08.05.2023

Energiewende mit Kohle und Gas

Von Thilo Spahl

Titelbild

Foto: InfraServ Knapsack via WikiCommons / CC BY-SA 3.0

Neue Technologie macht fossile Kraftwerke emissionsfrei. Weder CO2 noch Schadstoffe werden in die Atmosphäre abgegeben.

In Deutschland ist die Diskussion darüber höchst unerwünscht, aber es gibt neben den wetterabhängigen, materialintensiven und flächenfressenden Energiequellen Sonne und Wind auch andere CO2-freie Optionen. Zum einen natürlich die Kernkraft und in Zukunft hoffentlich ultratiefe Geothermie, aber auch Gas und Kohle. Bei deren Verbrennung entsteht zwar bekanntlich eine Menge CO2. Aber niemand zwingt uns, es in die Atmosphäre zu blasen, wir können es auch unterirdisch deponieren oder für industrielle Zwecke nutzen. Dazu muss man es allerdings erst einmal aus den Kraftwerksabgasen abscheiden. Das ist relativ teuer, lohnt sich aber zunehmend, wenn Emissionen durch Steuern oder per Emissionshandel belastet werden.

„In Deutschland ist die Diskussion darüber höchst unerwünscht, aber es gibt neben den wetterabhängigen, materialintensiven und flächenfressenden Energiequellen Sonne und Wind auch andere CO2-freie Optionen.“

Technologisch betrachtet ist das größte Problem, dass CO2 nur einen sehr kleinen Teil des Rauchgases ausmacht, während der größte Teil Stickstoff ist. Das macht die Sache so teuer. Doch es lässt sich vermeiden. Wenn man dafür sorgt, dass kein Stickstoff in die Brennkammer gelangt, sondern nur Sauerstoff, hat man am Ende nur einen reinen CO2-Strom, den man ohne großen Aufwand auffangen und unterirdisch verpressen kann. Eine Lösung für dieses Problem besteht in einer Kraftwerkstechnik, die nach ihren Erfindern als „Allam-Fetvedt-Cycle“ bezeichnet wird. Das Verfahren wurde vom MIT Technology Review auf der Liste der zehn bahnbrechenden Technologien 2018 ausgezeichnet. Der Trick besteht darin, dass man schon vor der Verbrennung die Luft mit einer Luftzerlegungsanlage in ihre Bestandteile Sauerstoff, Argon und Stickstoff zerlegt. Während Argon und Stickstoff als Industriegase verkauft oder abgeleitet werden können, wird der Sauerstoff mit Erdgas gemischt und verbrannt, um einen Strom aus superkritischem Kohlenstoffdioxid und Wasserdampf zu erzeugen. Dieses unter hohem Druck stehende CO2 wird in einen speziellen Turboexpander geleitet, um Strom zu erzeugen. Der Zyklus recycelt auch seine Abwärme und eliminiert alle Luftemissionen, einschließlich herkömmlicher Schadstoffe und CO2. Als Nebenprodukt entsteht CO2 in Pipeline-Qualität, das sequestriert werden kann. Ein weiterer Vorteil des Verfahrens ist, dass die Anlage (bei etwas geminderter Effizienz) auch luftgekühlt betrieben werden kann, um in trockenen Regionen Wasserverbrauch zu vermeiden

Die US-Firma NET Power hat das Verfahren seit 2018 in einer 50-MWth-Testanlage in La Porte, Texas, die im November 2021 testweise ans Netz ging, zur Marktreife entwickelt. Nach der Übernahme von NET Power durch die auf Technologien zur CO2 Vermeidung spezialisierte Rice Acquisition Corp. zum Preis von 1,46 Milliarden Dollar steht nun der Bau des ersten Kraftwerks an. Es wird ein 300-MW-Kraftwerk an einem von Occidental Petrol betriebenen Standort in der Nähe von Odessa, Texas, sein.

Der Baubeginn ist für das dritte Quartal 2024 geplant, und NET Power geht davon aus, dass der Betrieb im Jahr 2026 aufgenommen werden kann. Dank der aktuellen Gesetzgebung können für den Bau Steuererleichterungen geltend gemacht werden, zudem wird für die Sequestrierung von CO2 in den USA 85 Dollar pro Tonne bezahlt. Bei prognostizierten Kosten von etwa 20 Dollar, werden die Einnahmen aus der CO2-Sequestrierung damit voraussichtlich sogar höher sein als die durch den Verkauf des Stroms.

Nach seiner Fertigstellung wird das Odessa-Projekt Erdgas verbrennen und schätzungsweise 860.000 Tonnen CO2 pro Jahr abscheiden, das über die bestehende CO2-Infrastruktur von Occidental im Zuge der Ölförderung zu einem dauerhaften unterirdischen Sequestrationsort transportiert wird.

Danach soll die Technologie zunächst in den USA, aber auch weltweit ausgerollt werden. Weitere Projekte sind Coyote Clean Power Project auf dem Land der Ute-Indianer in Colorado und der Broadwing Clean Energy Complex in Illinois. Bei beiden handelt es sich um 280MW-Gaskraftwerke. Zudem gibt es Pläne für ein Kraftwerk in Teesside in England, dem weitere folgen sollen. Frog Lake Energy Resources in Kanada will ebenfalls ein Kraftwerk errichten. Alle Projekte könnten in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts realisiert werden.

Auch Deutschland soll nicht außen vor bleiben. Im Dezember 2022 gab NET Power bekannt, dass ein Projekt mit zwei 300-MW-Anlagen von NET Power am Green Energy Hub Wilhelmshaven vorangetrieben wird. TES Energy Solutions entwickelt dieses Projekt zusammen mit ENGIE.

Im Februar 2022 ging NET Power eine Partnerschaft mit dem großen Turbinenbauer Baker Hughes ein, der in das Unternehmen investiert und sich an der Vermarktung beteiligen will. Weitere Partner sind der Öl- und Gasproduzent Occidental Petroleum, Constellation Energy Generation und 8Rivers Capital, bei dem die Patente liegen und das das Verfahren auch für die Entwicklung von CO2-freien Biomassekraftwerken nutzt und ein ähnliches zur CO2-Abscheidung bei der Erzeugung von Wasserstoff.

„Was die Auswirkungen auf das Klima anbetrifft, sind die neuen Gaskraftwerke mit Solarzellen oder Windkraftanlagen mit Batteriespeicher vergleichbar.“

Das einfache Geschäftsmodell besteht im Übrigen darin, überall auf der Welt, wo eines der derzeit rund 17.000 fossilen Kraftwerke in Ruhestand gehen wird, am bestehenden Standort unter Nutzung der vorhandenen Infrastruktur und Netzanbindung ein neues emissionsfreies Kraftwerk zu errichten, das im Gegensatz zu Wind und Sonne genau das liefern kann, was zu ersetzen ist, nämlich Grundlaststrom. Dabei muss es nicht bei Gas bleiben, prinzipiell können auch Kohlekraftwerke mit der Technologie betrieben werden.

Was die Auswirkungen auf das Klima anbetrifft, sind die neuen Gaskraftwerke mit Solarzellen oder Windkraftanlagen mit Batteriespeicher vergleichbar. NET-Power prognostiziert dabei Stromkosten von 21 bis 40 US-Dollar pro Megawattstunde.

Mit Technologien wie der von NET Power dürfte es den USA gelingen, ihre großen Reserven an (Fracking)Gas zu nutzen und gleichzeitig klimaneutralen Strom zu erzeugen, während Deutschland weiter auf Kohle (ohne CO2-Abscheidung!) zum Ersatz von CO2-freier Kernenergie setzt und Hirngespinste von klimafreundlichem Strom aus der Verbrennung von in Afrika oder Australien erzeugtem „grünem“ Wasserstoff als zukunftsweisende Energiepolitik zu verkaufen versucht.

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