30.11.2022

Brokkoli statt Roastbeef

Von Detlef Brendel

Die Bundesregierung will über eine Ernährungsstrategie in den Speiseplan der Bürger eingreifen. Zum Vorhaben von Ernährungsminister Özdemir (Grüne) gehört die Reduzierung tierischer Lebensmittel.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) arbeitet an einer nationalen Ernährungsstrategie. Die Ernährungsstrategie soll ernährungspolitische Ziele und Leitlinien vorgeben. Sie soll u.a. die „Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten“ weiter entwickeln. Das Ziel ist dabei klar definiert. Es soll eine neue Gewichtung von pflanzlichen und tierischen Produkten festgelegt werden. Der Brokkoli-Auflauf wird politisch präferiert und den Vorzug gegenüber dem Roastbeef bekommen.

Eine den Geschmack missachtende Initiative liefert das Ministerium von Cem Özdemir. Die geplante politisch verordnete Gewichtung von tierischen Produkten zu pflanzlichen Produkten greift massiv in die traditionellen Ernährungsgewohnheiten der Menschen ein. Und diese sind keineswegs schlecht. Eine ausgewogene Vielfalt in der Ernährung ist nicht zuletzt durch die Evolution eindrucksvoll bestätigt worden. Das ist Tradition im besten Sinne des Wortes. Und auch die ernsthafte Ernährungswissenschaft, so sie denn evidenzbasierte Empfehlungen liefern kann, hält eine ausgewogene Mischkost für sinnvoll. Nun soll Ideologie die Individualität der Kost, die Vielfalt der Nahrungsmittel und nicht zuletzt auch die Ernährungswissenschaft mit ihren immer wieder wechselnden und selten durch valide Fakten belegten Trends dominieren.

Im BMEL weht ein frischer, aber nicht unbedingt erfrischender Wind der Ideologie. An zentralen Stellen bis hin zu den Abteilungsleitungen sind ehemalige NGO-Vertreter installiert worden, wie Eva Bell nach langjährigen Initiativen in verschiedenen Verbraucherzentralen. Der erfolgreiche Gang durch die Institutionen. Forderungen, mit denen diese Aktivisten die Politik früher lobbyistisch konfrontiert und vor sich hergetrieben haben, können sie jetzt mit politischem Nachdruck selbst umsetzen.

„Es ist wenig partizipativ und ergebnisoffen, wenn über die Gewichtung von pflanzlichen und tierischen Produkten gesprochen wird und die Fleischerzeuger nicht an den Tisch geholt werden.“

Bei der Erarbeitung der Ernährungsstrategie spricht das BMEL von einem grundsätzlich partizipativen, transparenten und ergebnisoffenen Prozess. Die Realität lässt daran zweifeln. Das Ergebnis, nämlich die Priorisierung pflanzenbetonter Ernährung, ist bereits definiert, partizipieren können alle, die sich schon einmal mehr oder weniger lautstark im Kontext Ernährung positioniert haben, und transparent wird vor allem die Inkompetenz, mit der eine notwendige Sachdiskussion geführt wird.

Quantität statt Qualität: Zur Debatte wurden 300 Initiativen eingeladen. Teilgenommen haben nach Angaben des BMEL rund 160. Nach Auskunft von Teilnehmern kamen nur 15 Prozent der Teilnehmer aus der relevanten Wirtschaft, um über pflanzenbetonte Ernährung zu diskutieren. Diese Diskussion wurde dann zügig in Kleingruppen verlagert, in denen es weniger um ernsthafte Auseinandersetzungen mit Sachfragen ging als um ideologisch basierte Beschäftigungstherapie.

Aus diesem Verfahren ausgestiegen ist – mit großem Unverständnis des BMEL – Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverbands. Er will nicht mehr mitarbeiten. Dabei kritisiert er nicht das grundsätzliche Anliegen einer Ernährungsstrategie, erwartet aber ein geordnetes Verfahren, um zu tragfähigen Ergebnissen zu kommen, bei denen auch die Interessen des Lebensmittelverbands Deutschland Berücksichtigung finden können. Zu diesem Spitzenverband zählen rund 80 Verbände, 250 Unternehmen sowie weitere 150 Korporativ- und Einzelmitglieder. Er repräsentiert die Lebensmittelwirtschaft von der Landwirtschaft über die verarbeitenden Unternehmen bis zum Handel. Es ist wenig partizipativ und ergebnisoffen, wenn über die Gewichtung von pflanzlichen und tierischen Produkten gesprochen wird und beispielsweise die Fleischerzeuger nicht an den Tisch geholt werden.

„Die bisher lautlos und von den Medien unbeobachtet gebliebene Definition einer neuen Ernährungsstrategie für die deutschen Verbraucher greift massiv in die Freiheitsrechte ein.“

Das Ministerium hält es für eine Bestätigung seiner grundsätzlichen Überlegungen, wenn einige große Lebensmittelkonzerne an der Diskussion teilnehmen. Ein Irrtum. Deren Beweggründe haben nichts mit einer Verantwortung für gesunde Ernährung zu tun. Sie wittern Geschäft. Wie bereits bei ihrem Applaus für den Nutri-Score, der jetzt auf europäischer Ebene gekippt werden soll, sehen sie Chancen für Markt und Marketing. Große Konzerne passen ihre verarbeiteten Produkte, wenn sie ein Geschäft zu erkennen glauben, den Trends an. Wenn es Geld verspricht, produzieren sie eben vegane Wurst oder fleischfrei designte Schnitzel. Ob es schmeckt und Sinn ergibt, ist zunächst sekundär. Aber nur zunächst. Verbraucher sind weder dumm noch geschmacksneutral. Ein Blick nach Amerika lohnt: Dort sind die Aktienkurse von Vegan-Produzenten teilweise drastisch eingebrochen. Das Narrativ von der Gesundheit durch rein pflanzenbasierte Ernährung trägt nicht mehr. Offenbar glauben nicht genug Verbraucher an das Narrativ der fleischlosen Gesundheit, die Ernährungswissenschaft liefert wenig Unterstützung, bei der Kinderernährung wird sogar gewarnt und auch die geschmacklichen Erfahrungen begeistern nicht jeden.

Die bisher lautlos und von den Medien unbeobachtet gebliebene Definition einer neuen Ernährungsstrategie für die deutschen Verbraucher greift massiv in die Freiheitsrechte ein. Einmal mehr zeichnet sich die Gefahr ab, dass die Agenda politischer Themen von Minderheiten geprägt wird, die den eigenmächtig behaupteten Anspruch haben, die Menschen nach ihren jeweiligen ideologischen Vorstellungen gesünder und die Welt besser machen zu wollen.

Das erinnert an die Forderung der angeblichen Tierschützer von PETA, nach der Frauen ihren Männern Sex verweigern sollten, wenn diese Fleisch essen. Der Entzug von fleischlicher Lust soll erstens disziplinieren und zweitens Kinder vermeiden, die mit einem CO2-Äquivalent von 58,6 Tonnen die Welt belasten. Eine Menschen verachtende Rechnung.

Das Thema Ernährung beginnt bei den Landwirten und endet in der heimischen Küche. Es ist eine keineswegs nebensächliche Diskussion. Aber es besteht die Hoffnung, dass wir nicht bei einem politisch verordneten Veganismus enden.

jetzt nicht

Novo ist kostenlos. Unsere Arbeit kostet jedoch nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Unterstützen Sie uns jetzt dauerhaft als Förderer oder mit einer Spende!