13.12.2024

Hilfe, ein Klimaleugner!

Von Thilo Spahl

Titelbild

Foto: Wegmann via Wikipedia (CC BY-SA 3.0 / bearbeitet)

Der designierte amerikanische Energieminister Chris Wright will bis 2050 nicht den CO2-Ausstoß, sondern die Energiearmut auf Null reduzieren.

Die Tagesschau weiß Bescheid: „Ölmanager Wright soll US-Energieminister werden. Er leugnet den Klimawandel und setzt vor allem auf Öl und Gas.“ Um uns klarzumachen, was für ein Irrer das sein muss, wird uns außerdem mitgeteilt, Wright habe 2019 „für Aufsehen“ gesorgt, „als er vor laufender Kamera Fracking-Flüssigkeit trank, um die von ihm postulierte Unschädlichkeit zu demonstrieren.“

Die ZEIT weiß auch Bescheid: „Der künftige US-Präsident Donald Trump will Chris Wright zum Energieminister der USA machen. Wright ist Chef des Ölkonzerns Liberty Energy und leugnet die Klimakrise.“

Und ZDF Heute natürlich auch: „Chris Wright will verstärkt fossile Energie nutzen und leugnet die globale Erderwärmung.“

Die WELT stimmt ein in den Chor: „Fracking-Unternehmer und Klimawandel-Leugner soll neuer Energieminister werden.“

Die taz variiert das Motiv geringfügig. Bei ihr ist er kein Leugner, sondern gilt nur als einer. Dafür aber nicht nur in Hinblick auf den Klimawandel, sondern gleich das ganze Klima: „Donald Trump nominiert den als ‚Klimaleugner' geltenden Öl- und Gasunternehmer Chris Wright als neuen Energieminister.“ In einem Kommentar ist Alttazler Manfred Kriener indes erstaunlich entspannt. Auch für ihn ist Wright zwar ein „Leugner der Klimakrise“, aber er komme mit seiner Gegenwehr zu spät. Denn gegen die „wirtschaftlichen Realitäten“ (aka Siegeszug der Erneuerbaren) könne auch ein Wright nichts ausrichten. Der Umbruch der Energieversorgung sei „weltweit längst mit einem immer höheren Tempo im Gang“. US-Präsident Joe Biden habe recht, wenn er vor dem G20-Gipfel in Brasilien sagte: „Die grüne Energierevolution ist auf dem Weg, und niemand kann sie umkehren, wirklich niemand!“ Das Windrad in seinem Lauf, halten weder Ochs noch Esel auf.

Von Leugnung keine Spur

Tatsächlich ist Wright genauso wenig ein Klimawandelleugner wie schätzungsweise 99 Prozent der als solche Geziehenen. Er ist nur einer, der den Klimawandel mit seinen großen Herausforderungen nicht umstandslos zur Klimakatastrophe erklärt. Und er ist einer, der die Erneuerbaren realistisch als sinnvollen Bestandteil eines vernünftigen Energiemixes sieht, aber eben nicht als alleinseligmachende Heilsbringer. Und einer, der denkt, man solle sein Haus erst einreißen, wenn man ein neues gebaut hat.Im Vorwort des Reports „Bettering Human Lives“, den sein Unternehmen herausgibt, ist Wrights Haltung gut zusammengefasst. Er schreibt, Ziel von Liberty Energy sei es, das Leben der Menschen zu verbessern. Menschliches Glück entstehe durch Beziehungen, Liebe und das Finden eines starken Lebenssinns. Voraussetzungen dafür seien aber Nahrung, Unterkunft, Gesundheit, Bildung und ein langes Leben. Und Voraussetzung hierfür sei wiederum der Zugang zu erschwinglicher, zuverlässiger und sicherer Energie.

Mit anderen Worten: Das gute Leben, dessen unsereins sich erfreue kann, ist in der jüngeren Geschichte durch Öl, Gas und Kohle möglich geworden. Diese fossilen Energieträger werden inzwischen in geringem Umfang (gut 20 Prozent) durch nicht-fossile Quellen ergänzt. Auf fossile Energien in absehbarer Zukunft zu verzichten, ist illusorisch. Und zwar vor allem deshalb, weil bisher nur rund eine Milliarde Menschen das angenehme Leben führen, das durch „erschwingliche, zuverlässige und sichere Energie“ ermöglicht wird.„Diese glückliche eine Milliarde verbraucht durchschnittlich 13 Barrel Öl pro Jahr, das sind 40 Prozent des weltweiten Gesamtverbrauchs. Die anderen sieben Milliarden Menschen verbrauchen im Durchschnitt nur drei Barrel Öl, und jeder einzelne von ihnen strebt nach einem höheren Lebensstandard“, schreibt Wright. Um die anderen sieben Milliarden (bald acht Milliarden) auch nur halbwegs an unseren Lebensstandard heranzuführen, sei mehr als eine Verdoppelung der heutigen Ölförderung erforderlich.

„Wright ist einer, der denkt, man solle sein Haus erst einreißen, wenn man ein neues gebaut hat.“

Weil das so ist, kritisiert er Klimaaktivisten, zu denen wir hier ruhig auch all die deutschen Journalisten zählen dürfen, die uns vom bösen Klimawandelleugner Wright, dem neuesten Schergen in Trumps Gruselkabinett, berichten. Sie seien Teil einer Bewegung, die sich zwar „auf echte Sorgen über den Klimawandel stützt“, aber „den Fortschritt der sieben Milliarden Menschen zu bremsen droht“, die aus der Energiearmut entkommen wollen.Der Fokus auf den Klimawandel sei zwar verständlich, aber die Bewegung versäume es, „die Klimarisiken gegen die Gefahr von Entbehrungen, Krankheit und Tod“ abzuwägen, die mit dem fehlenden Zugang zu erschwinglicher, zuverlässiger und sicherer Energie einhergeht.

Wright spricht von einem „zerstörerischen Missverständnis“. (Man könnte es auch als Märchen bezeichnen.) Es gehe in etwa so: „Der Klimawandel ist die größte Bedrohung für die Menschheit, und wir können diese ständig wachsende Krise durch eine rasche Umstellung unseres globalen Energiesystems auf billigere, sauberere und umweltfreundlichere Energiequellen umkehren, wenn wir nur durch mutige politische Anreize von Seiten der Regierung einen Anstoß erhalten.“

Nichts davon sei richtig.

Dieses verbreitete, falsche Narrativ beruhe auf einer Kombination aus Übertreibungen in Bezug auf den Klimawandel, einer strikten Fokussierung auf CO2-Reduzierung anstelle von Maßnahmen zur Anpassung an ein sich änderndes Klima und der Unkenntnis des Umfangs und der Komplexität des globalen Energiesystems.

Der vermeintliche Klimawandelleugner Wright schreibt: „Der Klimawandel ist eine reale und globale Herausforderung, die wir angehen sollten und können.“ Die Darstellung des Klimawandels als die dringendste Bedrohung der Menschheit verdränge jedoch die Sorge um dringendere Probleme wie Unterernährung, Zugang zu sauberem Wasser, Luftverschmutzung, Krankheiten und Menschenrechte.

Die zweite Hälfte des zerstörerischen Missverständnisses betreffe unser Energiesystem: „Politiker, Entscheidungsträger, Fachleute und die Presse reden endlos darüber, wie Solar-, Wind- und Batteriesysteme unser gesamtes Energiesystem verändern und die Klimakrise lösen können. Die Realität ist, dass diese politisch favorisierten Technologien den Großteil der Energiedienstleistungen und Rohstoffe, die von Kohlenwasserstoffen bereitgestellt werden, nicht ersetzt haben, nicht ersetzen werden und nicht ersetzen können. Heute werden sie fast ausschließlich im Stromsektor eingesetzt, der nur 20 % des gesamten Primärenergieverbrauchs deckt. Das verarbeitende Gewerbe ist weltweit der größte Energieverbraucher, vor allem in Form von Prozesswärme, die nicht effektiv über Strom bereitgestellt werden kann.“

„Der vermeintliche Klimawandelleugner Wright schreibt: ‚Der Klimawandel ist eine reale und globale Herausforderung, die wir angehen sollten und können.‘“

Und nicht nur das. Kohlenwasserstoffe werden im Grunde für alles benötigt, woraus die moderne Welt besteht: Kunststoffe, Arzneimittel, Farben, Kosmetika, Asphalt, Stahl, Beton „60 % der weltweiten Bekleidungsfasern und Tausende anderer Produkte“. Darüber hinaus sei für die extrem hohe Leistungsdichte, die z. B. in der Luftfahrt, der globalen Schifffahrt, im Langstrecken-Lkw-Verkehr und im Bergbau benötigt wird, kein tragfähiger Ersatz in Sicht.

Er selbst sei „ein leidenschaftlicher Anhänger alternativer Energien“, und das schon sein ganzes Leben lang. Liberty Energy ist Investor und Partner von Unternehmen, die sich mit geothermischer Energie der nächsten Generation, kleinen modularen Kernreaktoren und Technologie für Natrium-Ionen-Batterien beschäftigen.

Wrights Fazit: „Die Welt braucht mehr Energie, bessere Energie. Um dies zu erreichen, sind Beiträge aus allen machbaren Energietechnologien erforderlich. In letzter Zeit frönt die wohlhabende Welt einem mehr als übertriebenen Optimismus bezüglich des Umfangs und der Skalierbarkeit eines kleinen Teils der alternativen Energien und hat sich unglücklicherweise Hals über Kopf in die völlige Behinderung der Kohlenwasserstoffinfrastruktur und -produktion gestürzt.“ „Das bestehende Energiesystem zu zerstören, ohne einen zuverlässigen Ersatz zu haben,“ sei aber rücksichtslos.

Mehr Energie, weniger Scheinheiligkeit

Wo er recht hat, hat er recht. Die Welt braucht mehr Politiker mit Sinn für die Realität und weniger, die eine „grüne Energierevolution“ beschwören, von der sie nichts verstehen, um uns vor einer „Klimakatastrophe“ zu retten, von der sie auch nichts verstehen.

Das Verhältnis von Menschen wie Wright zu den moralisch hochstehenden deutschen Zeit- und Spiegellesern illustriert eine Episode aus dem Jahr 2021. Damals gab es einen kleinen Disput zwischen Wright und dem Outdoorkonzern The North Face. Der hatte sich geweigert, ein texanisches Frackingunternehmen mit Arbeitsbekleidung mit North-Face-Logo auszustatten. Wright bezeichnete dies als scheinheilig. Denn 90 Prozent der Materialien von North-Face-Kleidung basieren auf Rohstoffen der Ölindustrie. Und zu den Orten, wo die grünen Weltenbummler diese Outdoorkleidung bevorzugt tragen und deren beeindruckende Natur in der Werbung von North Face bewundert werden darf, gelangen die Kunden fast ausschließlich mit Transportmitteln, die mit Benzin, Diesel oder Kerosin angetrieben werden.

Wenn es Chris Wright auch in seinem neuen Job gelingt, dass die Politik etwas weniger scheinheilig wird, ist schon einiges erreicht.

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