29.08.2025

Kein Frühstück mehr wegen Klimawandels?

Von Thilo Spahl

Titelbild

Foto: Kasia Koziatek via Freestock / CC0

Eine vielbeachtete Nature-Studie sagt nicht das aus, was wir darüber in den Medien hören.

Eine kürzlich in Nature veröffentlichte Studie sorgt für Schlagzeilen: Der Klimawandel wird uns hungrig machen. „Selbst mit einer gewissen Anpassung der Landwirtschaft an die Erderwärmung verringert sich künftig die weltweite Ernte. Einer neuen Studie zufolge reduziert jedes zusätzliche Grad-Celsius die Fähigkeit der Welt, Nahrungsmittel zu produzieren, um 120 Kilokalorien pro Person und Tag oder um 4,4 Prozent des empfohlenen Tagesverbrauchs“, schreibt der Tagesspiegel. Ebenso alarmistisch titelt die Zeit: „Klimaerwärmung verringert Ernte in den nächsten Jahren um acht Prozent. Forscher der Stanford University haben die Folgen der Klimakrise auf die globale Ernährung berechnet. Mit jedem zusätzlichen Grad fehlen 120 Kalorien pro Person und Tag.“ Bei web.de heißt es: „Weltweite Ernten könnten in den nächsten Jahren drastisch sinken.“

Der unbedarfte Leser dürfte das so verstehen, dass wir in ein paar Jahren weniger zu essen haben und der Hunger in der Welt wächst. Die Studienautoren Andrew Hultgren und Solomon Hsiang haben wenig getan, um die Hysterie um ihre Forschung zu dämpfen. Ihre zentrale Behauptung: Jeder Grad Celsius Erwärmung führt zu einem Verlust von etwa 120 Kalorien pro Person und Tag. Hochgerechnet auf eine um 3°C erwärmte Welt entspräche das laut Hsiang dem „Verzicht auf das Frühstück für alle". Wer nun glaubt, durch die wohltuende Wirkung des so zwangsverordneten Intervallfastens werde sich der allgemeine Gesundheitszustand ordentlich verbessern, hat sich zu früh gefreut. Denn wenn man die Studie tatsächlich liest, bleibt von der verkündeten Kalorienreduktion nichts übrig. (Dabei ist noch das geringste Problem, dass mit „in den nächsten Jahren“ das Jahr 2050 gemeint ist.)

Was die Studie wirklich aussagt

Eine genauere Betrachtung offenbart ein anderes Bild. Die projizierten Ernteverluste beziehen sich auf eine kontrafaktische Welt ohne zukünftigen Klimawandel – nicht auf die heutigen Ernteerträge. Dieser entscheidende Punkt wird weder im Abstract erwähnt noch in den Mediendarstellungen klargestellt. Im Tagesspiegel steht zwar, ganz am Ende des Artikels: „Die prognostizierten Ertragseinbußen verstehen die Autoren […] als Abweichungen von einem zukünftigen durchschnittlichen Ertragstrend, der von noch unbekannten Faktoren getrieben werde.“ Doch welchem Leser ist klar, was mit diesem Satz gemeint ist?

Lauren Teixeira and Alex Trembath vom Breakthrough Institute erläutern die Methodik: Wenn wir über relative Auswirkungen sprechen, ist es entscheidend, diese im Kontext des Basistrends zu betrachten. Die Studie prognostiziert unter dem RCP 8.5-Szenario eine globale durchschnittliche Ertragsreduktion von 15,6 Prozent im Vergleich zum Szenario ohne Klimawandel. Das klingt bedrohlich – bis man sich die historischen Trends ansieht.

„Dank der Grünen Revolution sind die globalen Getreideerträge seit 1961 trotz des Klimawandels um über 215 Prozent gestiegen.“

Dank der Grünen Revolution sind die globalen Getreideerträge seit 1961 trotz des Klimawandels um über 215 Prozent gestiegen. Eine einfache Extrapolation der vergangenen sechs Jahrzehnte zeigt: Selbst mit der prognostizierten 15,6-prozentigen Reduktion würden die Erträge bis zum Jahrhundert-Ende noch immer um über 50 Prozent gegenüber heute wachsen. Unter dem plausibleren RCP 4.5-Szenario mit nur 5,9 Prozent Reduktion läge das Wachstum sogar bei 72 Prozent.

Hinzu kommt, dass die Modellrechnungen eben nur Modellrechnungen sind. Die Autoren geben selbst zu, dass ihre Projektionen unsicher sind und dass es, mit geringerer Wahrscheinlichkeit, auch eine positive Auswirkung des Klimawandels geben könnte. Unter dem RCP 8.5-Szenario reicht die Spanne von 45,7 Prozent Ertragsrückgang bis zu 41 Prozent Ertragssteigerung. Die Simulationen zeigen eine 47,7-prozentige Wahrscheinlichkeit positiver Klimaeffekte bei Reis, 25,8 Prozent bei Mais und 32,9 Prozent bei Hirse. Nur bei Weizen ist ein positiver Effekt sehr unwahrscheinlich (3,8 Prozent).

Fehlende technologische Innovation

Das größte Problem der Studie: Sie berücksichtigt zwar generelle Anpassungen der Produzenten an das sich verändernde Klima, aber keine zukünftige technologische Innovation. Das Modell basiert ausschließlich auf historischen Daten und unterstellt, dass Landwirte in 25, 50 oder 75 Jahren noch immer mit der heutigen Technologie vorliebnehmen. Fortschritte in Biologie und Genetik – einschließlich Gene-Editing, genomischer Selektion und biologischer Inputs wie Biopestiziden – ermöglichen jedoch schnellere, zielgerichtetere Verbesserungen als in der Vergangenheit. Wir werden an jedem Punkt in der Zukunft über bessere technologische Möglichkeiten zur Ertragssteigerung und zur Anpassung an die jeweiligen klimatischen Verhältnisse verfügen als je zuvor.

Natürlich fehlt auch nicht das Problem, das fast omnipräsent ist, wenn es um Warnungen hinsichtlich der Folgendes Klimawandels geht: Es wird unverdrossen mit dem sogenannten RCP 8.5-Szenario operiert, das heute als extrem unwahrscheinlich gilt. Zudem koppeln die Autoren dieses mit dem pessimistischen SSP-3-Bevölkerungs- und Einkommensszenario – eine Kombination, die in der IPCC-Datenbank nicht existiert und physikalisch unmöglich ist, da eine relativ arme Bevölkerung nicht gleichzeitig einen immensen Energieverbrauch habe kann, so Teixeira and Trembath.

„Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass aufgrund des Klimawandels eine Verschlechterung der Ernährungslage zu erwarten ist.“

Ein weiteres Manko: Die Studie ignoriert Marktreaktionen völlig. Produzenten können auf Klimawandel reagieren, indem sie neue Flächen erschließen, Kulturen wechseln, Anbaugebiete verlagern oder Agrargüter aus Regionen importieren, wo sie besser gedeihen. In den USA wandert der Mais- und Sojaanbau bereits nordwärts. Die Autoren selbst räumen ein, dass solche Strategien klimawandelbedingte Ertragsrückgänge um etwa 55 Prozent reduzieren können. Sie liefern den Medien mit ihrer Geschichte vom verlorenen Frühstück aber Zahlen, die eben das außer Acht lassen.

Fazit

Jenseits der Schlagzeilen liefert die Studie eine sorgfältige, datengetriebene Analyse darüber, wie sich Produzenten in der Vergangenheit mit existierender Technologie an den Klimawandel angepasst haben. Sie zeigt plausible Herausforderungen für das Ertragswachstum auf. Die Autoren erkennen dies im Abstract an, wenn sie schreiben, dass ihre Ergebnisse „das Ausmaß von Innovation, Ackerlandausweitung oder weiterer Anpassung aufzeigen, das nötig sein könnte, um Ernährungssicherheit in einem sich verändernden Klima zu gewährleisten."

Mit anderen Worten: Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass aufgrund des Klimawandels eine Verschlechterung der Ernährungslage zu erwarten ist. Sie schreiben selbst: „Unsere Prognosen sind Abweichungen von den lokalen Basisertragstrends, die in der Vergangenheit positiv waren und wahrscheinlich auch weiterhin positiv bleiben werden.“ Und sie räumen auch ein, dass methodisch anders konzipierte Studien gegenteilige Ergebnisse liefern: „Unsere Prognose zum Rückgang der Produktivität unter dem Einfluss des Klimawandels steht im Gegensatz zu den Ergebnissen prozessbasierter Modelle, die auf Versuchsbetriebe kalibriert sind, von Forschern definierte Anpassungsregeln verwenden und im Allgemeinen weltweit Produktivitätssteigerungen anzeigen.“

Letztlich ist der Aussage der Studie also nur, dass der Klimawandel das Tempo der Verbesserung ggf. verringern könnte. Wer abnehmen will, muss also schon selbst dafür sorgen, die konsumierten Kalorien zu reduzieren, der Klimawandel wird’s nicht richten.

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