28.11.2012

Die Argumente der Gentechnikgegner

Analyse von Patrick Zimmerschied

Gegner der Grünen Gentechnik kritisieren vor allem drei Aspekte: Die Nutzung gehe mit unkalkulierbaren Gesundheitsrisiken einher, sie biete keine Vorteile gegenüber herkömmlich Methoden und sie führe zur Marktbeherrschung durch wenige Firmen.

Aufgrund der restriktiven Bedingungen für die Grüne Gentechnik in Deutschland lagern wichtige Unternehmen wie die BASF ihre Forschungsabteilungen ins Ausland aus. [1] Betroffen sind aber letztlich auch öffentliche Forschungseinrichtungen. Denn Forschung ohne eine Chance, die Ergebnisse dann auch in die Anwendung zu bringen, macht wenig Sinn. Der so entstandene Braindrain ist sicherlich nicht im Interesse unserer Volkswirtschaft. Bevor man in Hysterie verfällt und die treibenden Kräfte unseres Wohlstandes verjagt, sollte man also die Situation einer rationalen Analyse unterziehen.

Wenn man den aktuellen öffentlichen Diskurs über die Grüne Gentechnik betrachtet, dann fällt dem neutralen Beobachter zuerst vor allem eines auf: Die Gegner von gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) setzen sich hauptsächlich aus Aktivisten, also Mitgliedern von Nichtregierungsorganisationen, sozialen Bewegungen oder grünen Parteien zusammen, während die Befürworter zum überwiegenden Teil Wissenschaftler an Universitäten oder anderen Forschungseinrichtungen sind. Das lässt an sich noch keinen Schluss darüber zu, wer nun im Recht ist, aber es ist zumindest ein nicht unwesentliches Detail.

Das Entscheidende bei einer Diskussion sind allerdings nicht die Qualifikationen der Akteure, sondern deren Argumente. Hierbei gibt es, vor allem auf der Seite der Gentechnikkritiker, deutliche Unterschiede in der Qualität der Äußerungen. Die Spanne reicht von plakativen Beschuldigungen bis zu differenzierteren Risikobedenken. Aussagen wie „Genpflanzen sind Gift!“, die anscheinend gerne aufgegriffen werden, sind exemplarisch für Ersteres. Solche Totschlagargumente, wobei das Wort Argumente hier eigentlich unangebracht ist, zeigen schnell Wirkung bei Personen mit geringem Wissen auf diesem Gebiet, die sich lediglich auf die veröffentlichten Meinungen verlassen. Diese pauschalen Behauptungen haben aber gerade nur deshalb so starke Effekte, weil sie nicht rational fundiert sind, sondern im Gegenteil lediglich an existentielle Sorgen der Menschen appellieren. Paradoxerweise wäre es also wahrscheinlich so, dass vernünftigere Einwände gegen die Grüne Gentechnik, die aber nicht das Potential besitzen Ängste zu schüren, weniger erfolgreich wären.
 

Man kann die Argumente der Gentechnikgegner grob in drei Hauptkritikpunkte einteilen:

  1. zu hohes Gesundheitsrisiko

  2. keine Vorteile, nur Nachteile gegenüber herkömmlichen Methoden

  3. Marktbeherrschung weniger Firmen

 

Das Argument des zu großen Risikos kann man getrost mit dem Hinweis ablehnen, dass die Produkte strenge Prüfungen durchlaufen müssen und besser auf Gefahren untersucht sind als herkömmliche Produkte. Dies stellt eine prinzipielle Kluft zwischen den Wahrnehmungsstrukturen von Gentechnikgegnern und Befürwortern dar. Nämlich wie der Begriff „Sicherheit“ definiert wird. Menschen, die die Grüne Gentechnik verurteilen, empfinden Vertrautheit als primäres Kriterium der Sicherheit. Während die Befürworter eine eher positivistische Perspektive hierzu einnehmen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung etwa schreibt: „Man kann davon ausgehen, dass kaum ein ‚herkömmliches‘ Lebens- oder Futtermittel so intensiv im Hinblick auf die Sicherheit für Mensch, Tier und Umwelt untersucht wurde wie das jeweilige gentechnisch veränderte.“ Doch das reicht denjenigen, die GVOs ablehnen, nicht. Sie wollen praktisch mit zweierlei Maß messen. Das heißt, sie wollen noch strengere Sicherheitsstandards für neue Produkte mit gentechnisch veränderten Inhaltsstoffen, als es sie ohnehin schon im Vergleich zu neuen Produkten mit konventionellen Erzeugungsmethoden gibt. Das bedeutet ganz klar, dass das eine Produkt gegenüber dem anderen aufgrund eines Vorurteils benachteiligt werden soll.

Wenn man die Argumentation der Gentechnikgegner anerkennt, dass man nichts über die Langzeitfolgen von GVOs auf den Menschen weiß und deshalb besser darauf verzichten sollte, dann dürfte man konsequenterweise überhaupt keine neuen Produkte einführen. Jede innovative Zutat birgt ein unvermeidliches Risiko. Und im Hinblick auf gentechnisch veränderte Pflanzen kann man immerhin sagen, dass es nach mehr als 15 Jahren kommerziellem Anbau keinen nachgewiesenen Schadensfall gibt, der durch diese Technologie hervorgerufen wurde. Der bekannte Agrarwissenschaftler und Friedensnobelpreisträger Norman Borlaug nannte das einen erstaunlichen Sicherheitsrekord. Man kann dem sogar noch hinzufügen, dass selbst in den über 30 Jahren, in denen mit diesen Methoden in Laboratorien und Produktionsanlagen auf der ganzen Welt gearbeitet wird, keine Unfälle beobachtet wurden, die auf transgene Organismen zurückgeführt werden konnten.

Von solchen Kleinigkeiten lassen sich die Kritiker der Gentechnologie jedoch nicht beeindrucken. Hierbei kommt ihnen ihre Ablehnung der Autorität von Experten und etabliertem Wissen zu Hilfe. Schließlich richteten sich Wissenschaftler ihrer Meinung nach nicht unbedingt nach dem Allgemeinwohl, sondern eher nach den Interessen ihrer Arbeit- und Auftraggeber. Nur für Wissenschaftler, die Negatives über transgene Organismen berichten, gilt das natürlich nicht. Gerade wieder ist dies mit einer Untersuchung über die angebliche Verursachung von Krebs bei Ratten durch „Gen-Mais“ geschehen. Es handelte sich hierbei um eine Studie unter der Führung des französischen Molekularbiologen Gilles-Eric Séralini, der zu den wenigen Wissenschaftlern gehört, die der Gentechnik feindlich gegenüberstehen. Die Studie war methodologisch unhaltbar und wurde so skandalös vermarktet, dass sich offenbar sogar einige gentechnikkritische NGOs weigerten, die Ergebnisse für ihre Kampagnen zu nutzen [2].

Überholte Trennung von Gemachtem und Gewachsenen

Praktisch alle Pflanzen (und Tiere), die wir essen, sind gezüchtet und damit gegenüber Wildformen genetisch verändert. Gleichzeitig bringt die Natur auf dem Wege der Mutation ein riesiges Arsenal an Giften hervor. Es ist daher eine absurde Idee, dass zufällige Mutationen stets und speziell für den Menschen vorteilhafte Eigenschaften bewirken, während gezielte gentechnisch herbeigeführte Erbgutveränderungen mit einem exklusiven Risiko verbunden sein sollen. Letztlich baut die Gentechnikangst auf Alltagsmythen auf, wie etwa „Natürliches ist gut“ oder „Man sollte der Natur nicht ins Handwerk pfuschen“. Solche Betrachtungsweisen implizieren immer eine strenge Trennung von Gemachtem und Gewachsenem. Doch diese, eigentlich bereits seit der Frühen Neuzeit überholte Vorstellung, wurde durch das Aufkommen der modernen Technowissenschaft nun auch praktisch widerlegt. Dennoch sind die Gegner der Gentechnik von diesem Anachronismus so stark geprägt, dass die prinzipielle Dualität von Technik und Natur ein Dogma ihres Denkens bleibt.

Nicht nur diese Betonung des eigenständigen Status, der dem Artifiziellen gegenüber dem Natürlichen zugeschrieben wird, unterscheidet die Gruppe der Gentechnikgegner von den Befürwortern so deutlich. Auch die Prioritäten, die hierbei gesetzt werden, sind konträr. Dadurch, dass die Natur zum Gegenpol der menschlichen Technik stilisiert wird, werden ihr auch zielgerichtete Verhaltensweisen zugeschrieben. Gewissermaßen wird sie zur göttlichen Technik verklärt. Dies bedeutet dem naturalistischen Fehlschluss zu erliegen. Denn dass etwas ein Naturphänomen ist oder sich in der Evolution bewährt hat, heißt nicht, dass es somit auch wünschenswert sein muss. Die Gentechnikgegner (und Naturschützer im Allgemeinen) lassen sich gerne dazu verleiten zu glauben, dass die evolutionäre Entwicklung anderer Organismen einen Vorteil für den Menschen bedeuten würde. Doch nicht die Umwelt hat sich so entwickelt, dass uns das Lebensnotwendige bereitgestellt wird, sondern wir haben uns so entwickelt, dass wir das, was die Umwelt uns liefert, zum Leben nutzen können. Die natürliche Auslese des Menschen, und damit auch der Technik, hat es uns ermöglicht die Ressourcen der Umwelt zu verwerten. Der Umwelt selbst ist es sozusagen egal, ob ihre Früchte uns nutzen oder schaden. Doch nur diejenigen, die sie nutzen konnten, haben überlebt und konnten sich fortpflanzen und die überlebensnotwendigen Eigenschaften an zukünftige Generationen weitergeben. Es ist gewissermaßen eine Abwandlung des anthropischen Prinzips aus der Physik. Diese Erkenntnis ist jedoch wohl zu profan, um es mit der Mystik animistischer Glaubensvorstellungen aufnehmen zu können.

Die Verteufelung menschlicher Erzeugnisse und die gleichzeitige Glorifizierung der Natur ist ein recht modernes Phänomen. Die Gottesfurcht ist erst vor kurzer Zeit einer Technikfurcht gewichen. Ironischerweise ist diese Einstellung gerade ein Produkt der Segnungen des menschlichen Fortschritts. Während unsere Vorfahren sich Sorgen um ihre Ernte und um grassierende Seuchen machen mussten, können wir uns den Luxus leisten, uns vor möglichen anthropogen verursachten Gefahren zu fürchten.

Vor- und Nachteile der Grünen Gentechnik

Der zweite Hauptkritikpunkt der Gentechnikgegner, die Nachteile würden gegenüber den Vorteilen der Grünen Gentechnik überwiegen, ist ebenfalls vollkommen aus der Luft gegriffen. Woher nehmen die Kritiker dieses Wissen? Die Behauptung steht in eklatantem Widerspruch zu den Aussagen von Wissenschaftlern.

Von welchen Nachteilen sprechen die Kritiker überhaupt? Gerne wird hier auf die Irreversibilität von Wirkungen der in die Natur entlassenen Organismen und auf die Verringerung der Artenvielfalt verwiesen. Doch dies ist keineswegs ein spezifisches Problem transgener Pflanzen, sondern das Risiko tritt immer auf, wenn man neue Züchtungen einführt. Gentechnische Modifikation hat schließlich, wie bereits erwähnt, keinen neuen Charakter gegenüber der umständlichen altmodischen Manipulation. Sie ist nur die effektive Fortsetzung in einem Kontinuum von künstlichen Veränderungen. Im Bezug auf die Biodiversität kann man sogar sagen, dass die zur Verfügung stehenden Pflanzensorten durch die Gentechnik im Gegenteil noch zunehmen, denn Samen von herkömmlichen Sorten bleiben potentiell in Archiven erhalten. Unterm Strich kann die Verwendung von Gentechnik in der Landwirtschaft zu einem geringeren Verbrauch von Dünger, Pestiziden, Insektiziden und Wasser führen. Und wegen der höheren Erträge vor allem auch zu einem geringeren Flächenverbrauch, was bedeutet, dass mehr Raum für Natur bleibt. Die Risiken, die dem gegenüberstehen sind marginal.

Auch dem häufig vorgebrachten und durchaus problematischen Phänomen, dass die Umwelt sich an die Modifikationen anpasst, so dass die Vorteile wieder neutralisiert werden, etwa wenn schädlingsresistente Pflanzen erschaffen werden, kann man entgegenwirken. Man braucht beispielsweise nur neben den Feldern weiterhin auch Flächen mit den alten Sorten beizubehalten, damit kein erhöhter Selektionsdruck entsteht. Des Weiteren ist der Nachteil, dass das genveränderte Saatgut teurer ist als herkömmliches, zwar richtig, aber die Gesetze der Ökonomie und schon der gesunde Menschenverstand sagen einem, dass die Landwirte sich ja nur dann für diese Produkte entscheiden, wenn der höhere Preis auch mit einer besseren Leistung korrespondiert.

Monopolisierung durch Gentechnik?

Hierüber kommen wir zu dem dritten Kritikpunkt: der Monopolisierung im Bereich der Gentechnik. Dieser Beobachtung kann mit der Feststellung begegnet werden, dass erst die hohen gesetzlichen Hürden dazu führen, dass sich nur die großen Konzerne eine Verwendung der Grünen Gentechnik leisten können. Es handelt sich bei diesem Argument also um eine falsche Interpretation der Kausalitätskette. Es ist ungefähr so, als ob man sein Haus verkauft, weil einen der tropfende Wasserhahn in der Küche stört. Natürlich ist das Problem so gelöst, aber es gibt zweifellos vernünftigere Ansätze zur Überwindung des Ärgernisses.

Dass eine größere Freiheit des Marktes die Monopolproblematik beseitigen würde, davon wollen allerdings die Gentechnikgegner sicherlich nichts hören. Denn dafür müsste ja ihr Kritikpunkt Nummer eins, das vermeintlich höhere Risiko von GVOs, ignoriert werden.

Es mutet bizarr an, dass viele Aktivisten behaupten, es gehe ihnen darum die Wahlfreiheit der Konsumenten zu sichern. Es ist nun mal nicht Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen, dass Produkte bereitgestellt werden, die von der Bevölkerung erwünscht sind. Das ist die Aufgabe des Marktes. Wenn sich Produkte mit genetisch veränderten Inhaltsstoffen gut verkaufen, weil sie günstiger sind oder von höherer Qualität oder beides, dann kann und sollte niemand die Erzeuger dazu zwingen, trotzdem andere Produkte herzustellen.

Eine stärkere Faktenorientierung und weniger Polemik täten der Debatte gut. Was wir im Moment erleben, ist hingegen mehr eine Form von asymmetrischer Kriegsführung. Ideologisierte Angriffe auf die Gentechnik zwingen deren Vertreter in den Medien zur Rechtfertigung, ohne dass von ihren Gegnern ebenfalls eine Stellungnahme verlangt würde. Während Erstere verzweifelt versuchen, an den Verstand des Publikums zu appellieren, reicht es für Letztere einfach, Ängste zu schüren, wie beispielsweise die Forschergruppe um Séralini, die effekthascherisch Bilder mit tumorübersäten Ratten veröffentlichte. So etwas ist selbstverständlich Wasser auf den Mühlen der Technikfeinde. Sie können triumphierend rufen: „Schaut her, was passiert, wenn der Mensch sich in den natürlichen Lauf der Dinge einmischt!“

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