25.01.2022

To boost or not to boost?

Von Thilo Spahl

Titelbild

Foto: x3 via Pixabay

Beim Impfen geht es nicht nur darum, wieviel verabreichte Dosen man vermelden kann.

In der letzten Woche hat die Regierung am Status von Genesenen und mit Johnson & Johnson Geimpften herumgeschraubt. Genesene gelten nur noch für drei Monate als geschützt, J&J-Geimpfte, die erst vor Kurzem einen Booster bekommen haben, müssten sich direkt den nächsten holen, um wieder als geboostet zu gelten. Warum? Um die Impfkampagne am Laufen zu halten? Um die Zahl der Menschen zu erhöhen, die nur mit einer weiteren Impfung diskriminierenden Maßnahmen entgehen? Mit der medizinischen Realität hat das wenig zu tun. Durch Infektion erworbene Immunität bringt einen lang anhaltenden Schutz. Laut einer gerade veröffentlichten Untersuchung der US-Gesundheitsbehörde CDC mit Daten von 1,1 Millionen positiv Getesteten schützt eine Genesung besser gegen eine erneute Infektion als eine Corona-Impfung. Menschen, die nicht geimpft, aber genesen waren, erwiesen sich in der letzten Corona-Welle durch die Delta-Variante besser gegen eine Neuansteckung geschützt als solche, die zwar geimpft, aber nicht genesen waren. Zeitweise war die Wahrscheinlichkeit einer Infektion bei geimpften Personen drei- bis viermal höher als bei ungeimpften, genesenen Personen.

Auch Zahlen aus Großbritannien bestätigen den hohen Schutz, der aus einer durchgemachten Infektion resultiert. Die Chance, sich anzustecken (positiv getestet zu werden), ist bei den nach Delta Genesenen deutlich geringer als bei den doppelt Geimpften und sogar geringer als bei den Geboosteten. Auch die nach einer Infektion mit anderen Virusvarianten Genesenen haben ein geringeres Risiko als doppelt Geimpfte. Selbst Menschen, deren Erkrankung schon länger zurückliegt (Alpha und noch früher) waren noch besser geschützt als die meisten Geimpften.

Abb. 1: Impfstatus und Wahrscheinlichkeit eines positiven Tests, Quelle: s.o.

Auch bei der SIREN-Studie an medizinischem Personal ergab sich, dass ungeimpfte Genesene mit 44 Prozent einen deutlich besseren Schutz vor Ansteckung als doppelt Geimpfte hatten, die nur auf 32 Prozent kamen. Dreifachgeimpfte kamen auf einen ähnlich hohen Schutz wie Genesene mit Zweifachimpfung.

Abb. 2: Inzidenz nach Impf- und Genesenstatus, Quelle: s.o.

Natürlich bringt ein zusätzlicher Booster noch etwas mehr Schutz. Aber, ob sie diesen wollen, sollte den Menschen selbst überlassen bleiben. Warum ausgerechnet Leute, die sich jetzt mit Omikron anstecken, nur noch 3 Monate als (gegen Omikron!) geschützt gelten, während Menschen, die zuvor mit einem Impfstoff, der kaum gegen eine Omikron-Ansteckung schützt, wenigstens für 9 Monate relative Freiheit genießen dürfen, ist nicht nachzuvollziehen. Was soll der deutsche Alleingang? Die Schweiz hat gerade die Gültigkeit des Genesenenstatus von 6 auf 12 Monate erhöht.

Der Booster ist schön und gut und für über 60-Jährige wahrscheinlich zu empfehlen. Es gibt aber keinen Grund, einen großen Teil der Bevölkerung zu nötigen, sich boosten zu lassen, wenn die Betroffenen es eigentlich nicht wollen.

Omikron lässt sich nicht wegimpfen

Vor einigen Wochen glaubten noch viele, etwa der Charité-Impfstoffforscher und Mitglied des Expertenrats Leif Erik Sanders, die Impfungen würden die Ausbreitung des Virus nennenswert verringern. Das ist nicht der Fall. Am 10. September lobte Sander Irland dafür, dass man dort durch vorbildliches Impfen die Pandemie beende. Wie es danach im Impfmusterland Irland und im vermeintlichen Impfmuffelland Deutschland weiterging, sehen wir hier:

Abb. 3 Fallzahlen Irland/Deutschland, Quelle: s.o.

Am 28. Oktober vermeldet Sander, dass sich Israel „erfolgreich aus der Delta-Welle geboostert“ habe. Wie es danach, mit Omikron, weiterging, sehen wir hier:

Abb. 4: Fallzahlen Israel, Quelle: s.o.

Heute können wir wohl sagen, dass es offenbar keinen „deutlichen Effekt auf die Transmission“ gab. Wir sollten aber in Hinblick auf die bei uns noch laufende Omikron-Welle festhalten, dass sich die Rekordinzidenzen weder in Irland noch in Israel auf die Sterberaten ausgewirkt haben. Sie blieben genauso niedrig wie zuvor.

Bei den Aufnahmen in die Intensivstationen zeigt sich jedoch in den letzten Wochen in Israel ein rasanter Anstieg, den es in Irland nicht gegeben hat. Hier könnte durchaus ein Unterschied beim Impfen eine Rolle spielen. Während Israel nämlich schon von August bis Oktober 2021 massiv geboostet hat, liegt das Land bei der Basisimpfung mit 65 Prozent mittlerweile deutlich hinter Irland (77 Prozent) und auch Deutschland (73 Prozent). Auch das mit fast 81 Prozent noch besser durchgeimpfte Dänemark erlebt derzeit, ähnlich wie viele andere Impfmusterländer, mit einer Inzidenz von über 6000 pro Million und Tag bekanntlich eine Explosion bei den Zahlen der positiv Getesteten. Gleichzeitig gibt es aber keine nennenswerte Belastung der Intensivstationen! Das gleiche Bild zeigt sich derzeit in Deutschland: Inzidenzen steil nach oben, Intensivbelegung stetig nach unten.

Abb. 5: RKI-Daten vom 21. Januar 2022, Quelle.

Inzwischen ist natürlich auch Herr Sander schlauer. Am 13. Januar sagte er im ZDF Morgenmagazin, dass eine vollständige Impfung keinen Schutz vor einer Ansteckung bietet. Aber der Booster, der helfe. Davon will er offenbar noch immer nicht abweichen. Unbestritten bleibt der Schutz der Impfung vor schweren Verläufen. Der ist bei Omikron sehr stark ausgeprägt. Allerdings scheint hierfür ein Booster bei unter 60-Jährigen keinen zusätzlichen Nutzen zu bringen.

Am 5. Januar tweetet Sander diese Zahlen aus Dänemark, die zeigen, dass sich für die Krankenhausaufnahmen erst bei den über 70-Jährigen ein Unterschied zwischen Geimpften (blau) und Geboosteten (grün) zeigt.

Abb. 6: Daten aus Dänemark, Quelle.

Ein weiteres, von Sander nicht gepostetes Diagramm aus der Studie zeigt, dass in Bezug auf die Ansteckung kein Schutz durch Booster zu erkennen ist, sondern, ganz im Gegenteil, für die Altersgruppen über 40 die höchste Infektionsrate bei den Geboosteten ermittelt wurde.

Abb. 7: Daten aus Dänemark, Quelle s.o.

Auch RKI-Chef Wieler schreibt am selben Tag: „In Bezug auf den Schutz vor Hospitalisierung kann durch die Auffrischimpfung eine Steigerung der Effektivität bei den ab 60-Jährigen gezeigt werden.“ „Nach Kombination Impfung + natürliche Infektion (leider nicht zu verhindern) wird Boostern gegen #covid19 maximal für die +60J und andere Vulnerable ab dem nächsten Winter notwendig sein“, schreibt der Epidemiologe und Virologe Klaus Stöhr.

Da fragt man sich, warum durch die Entwertung des Genesenenstatus, die 2G-Plus- (Test oder Booster) Regel, den Rauswurf der mit Johnson&Johnson-Geimpften aus der Gemeinschaft der gültig Geimpften und die angedrohte (Dreifach)-Impfpflicht enormer Druck auf die 5 bis 60-Jährigen ausgeübt wird, sich boosten zu lassen? Geht es nur darum, irgendwelche Planziele von 30 und dann nochmal 30 Millionen verabreichten Dosen als erfüllt zu melden? Warum konzentriert man sich nicht auf die, die davon profitieren würden? Wie schon während der gesamten Zeit gilt die Devise „Ja nicht zwischen Gefährdeten und weniger Gefährdeten unterscheiden!“

„Es ist Zeit, zur Vernunft zu kommen."

Und um den Schrecken aufrecht zu erhalten, wird diese Kampagne garniert mit dem Vernichten von Gastronomie, Dienstleistungsgewerbe und Einzelhandel, ordentlicher Schuldentreiberei, der fortdauernden Verängstigung des angstaffinen Teils der Bevölkerung und das große Gedöns rund um die Rettung der „kritischen Infrastrukturen“ vor einem durch unsinnige Massenquarantäne herbeiführbaren Zusammenbruch.

Es ist Zeit, zur Vernunft zu kommen. Es bleibt die Empfehlung an Ältere und Vorerkrankte, sich impfen und ggf. auch boosten zu lassen. Alle weiteren Maßnahmen sind nicht mehr verhältnismäßig und werden zurecht von immer mehr Menschen als trotziges Verharren der Politik, als unbeholfener Aktionismus, als Willkür oder gar als reine Schikane wahrgenommen.

Zuletzt noch ein Blick nach Schweden, wo man ja immer alles falsch gemacht hat: keine Maskenpflicht, keine Schulschließungen, keine Lockdowns, keine Restaurant- und Ladenschließungen, keine Impfpflicht(debatte), kein Kampf gegen die Tyrannei der Ungeimpften. Dafür sind sie jetzt alle tot? Nein, bei der Gesamtzahl der zusätzlich Gestorbenen (über den gesamten Zeitraum der Pandemie betrachtet) ist Deutschland kurz vor Schluss nun doch an den unverantwortlichen Skandinaviern vorbeigezogen.

Abb. 8, Quelle: Our World in Data.

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