21.11.2022

Imagine the Great Reset

Von Christoph Lövenich

Titelbild

Foto: Eric Koch via Wikicommons / CC0 1.0

Wer John Lennons Lied „Imagine“ feiert, möge sich fragen, wie nahe er den Vorstellungen zur weltweiten Transformation steht, wie sie Globalisten und Superreiche vorantreiben.

1971 war nicht nur das Jahr, in dem John Lennons berühmter Song „Imagine“ erschien, sondern auch das Jahr der Gründung des Weltwirtschaftsforums (WEF) – damals noch unter der unverfänglicheren Bezeichnung European Management Forum.

Für Schwab ein Anfang, für Lennon ein Höhepunkt. Beide, das Lied und das WEF, stehen heute für globale Visionen, die die gesamte Menschheit erfassen sollen.1

Imagine all the people

[…]

A brotherhood of man

[…]

And the world will be as one

Selbstverständlich jenseits von nationalen oder Glaubensunterschieden.2

Imagine there's no countries

[…]

And no religion too

Überall auf der Welt soll das gleiche gelten. Traditionen, Verwurzlungen, Eigenheiten, Vielfalt und Dezentralität kommen weder in Davos vor noch in diesem Werk des Globalisten Lennon. Das Alte muss überwunden werden – zunächst in der Fantasie –, ein Neustart steht an. Wie soll er aussehen?

Imagine no possessions
I wonder if you can
No need for greed or hunger

Mit anderen Worten: „You’ll own nothing. And you’ll be happy.“ Ein nur scheinbar „bedingungsloses Grundeinkommen“ macht dann alle gleich – außer die Gleicheren natürlich.

Imagine all the people
Sharing all the world

Der Lennon-hörende und -hörige Hippie näherte sich diesem Ideal in Wohngemeinschaften, wo alle alles an irdischem Besitz teilen sollten, auch die Sexualpartner. Heute leben wir in der „Digitalisierung ohne Eigentum“, einer Sharing Economy auf Mietbasis: Spotify statt Plattensammlung, geleastes statt gekauftes Auto, Online-Abo statt gedruckter Zeitung.

In der 68er-WG war idealerweise noch die bürgerliche Klotür ausgehängt. „I […] have no privacy, and life has never been better”, so eine vom WEF veröffentlichte Vision für 2030.

Utopien kennen meist einen paradiesischen Endzustand.

Nothing to kill or die for

Eine Textzeile, die Gunnar Kaiser kürzlich aufgriff, als er sich fragte, warum die heutige Gesellschaft so „kaputt“ ist:

Es ist grauenvoll, diese Hoffnungslosigkeit all dieser Menschen. Wofür noch kämpfen? Wofür überhaupt noch leben? Wofür irgendetwas erhalten wollen aus dieser Welt? Wofür es bewahren und weitergeben – und an wen? Und frühere Idole sind längst wie Götzenbilder zertrümmert. Nur einige wenige erkennen sie noch inmitten der Ruinen: die Familie, Kinder bekommen, lieben, mitfühlen, heiter sein, schöpferisch sein, sich selbst bilden, diese altbackenen Angelegenheiten einer längst vergessenen Welt. Und jetzt – gibt es keine Kraft mehr, keine Liebe, keine echte Kultur, auch keinen Rausch und keine Extase, keinen Glauben mehr an etwas Höheres, nothing to kill or die for.

Zu den Zertrümmerern gehören auch manche, die früher zu Lennon-Klängen von der (für wen?) besseren Welt geträumt haben.

„1971 kamen die ‚Grenzen des Wachstums‘ des Club of Rome auf den Markt, dem zufolge die Ressourcen bald zur Neige gehen. Das erwies als so zutreffend wie die üblichen Weltuntergangs-Prognosen.“

You may say I'm a dreamer
But I'm not the only one
I hope someday you'll join us

Hat Schwab so bei den Konzernen für die – nicht ganz billige – WEF-Mitgliedschaft geworben? Und was soll mit jenen geschehen, denen es so gar nicht nach entsprechenden Träumen gelüstet?

Musikjournalist Robert Chrisgau attestierte „Imagine“, unter anderem von Herbert Marcuse inspiriert gewesen zu sein. Marcuse, ein Säulenheiliger der 68er, hatte sich damals für „Intoleranz gegenüber Bewegungen von rechts […] und Duldung von Bewegungen von links“ ausgesprochen. Eine praktische Maxime, da wir es hier mit immer dehnbareren, geradezu inflationären Begriffen zu tun haben. Eine „extreme Aufhebung des Rechts der freien Rede und freien Versammlung“ sah Marcuse u.a. für Menschen vor, die „sich der Ausweitung […] medizinischer Fürsorge usw. widersetzen“. Dazu zählen gewiss auch Stäbchen in der Nase und Spritzen im Arm. Dieser Teil des 68er-Erbes zeigt sich heute nicht nur in Person von Antifa-Gegendemonstranten, die „Wir impfen euch alle!“ skandieren, sondern auch in Verordnungen, die das Demonstrationsrecht in Ketten gelegt haben.

1971 war übrigens das Jahr, in dem die Weltbevölkerung am stärksten wuchs, und die deutsche Übersetzung des Buches „Die Bevölkerungsbombe“ erschien. Autor Paul R. Ehrlich (nicht identisch mit dem Namensgeber eines umstrittenen deutschen Instituts) beklagte in seinem einflussreichen Werk, dass es zu viele Menschen gebe für die Ressourcen auf der Erde. Im Folgejahr kamen die „Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome, eines exklusiven Zirkels von Einflussreichen, auf den Markt, dem zufolge die Ressourcen (z.B. das aktuell vieldiskutierte Erdgas) bald zur Neige gehen. Das erwies als so zutreffend wie die üblichen Weltuntergangs-Prognosen.

„Mit ‚Young Global Leader‘ Annalena Baerbock als Schwab-Elevin beim WEF schließt sich ein Kreis. Die Revolution von oben befördert ihre Kinder.“

Dieses (neo)malthusianische Überbevölkerungs- und Knappheitsdenken ist durch den gleichermaßen enormen Menschen- wie Wohlstandszuwachs auf diesem Planeten seit Malthus‘ Tagen krachend widerlegt. Früher wandte sich Linksaußen mit Verve gegen die „reaktionäre und feige Theorie“ (Lenin) des „Pfaffen und Pfründners Malthus“ (Marx). Seit den Zeiten, in denen Marx und Lenin durch Marcuse und Lennon ersetzt wurden, gilt es aber als besonders links, die Masse Mensch und vor allem den Massenwohlstand als Übel zu betrachten. Kein Aufbegehren der Studentenbewegungs-‚Geisteselite‘ gegen die elitäre Wachstumskritik. Aus Ressourcenmangel-Modellen wurden High-Tech-Klimawandel-Modelle, aus studentischen Bürgerkindern FFF-Schüler, die von ihren Eltern in dicken Autos zur Freitagsdemo gefahren werden, wo sie das Nachplappern der in Regierungen, Mainstream-Medien und globalistischen Kreisen vorherrschenden Narrative als ‚Protest‘ zelebrieren.

Und aus der neuen Linken wurde nicht zuletzt die grüne Partei, die sich besonders dabei hervorgetan hat, die Öko-Apokalyptik in den Institutionen zu verbreiten. Mit „Young Global Leader“ Annalena Baerbock als Schwab-Elevin beim WEF schließt sich ein Kreis. Die Revolution von oben befördert ihre Kinder. Baerbocks Partei agiert als „Vasall einer korporatistischen Elite“, wie Tom Regenauer im Rubikon schreibt. Wenn selbiger Autor im gleichen Magazin aber vermutet, die US-Regierung habe 1980 John Lennon ermorden lassen wegen „seiner Fähigkeit […], die Massen gegen das herrschende System aufzubringen“, so sind doch erhebliche Zweifel angebracht. Mit weit größerer Wahrscheinlichkeit hätte er im Falle seines Fortlebens Öko-Kitsch gesungen wie sein Sohn Julian und wäre Goodwill-Botschafter bei irgendeiner UN-Organisation geworden.

Hippie-Visionen und der sich anbahnende „Milliardärssozialismus“ (David Engels) bzw. „‚oligarchische Sozialismus‘“ (Joel Kotkin) im Great Reset von Gates, Schwab & Co. sind zwei Seiten derselben Medaille. Nein, höre ich da die Ökoromantikerin aufschreien, wir wollen doch gar keine konzernkontrollierten Megacitys, sondern lokale Selbstversorger-Kommunen! Tja, Zauberlehrling, wundere dich nicht, wenn sich am Ende die weniger weltfremde Dystopie durchsetzt. And be careful what you imagine.

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