14.10.2025

Der Kampf Israels ums Überleben hat erst begonnen

Von Frank Furedi

Titelbild

Foto: Davidi Vardi via Wikicommons / CC BY 2.5

Trotz der jüngsten Friedensentwicklungen: Der jüdische Staat war noch nie so isoliert und wurde noch nie so verteufelt wie heute.

Dies war stets ein Krieg, den sich Israel nicht leisten konnte zu verlieren, den es jedoch niemals entscheidend gewinnen konnte. Es bleibt abzuwarten, ob das Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und der Hamas für den jüdischen Staat einen Erfolg oder einen Pyrrhussieg darstellt.

Der ägyptische Präsident Abdel Fattah El-Sisi hatte gestern Recht, als er sagte, dass „die Welt einen historischen Moment erlebt“. Seine Behauptung, das Abkommen öffne den Völkern der Region „eine Tür der Hoffnung auf eine von Gerechtigkeit und Stabilität geprägte Zukunft“, klingt jedoch eher wie Wunschdenken.

Der Krieg, der nach dem Massaker der Hamas an Hunderten von Zivilisten am 7. Oktober 2023 ausbrach, sollte als die jüngste Phase eines Konflikts betrachtet werden, der erstmals im November 1947 ausbrach, als die Vereinten Nationen für die Gründung eines israelischen Staates stimmten. Seitdem musste Israel drei bedeutende Kriege mit seinen Nachbarn führen. Diese Konflikte mögen unterschiedliche Ursachen gehabt und unterschiedliche Probleme aufgeworfen haben, aber ihnen allen war gemeinsam, dass sie direkt oder indirekt die Existenz Israels als Nation infrage stellten. Die barbarische Invasion der Hamas vor zwei Jahren war nicht anders. Ihr vorrangiges terroristisches Ziel war es, der Integrität des israelischen Nationalstaates einen Schlag zu versetzen.

Dieser Krieg mit der Hamas unterscheidet sich jedoch in einem wichtigen Punkt. In seinen früheren Verteidigungskriegen stand Israel klar definierten nationalstaatlichen Feinden wie der von Ägypten angeführten Koalition arabischer Staaten im Sechstagekrieg von 1967 gegenüber. Dieses Mal stand Israel jedoch keinem Staat mit einer zu einer Kapitulation bereiten Regierung gegenüber. Daher war es stets schwierig, sich einen Sieg vorzustellen. Selbst wenn Israel die militärischen Fähigkeiten der Hamas zerstörte, konnte diese sich im Nahen Osten neu formieren, um ihre Rückkehr zu planen. Die Hamas konnte den gesamten Gazastreifen aufgeben, ohne sich geschlagen geben zu müssen. Das Beste, worauf Israel hoffen konnte, war, die Hamas daran zu hindern, kurz- und mittelfristig eine Sicherheitsbedrohung darzustellen.

Kriege, insbesondere solche mit so weitreichenden Folgen wie dieser, haben die Eigenschaft, bereits bestehende geopolitische und kulturelle Trends zu beschleunigen und zu verstärken. Der Krieg zwischen Israel und der Hamas hat die politische und kulturelle Isolation Israels von den westlichen Gesellschaften deutlich gemacht und verstärkt. Die Geschwindigkeit, mit der Israel den Propagandakrieg verlor, steht in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Ereignissen auf den Schlachtfeldern des Gazastreifens. Fast ab dem Zeitpunkt, als die Hamas am 7. Oktober das Pogrom startete, richteten westliche kulturelle Eliten ihre Feindseligkeit gegen Israel. Pro-Gaza-Initiativen, angeführt von gut organisierten Aktivisten, verwandelten sich schnell in eine Massenbewegung. Dies wiederum setze die Regierungen unter Druck, sich dem antiisraelischen Konsens anzuschließen.

„Der Krieg hat Antisemiten lediglich die Möglichkeit gegeben, ihren Vorurteilen öffentlich Luft zu machen."

In den letzten zwei Jahren ist eine Mischung aus Antizionismus und irrationaler, emotionaler Verbundenheit mit Palästina zu einem prägenden Merkmal der Jugendkultur geworden. Die Kufiya ist für selbsternannte „Progressive“ zum Must-Have geworden. Sich für Palästina einzusetzen, ist eine Möglichkeit, die eigene, als tugendhaft empfundene antiwestliche Identität zu bekräftigen.

In vielen Fällen dient Antizionismus im Westen jedoch auch als Mittel, um antijüdische Ressentiments auszudrücken. Allzu oft wurde die Explosion dieser Gefühle irreführenderweise auf das Verhalten Israels im Krieg mit der Hamas zurückgeführt. Die aktuelle Welle des antijüdischen Hasses hat jedoch ihre Wurzeln in Tendenzen, die bereits vor dem 7. Oktober bestanden. Der Krieg hat Antisemiten lediglich die Möglichkeit gegeben, ihren Vorurteilen öffentlich Luft zu machen. In Form des Antizionismus hat der Antisemitismus sogar eine gewisse Seriosität erlangt.

Der sehr öffentliche Anstieg des Antizionismus hat die Dämonisierung und Isolierung Israels weiter vorangetrieben. Zahlreiche westliche Regierungen erachteten es als notwendig, zu zeigen, dass auch sie auf der „richtigen Seite der Geschichte“ stehen, indem sie sich von Israel distanzierten. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Taktiken angewendet – von Sanktionen und Boykotten bis hin zur Anerkennung eines palästinensischen Staates. Israel ist heute diplomatisch weitaus isolierter als je zuvor in seiner Geschichte.

Die Feindseligkeit westlicher Aktivisten und ihrer Anhänger aus den kulturellen und politischen Eliten gegenüber Israel ist nicht nur eine Reaktion auf das Kriegsverhalten Israels. Da Israel als Verkörperung all dessen angesehen wird, was am Westen ‚faul' ist, drückt der Antizionismus eine Entfremdung von der westlichen Zivilisation selbst aus. Deshalb finden sich einige der eifrigsten und ideologisch engagiertesten Feinde Israels auf den Straßen der westeuropäischen Hauptstädte.

„Für diejenigen, die vom antiwestlichen Zeitgeist beeinflusst sind, repräsentiert Palästina das moralische Gegenstück zum Westen." 

Ein Blick auf die letzten zwei Jahre zeigt, dass Israel stets einen Krieg an zwei Fronten führen musste: erstens gegen die Hamas und zweitens gegen die derzeit in Europa und Amerika vorherrschende westliche Selbstverachtung. Für diejenigen, die von diesem antiwestlichen Zeitgeist beeinflusst sind, repräsentiert Palästina das moralische Gegenstück zum Westen. Die Geschichte zeigt, dass dieser tiefgreifende kulturelle Selbsthass leicht zu Ausbrüchen von rasender Irrationalität führen kann. Deshalb können junge Menschen, die so gut wie nichts über den Nahen Osten wissen, so schnell in den Bann der antiisraelischen Hysterie geraten.

Unabhängig vom Ausgang der aktuellen Friedensverhandlungen wird der Auswuchs dieses antiwestlichen und antizionistischen Zeitgeists die westliche Welt weiterhin verfolgen. Seine Macht und sein Einfluss stellen eine nicht weniger gefährliche Bedrohung für Israel und den Westen dar als die von der Hamas und anderen islamistischen Gruppen ausgehende Gefahr. Auch lange nach dem Ende dieser Kriegsphase wird Israel einen existenziellen, kulturellen und diplomatischen Kampf gegen seine antiwestlichen Kritiker führen müssen.

Israel hat keine andere Wahl, als sich auf einen Krieg an zwei Fronten vorzubereiten. Dabei ist der Kulturkampf im Westen nicht weniger wichtig als der militärische im Nahen Osten.

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