteren Förderung gemacht, so dass Schiefergas jetzt genauso billig sein kann wie konventionelles Gas – und sogar noch billiger werden könnte.

Unmengen von Gas, überall

Was sehr klar wird, ist, dass es da unten viel Gas gibt. Die Schätzungen darüber wieviel, sind in den letzten Jahren nach oben geschnellt. So könnte der teilweise unter dem US-Staat Pennsylvania liegende Marcellus-Schiefer laut Schätzungen von 2007 etwa 50 Billionen Kubikfuß (tcf) enthalten, was 1,4 Billionen Kubikmeter entspricht. Insofern die USA jährlich etwa 20 tcf verbrauchen, ist das eine reichhaltige Ressource. Aber 2011 lagen einige Schätzungen zur förderbaren Gasmenge im Marcellus-Schiefer schon bei 516 tcf – das entspräche der Deckung des US-Gasverbrauchs für 25 Jahre durch nur ein (zugegebenermaßen enormes) Gasfeld. Einem Bericht zufolge standen die geschätzten US-Schiefergasressourcen 2010 bei 2.000 tcf (entdeckt) und 3.000 tcf (erwartet), so Ridley. Das entspricht bei derzeitigen Stand der Versorgung für 150 Jahre.

Ridley zufolge besteht einer der großen Vorteile von Schiefergas nicht nur darin, dass es sehr viel davon gibt, sondern auch darin, dass es weit verbreitet ist. Während sich die konventionellen Gasvorräte in einigen wenigen großen Feldern, z.B. in Katar oder Iran,  konzentrieren haben viele Länder sichere Schiefergasvorräte und in anderen könnte die Entdeckung bevorstehen. So könnte beispielsweise Polen – das lange von russischen Energievorräten abhängig war – auf einem großen Schiefergasfeld sitzen. Aufgrund dieser Allgegenwart werden die Gasvorräte oft näher am Ort der Nutzung liegen, so dass man nicht mehr die Vorräte in entlegenen Wildnissen wie etwa Alaska fördern muss. So bleiben solche in sich abgeschlossenen Ökosysteme unberührt, und der Bedarf an neuen Pipelines wird reduziert. Das hat auch geopolitische Auswirkungen für diejenigen, die die Welt derzeit mit Gas versorgen. So ist etwa Russland mit seinen großen konventionellen Gasvorräten nicht besonders wild auf die neue Technologie, die wahrscheinlich die Gaspreise drücken wird.

Das Gute an Ridleys Bericht ist, dass er den Skeptikern Raum lässt. Laut Ridley befinden wir uns inmitten einer Schiefergasblase. Für jedes Unternehmen, das reich wird, fährt ein anderes an die Wand. Es kann sich herausstellen, dass die höheren Schätzungen der Schiefergasvorräte sich nicht bestätigen oder dass ihre Förderung unwirtschaftlich wäre. Wir könnten dann nur die tief hängenden Früchte ernten.

Die Luft reinigen

Ihm zufolge spricht aber vieles dafür, dass Schiefergas erhebliche Auswirkungen haben wird. Die offensichtlichste besteht darin, dass dadurch mögliche Preisspitzen bei fossilen Energieträgern erheblich verschoben werden. Außerdem ist das Gas relativ sauber was Kohlenstoff betrifft. Laut Ridley reduziert sich der Kohlenstoff in der Welt bereits seit den Tagen von Queen Victoria und Abraham Lincoln, denn die von uns verwendeten Kraftstoffe – von Kohle, über Öl bis zum Gas – enthalten zunehmend weniger Kohlenstoff und mehr Wasserstoff.

Selbst Skeptiker des Klimawandels werden es begrüßen, dass Gas auch in anderer Hinsicht sauberer ist als andere fossile Brennstoffe. Kohle und in geringerem Maße auch Öl produzieren bei der Verbrennung eine Menge anderer Schadstoffe. Aus diesen Gründen fördert das versmogte China - obwohl Kohlekraftwerke ein Fundament der schnellen Wirtschaftsentwicklung waren - die schnelle Erschließung der Gasressourcen.

In seinem Vorwort für The Shale Gas Shock erinnert sich der altgediente Physiker Freeman Dyson an einen Vorfall in den Tagen vor dem Clean Air Act, als er in der stickigen Royal Albert Hall saß – Ursache der schlechten Luft waren jedoch nicht die Leute drinnen, sondern die überall in der Stadt brennenden Kohlefeuer. „Heute ist der Hemdkragen in London am Ende des Tages nicht mehr rußig“, schreibt er. Aber in London gibt es durch Autos, Busse, Lastwagen und Taxis immer noch Luftverschmutzung. Es könnte relativ leicht sein, einige dieser Fahrzeuge auf verdichtetes Erdgas (CHG) umzustellen, was die Luftverschmutzung reduzieren würde. Gasbetriebene Taxis sind in belebten, schnell wachsenden Städten wie Bangkok, Kuala Lumpur und Rio de Janeiro bereits üblich.

Das Gasleck stopfen

Warum sollte also jemand gegen Schiefergas sein? Zum einen bestehen viele wirtschaftliche Interessen im Zusammenhang mit Kohle, Öl und erneuerbaren Energien, die ins Hintertreffen geraten könnten, wenn Gas durchstartet. Bedrohlicher sind jedoch grünen Widerstände gegen Gas; diese verkörpert etwa der Panik verbreitende, oscarnominierte Film Gasland. Es wird viel darüber geredet, dass Fracking das Trinkwasser belasten könnte (Ridley hält das zwar für möglich, aber letztlich für unwahrscheinlich) und den Einsatz vieler gefährlicher Chemikalien vorsieht. Ridley zufolge landen im Bohrloch aber meist zu 99,86% Wasser und Sand; die anderen Chemikalien werden auch anderenorts ohne gesundheitsschädliche Effekte verwendet. Diese Gruselgeschichten sind bestenfalls fehl am Platze oder übertrieben und schlimmstenfalls bewusst irreführend.

Im Wesentlichen wird durch Schiefergas das zentrale Märchen der Umweltschützer aufgemischt: Die fossilen Brennstoffe werden knapp, und sie sind ohnehin umweltschädlich, daher sollten wir weniger Energie verbrauchen oder stattdessen erneuerbare Energien verwenden. In der Praxis sind die unausgereiften Wind- und Solartechniken der Sache nicht gewachsen, und daher sollen wir uns diesem Argument zufolge in eine Gesellschaft mit niedrigem Energieverbrauch verwandeln. Wenn es jetzt aber ein großes Energiepotential gibt, und wenn diese Energie auch sauberer und flexibler als andere derzeitige Energievorräte ist, wo bleiben dann die Grünen? Die Grundlage des Alarmismus wäre ruiniert.

Der Rest der Welt wird diese Option auf saubere, billige Energie wahrscheinlich begrüßen. In Europa, wo die Politik durch die regressiven Vorstellungen von Nachhaltigkeit und Vorsorgeprinzip bestimmt ist, können wir davon ausgehen, dass es viele Widerstände gegen die Förderung von Schiefergas geben wird. Es ist zwar noch unklar, welche Rolle Schiefergas tatsächlich spielen wird, aber es wäre tragisch, wenn man zuließe, dass die europäische Politik das Potential dieser neuen Energiequelle ersticken würde.

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