25.07.2022

Sri Lanka und die globale Revolte gegen die Laptop-Eliten

Von Brendan O’Neill

Titelbild

Foto: Dennis S. Hurd via Flickr / CC0 1.0

Von Sri Lanka bis Holland, von Albanien bis Kanada: In immer mehr Ländern rebelliert die Bevölkerung gegen eine abgehobene Politik, die sich nicht an den Bedürfnissen normaler Menschen orientiert.

Einige im Westen erfreuen sich an den Bildern der Revolte, die aus Sri Lanka kommen. Twitterer und Linke bewundern das Filmmaterial und die Fotos, die zeigen, wie wütende Sri Lanker den Präsidentenpalast stürmen und ein Bad in dessen prunkvollem Pool nehmen. Die Bilder sind in der Tat beeindruckend und ermutigend: Es ist immer gut zu sehen, dass sich die Menschen gegen ihre unfähigen, korrupten Herrscher wehren.

Und doch könnten diese westlichen Beobachter bald eine Überraschung erleben, denn diese Revolte ist nicht nur eine Anklage gegen die srilankischen Eliten und ihre unzähligen Fehlentscheidungen. Sie ist auch eine Anklage gegen die Überheblichkeit der globalen Eliten im weiteren Sinne. Sie stellt die Vorurteile und die Politik des globalen Establishments in Frage, das dem Klimawandel-Alarmismus und dem autoritären Coronismus verfallen ist. In Sri Lanka sind wir Zeugen einer Rebellion nicht nur gegen korrupte Regierungsbeamte, sondern auch gegen die gefährlich realitätsfremde Weltsicht der internationalen Technokratie.

„In Sri Lanka sind wir Zeugen einer Rebellion nicht nur gegen korrupte Regierungsbeamte, sondern auch gegen die gefährlich realitätsfremde Weltsicht der internationalen Technokratie.“

Die Wirtschaftskrise Sri Lankas ist außerordentlich ernst. Die Nation ist bankrott. Die Inflation greift um sich. Die Lebensmittelpreise sind um 80 Prozent gestiegen. Im letzten Monat stiegen die Benzinpreise um 24 Prozent, die Dieselpreise um 38 Prozent. Ende Juni verkündete die Regierung, dass die Benzinvorräte fast erschöpft seien – sie verbot den Verkauf von Benzin, außer für lebenswichtige Dienstleistungen, und machte das Autofahren praktisch illegal. Die Menschen kommen nicht mehr über die Runden. Im vergangenen Jahr wurde eine halbe Million Menschen in Sri Lanka wieder in die Armut gestürzt. Nach Angaben der UNO haben mehr als drei Viertel der Bevölkerung ihren Lebensmittelkonsum aufgrund der schweren Nahrungsmittelknappheit reduziert.

Kein Wunder, dass es seit Monaten zu Rebellionen kommt. Auch die politischen Turbulenzen waren enorm. Im April trat das Kabinett zurück, im Mai der Premierminister Mahinda Rajapaksa, und am vergangenen Wochenende flüchtete der Präsident – Rajapaksas Bruder Gotabaya. Präsident Rajapaksa wurde von der Armee abgeführt, kurz bevor die Bevölkerung sein Anwesen stürmte. Diese Bilder von kämpfenden Sri Lankanern, die sich in einem von der verängstigten herrschenden Klasse verlassenen Palast auf Luxussofas zurücklehnen, sind vielleicht der bisher beste Beweis dafür, dass sich eine weltweite Revolte der wütenden Arbeiter zusammenbraut.

Die Krise in Sri Lanka hat viele Gesichter, das ist klar. Aber es gibt zwei wichtige Faktoren, über die wir sprechen sollten. Zum einen sind da die Auswirkungen der weltweiten Corona-Lockdowns. Sie haben die Tourismusindustrie Sri Lankas erschüttert. Der Tourismus brachte Sri Lanka im Jahr 2018 4,4 Milliarden Dollar ein, was 5,6 Prozent des BIP ausmachte. Im Jahr 2020 trug der Tourismus nur noch 0,8 Prozent zum BIP bei. Und auch 2021 hat sich die Lage nicht wie erwartet verbessert.

„Nach Angaben der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation ist die Zahl der von Hunger betroffenen Menschen seit Beginn der Pandemie um unglaubliche 150 Millionen gestiegen.“

Vor allem aber wirkten sich die weltweiten Lockdowns und die damit verbundenen Produktions- und Handelsbeschränkungen auch auf die Versorgung Sri Lankas mit Nahrungsmitteln und lebenswichtigen Gütern aus. Wie es in einem Bericht heißt, sind die „wirtschaftlichen Turbulenzen und das menschliche Elend“ in Sri Lanka zum Teil eine Folge der „wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie“. Die drastische Abschwächung der weltweiten Wirtschaftsleistung hat für die ärmeren Teile der Welt schlimme Folgen. Nach Angaben der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation ist die Zahl der von Hunger betroffenen Menschen seit Beginn der Pandemie um unglaubliche 150 Millionen gestiegen. Es wird geschätzt, dass die inflationären Folgen der selbst auferlegten globalen wirtschaftlichen Stagnation während der Pandemie Dutzende von Millionen Menschen auf der ganzen Welt zurück in die Armut getrieben haben.

Vielleicht hatten also diejenigen Recht, die voraussagten, dass die beispiellose Unterbrechung der Wirtschaftstätigkeit durch den Lockdown für die weniger entwickelten Länder verheerend sein würde. Vielleicht hätten sie nicht als Oma-Mörder denunziert und aus den sozialen Medien verbannt werden sollen. Vielleicht hätten wir sorgfältig über die möglichen Folgen einer Unterbindung des Wirtschaftslebens nachdenken und ernsthaft darüber sprechen sollen, bevor wir eine solch überstürzte, gewagte Maßnahme ergreifen.

Die andere Facette der Krise Sri Lankas, mit der wir uns auseinandersetzen müssen, ist die Rolle, die die Öko-Ideologie spielt. Es ist unbestreitbar, dass das Leiden Sri Lankas durch die Entschlossenheit, eine Netto-Null-Nation zu werden, angefacht und verschlimmert wurde. Eine Nation der düngerfreien Landwirtschaft. Eine „gute“, umweltbewusste Nation, die den grünen Eliten in den globalen Institutionen gefallen wird. Sri Lankas strenge Umweltpolitik hat verheerende Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion und die wichtigsten Exportindustrien des Landes und verschlimmert die Inflationskrise des Landes.

„Sri Lankas strenge Umweltpolitik hat verheerende Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion und die wichtigsten Exportindustrien des Landes und verschlimmert die Inflationskrise des Landes.“

Im April letzten Jahres verbot die srilankische Regierung die Einfuhr von chemischen Düngemitteln und Pestiziden. Ihr Ziel war es, den ökologischen Landbau zu fördern. Diese Politik grenzte an eine Psychose, denn 90 Prozent der Landwirte in Sri Lanka verwenden Düngemittel, und sie sagten zu Recht voraus, dass ihre Ernteerträge ohne diese modernen Hilfsmittel stark zurückgehen würden. Die Produktion von Reis, Tee und Kautschuk wurde durch die ideologische Verordnung eines ökologischen Landbaus ernsthaft untergraben.

Man muss sich das vor Augen führen. Im Jahr 2019 produzierte Sri Lanka 3,5 Milliarden Kilogramm Reis. Im Jahr 2021, nach dem Düngemittelverbot, ging die Reisproduktion nach Schätzung einiger Experten um 43 Prozent zurück. Selbst auferlegter Hunger, um die Götter des Umweltschutzes zu besänftigen. Siebzig Prozent der 22 Millionen Einwohner Sri Lankas sind direkt oder indirekt von der Landwirtschaft abhängig, so dass die gravierenden Veränderungen in der Landwirtschaft vorhersehbar schwerwiegende Folgen für die gesamte Gesellschaft hatten. Sie trugen dazu bei, dass die Inflation gegen Ende des vergangenen Jahres mit 8,3 Prozent ein 47-Monats-Hoch erreichte, wobei die Inflation bei Lebensmitteln 11,7 Prozent betrug. Das Düngemittelverbot wurde im November zurückgenommen, als seine verheerenden Auswirkungen deutlich wurden, aber da war es schon zu spät. „Die Ernteerträge werden sich möglicherweise nicht mehr erholen“, prognostizierte Reuters, was sich als richtig herausstellte.

Ebenso wie die schrecklichen Auswirkungen der globalen Lockdowns auf Sri Lanka werden sich diese verrückten und schädlichen umweltpolitischen Maßnahmen für viele Sri Lanker wie eine Zumutung von außen anfühlen, etwas, das ihrem Land von globalen Institutionen und globalen Entscheidungen aufgezwungen wird. Ja, Sri Lankas eigene politische Elite hat den ökologischen Irrsinn begeistert mitgetragen. Aber wie Michael Shellenberger feststellt, hat das Weltwirtschaftsforum in Sri Lanka für Öko geworben. Viele elitäre Aktivisten im Westen setzten sich dafür ein, dass Sri Lanka vollständig auf ökologische Landwirtschaft umstellt, einige von ihnen wurden durch Gelder von ostentativ umweltfreundlichen Unternehmen wie Google, Disney und JPMorgan unterstützt.

„Im Jahr 2021, nach dem Düngemittelverbot, ging die Reisproduktion nach Schätzung einiger Experten um 43 Prozent zurück.“

Wäre ich ein Landwirt in Sri Lanka, der zusieht, wie seine Erträge schwinden, wie die Preise in die Höhe schießen, wie ihm Treibstoff und Nahrungsmittel ausgehen, wäre ich in erster Linie auf meine Regierung wütend, ja. Aber ich würde einen Teil meiner Wut für die einflussreiche globale Öko-Elite aufsparen, die die Entwicklungsländer eher als einen Ort für Umweltexperimente ansieht, denn als einen Teil der Welt, der mehr Industrialisierung und Wachstum braucht, damit er wirtschaftlich mit uns im Westen gleichziehen kann.

Sri Lanka zeigt uns, was passiert, wenn die Politik nach den Wünschen und Vorurteilen der neuen Eliten gestaltet wird und nicht nach den Bedürfnissen der normalen Menschen. Die Lockdowns mögen für die Laptop-Eliten und für einige Milliardäre ein Segen gewesen sein, aber für viele Menschen der Arbeiterklasse im Westen und für Millionen von Not leidenden Menschen im globalen Süden waren sie unglaublich schädlich. Die grüne Ideologie mag den neuen Eliten ein Gefühl der Sinnhaftigkeit vermitteln und ihrer narzisstischen Wahnvorstellung schmeicheln, dass sie den Planeten vor einem vom Menschen verursachten Hitzetod bewahren, aber sie trifft die Taschen der Arbeiter im Westen, die am Ende für den Netto-Null-Wahnsinn bezahlen werden. Und sie verschärft Hunger und Elend in den Teilen der Welt, die noch nicht so weit entwickelt sind wie der Westen.

In Sri Lanka sehen wir ein extremes und beunruhigendes Beispiel dafür, was passiert, wenn die globale Politik auf den Ängsten und dem Narzissmus abgehobener Eliten aufbaut, anstatt sich von der Frage leiten zu lassen, was die Menschen brauchen, um zu leben und zu Wohlstand zu gelangen. Aber in Sri Lanka sehen wir auch genau die Art von Gegenwehr, die wir gegen all das brauchen. Die Menschen haben genug. Und sie sind nicht allein.

„Sri Lanka zeigt uns, was passiert, wenn die Politik nach den Wünschen und Vorurteilen der neuen Eliten gestaltet wird und nicht nach den Bedürfnissen der normalen Menschen.“

Von den kanadischen Lastwagenfahrern, die sich gegen die existenzvernichtenden Corona-Vorschriften auflehnten, bis zu den niederländischen Landwirten, die sich gegen die verrückte Ökopolitik ihrer Regierung auflehnten, von den italienischen Taxifahrern, die gegen den Anstieg der Kraftstoffpreise protestierten, bis zu den Massenprotesten in Albanien gegen die Erhöhung der Lebensmittel- und Kraftstoffpreise nach dem Lockdown und dem Krieg in der Ukraine – überall auf der Welt kommt es zu Protesten der Bevölkerung. Die Regierung von Sri Lanka mag die erste gewesen sein, die gestürzt wurde, aber es ist unwahrscheinlich, dass es die letzte sein wird.

Die Aufstände sind erst im Entstehen begriffen. Einige sind führerlos. Die Forderungen sind nicht immer klar. Aber es ist offensichtlich, worüber die Menschen im Allgemeinen wütend sind – über die irrationalen Entscheidungspraktiken einer neuen Klasse von politischen Machthabern, die schnelle Lösungen und das Zurschaustellen von Tugendhaftigkeit der schwierigen Aufgabe vorziehen, herauszufinden, wie man das Leben der Menschen materiell und geistig verbessern kann. Diejenigen, die glauben, der Populismus sei vorbei, seit Trump und sogar Boris Johnson weg sind, werden einen Schock erleben. Wacht auf. Schaut aus euren Fenstern. Und auf eure Swimmingpools.

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