01.10.2009

Genforscher der Uni Hannover gehen in die USA

Kommentar von Hans-Jörg Jacobsen

Die neue Regierung sollte sich zu den deutschen Lebenswissenschaften bekennen und sie kräftig unterstützen.

Die Forschung an den Universitäten wird im Wesentlichen von jungen Wissenschaftlern (Master-Studierende und DoktorandInnen) durchgeführt. Ihre Abschlussarbeiten werden zu gutachterlich bewerteten Publikationen in internationalen wissenschaftlichen Journalen verdichtet. Diese Publikationen bilden den Grundstock für wissenschaftliche Karrieren. Im Bereich der Grünen Gentechnik beschränken sich diese Arbeiten in Deutschland zunehmend auf reine Grundlagenforschung – sie bleiben sozusagen im Elfenbeinturm. Der Grund dafür ist, dass eine Weiterführung dieser Forschung in Richtung möglicher Anwendungen oft in zerstörten Feldern und damit zumindest gestörten Karrieren und folgender Abwanderung des wissenschaftlich kreativen Teils unserer Bevölkerung in forschungsfreundlichere Gefilde und Länder endet.

Damit entlarvt sich das Gerede mancher Politiker à la „Forschung JA – Anwendung in Deutschland / Bayern: NEIN!“ als sinnleeres und nicht ernst zu nehmendes Placebo für die unbedarfte Wählerschaft, ohne die Wissenschaft als Ganzes zu verschrecken. Konfliktscheue Wissenschaftler beginnen dann, sich anders zu orientieren. Sie verlagern ihre Forschung auf Gebiete, die auch interessant sein mögen, die aber an dem Motto „An Stellen kratzen, wo es niemanden juckt“ ausgerichtet sind.

Man kann aber auch anders reagieren. Wir versuchen das gerade an unserem Institut in Hannover. Was ist der Hintergrund? In den vergangenen Jahren haben wir mit öffentlichen Mitteln an Problemen geforscht, die zum Ziel hatten, den hohen Import an eiweisshaltigen Futtermitteln aus anderen Teilen der Welt durch Anbau heimischer Leguminosen zu verringern. Das hätte den Charme, dass Landwirte zu erprobten Fruchtfolgen übergehen könnten und beispielsweise für folgenden Getreideanbau Stickstoffdünger sparen könnten. Um dies möglich zu machen, müssen aber eine Reihe von Problemen gelöst werden. An erster Stelle steht dabei eine unzureichende Ertragsstabiltiät heimischer Eiweissträger – vor allem bei Futtererbsen, bei denen durch Pilzinfektionen je nach Witterung und Jahr dramatische Ausfälle und Qualitätseinbußen entstehen können. Das macht ihren Anbau für Landwirte denkbar unattraktiv.

Da an dieser Stelle mit konventionellen Züchtungsmethoden keine nachhaltigen Durchbrüche erzielt werden konnten, haben wir aus guten Gründen gentechnische Methoden entwickelt und auch eingesetzt. Wir haben Linien entwickelt, die unterschiedliche Resistenzgene aus anderen Pflanzen oder Bakterien gegen Pilzinfektionen enthalten und diese mit molekularen Methoden in der Klimakammer und im Gewächshaus charakterisiert. Eine abschliessende Bewertung, ob dieses Material sich auch in der realen Welt auf dem Acker bewährt, haben wir noch nicht unternommen, und dies aus zwei Gründen: Zum einen ist der administrative Aufwand für ein solches Experiment im Freiland in Deutschland durch ein Universitätsinstitut weder zu leisten noch finanziell zu stemmen. Zum anderen ist wegen der zunehmenden Zahl an Feldzerstörungen in Deutschland und sachlich unbegründeter Entscheidungen der noch amtierenden Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) nicht mit einem ungestörten Versuchsablauf zu rechnen. Es müssten also Ereignisse einkalkuliert werden, die für junge Wissenschaftler nicht hinnehmbar sind.

Aus diesen Gründen werden Wissenschaftler des Instituts für Pflanzengenetik der Leibniz-Universität Hannover ihre Arbeiten mit gentechnisch veränderten Erbsen in Kooperation mit Kollegen der North Dakota State University in Fargo, North Dakota, fortsetzen. Konkret geplant sind für die Jahre 2010 bis 2014 Freisetzungsexperimente mit den in Hannover entwickelten transgenen Erbsen, die Gene aus anderen Pflanzen oder Bakterien zur Verbesserung der Resistenz gegen Pilzkrankheiten und Insektenfrass enthalten. Die Wissenschaftler in Hannover sehen sich dabei in der Verpflichtung, die mit Steuermitteln entwickelten transgenen Pflanzen daraufhin zu analysieren, ob sie in der Lage sind, zu einer nachhaltigen Lösung eines gegebenen Problems beizutragen.

Diese Verlagerung der Forschung zu gentechnisch veränderten Pflanzen in die USA ist eine notwendige Maßnahme, um Knowhow zu sichern und weiter zu entwickeln. Aber wir gehen davon aus, dass es auch in Deutschland wieder zu Forschungsfreisetzungen kommen wird und dass sich eine Balance zwischen denen, die Forschung und Entwicklung betreiben und denen, die die Ergebnisse bewerten (seien es Controller, die nur in engen ökonomischen Kategorien denken, oder Technikfolgenabschätzer, die nur die Risiken herausstellen wollen, um die Chancen nicht sehen zu müssen) einstellen wird. In den vergangenen Jahren war –auch durch die Feigheit der Politik – das Pendel so weit in das Bewerter- und Risikoabschätzer-Lager geschwungen, dass Forschung und Entwicklung in weiten Bereichen der Lebenswissenschaften in Deutschland fast zum Erliegen kamen. Dies gilt es in der neuen Legislaturperiode zu ändern.

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