31.01.2025
Ausländergewalt und staatliche Legitimität
Von Christian Zeller
Taten wie in Aschaffenburg zeigen, dass der Staat seiner Schutzpflicht gegenüber den Einwohnern nicht mehr nachkommt. Ohne eine Migrationswende stünde der Gesellschaftsvertrag auf dem Spiel.
Die Zustände in Deutschland gleichen derzeit einem endlos scheinenden Fiebertraum der Gewalt, wie er aus einem von Rechtsextremisten ersonnenen dystopischen Roman stammen könnte. Sprechen wir nur von den Fällen, die im zurückliegenden Jahr zu großen Schlagzeilen geworden sind: In Mannheim verletzt ein Afghane den islamkritischen Aktivisten Michael Stürzenberger schwer an Hals und im Gesicht und ermordet den Polizisten Rouven L. – vor laufender Kamera. In der Messerstadt Solingen sticht ein Syrer bei einem – man mag es kaum hinschreiben, so absurd klingt es – „Festival der Vielfalt“ drei Menschen ab. In Bad Oeynhausen tritt ein 18-jähriger Syrer dem Abiturienten Phillipos vor dem Abi-Fest den Kopf ein, der 20-jährige verstirbt. Ein Mann aus Saudi-Arabien, der sage und schreibe 105-mal bei Behörden und Polizei bekannt wurde – unter anderem durch die Ankündigung, Deutsche zu töten – rast mit einem SUV in einen Magdeburger Weihnachtsmarkt. Fünf Menschen sterben, darunter der neunjährige André, dessen Eltern ein Leben lang von ihrer der Trauer um ihren Jungen gepeinigt sein werden. Über 300 Menschen werden zum Teil schwer verletzt und sind voraussichtlich für lange Zeit körperlich und seelisch gezeichnet: Albträume, Flashbacks, Schmerzen.
Wie das Jahr 2024 endete – zweifelhaft gekrönt von einem mit Musik hinterlegten Video des palästinensischen Schutzsuchenden Attalah Younes, in dem dieser in Berlin eine Silvesterrakete in ein (zufälligerweise leeres) Kinderzimmer schießt –, so beginnt auch das Jahr 2025: In Aschaffenburg greift der mehrfach polizeibekannte und psychiatrisch behandlungsbedürftige Afghane Enamullah Omarzai eine Kindergarten-Gruppe an, ermordet den zweijährigen Yannis und einen 41-jährigen Mann, der in das blutige Gemetzel eingegriffen hat. Ein kleines Mädchen und eine Erzieherin werden schwer verletzt.
Aus der ewig gleichen Phrasensammlung der Politiker, die sich – man kann es nicht mehr hören – wieder einmal „tief betroffen“ zeigen, ragt ein Kommentar von Julia Klöckner (CDU) als Speerspitze linksidentitären Irrsinns heraus: „Es sind immer wieder Männer. Nicht Frauen.“ Die Strategie hinter solchen Einlassungen ist so durchsichtig wie dumpf und beschämend: „Der Mann an sich“ soll als das Problem dargestellt werden, auf dass der Umstand aus dem Blick rücke, dass die Täter zumeist ein viel spezifischeres Profil aufweisen: jung, männlich, migrantisch, muslimisch-patriarchale Herkunft, zumeist aus einem ehemaligen Kriegsgebiet stammend, polizeibekannt, häufig abschiebepflichtig, ein Messer als Tatwaffe. Und dadurch wiederum soll wohl der Umstand verschleiert werden, dass „Mannheim“, „Bad Oeynhausen“ „Solingen“, „Magdeburg“ und „Aschaffenburg“ eben nicht nur die direkten Täter, sondern eben auch politisch Verantwortliche kennen. Durch die hübsch abstrakte und die Realität gnadenlos zurecht homogenisierende Wortwolke von „den Männern“ wird Angela Merkels Gewalt bringendes politisches Erbe der Kritik entzogen: Klar, Merkel hat natürlich „Männer“ ins Land gelassen, aber Männer gibt es ja schließlich auch bei uns, oder? Genau darin steckt dann auch das Allerinfamste, nämlich eine partielle Täter-Opfer-Umkehr: Indem auch inländische Männer eben Männer sind, werden völlig Unschuldige aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit als potentielle Kindermörder hingestellt. Könnten Andi, Liam oder Michi nicht etwa die nächsten sein, die in einem Stadtpark einem Zweijährigen ein Messer in den Leib rammen? Ein Mann, der buchstäblich todesmutige Kai-Uwe Dunz, war es, dessen Leben durch ein Messer, das im Aschaffenburger Stadtpark in seinen Leib glitt, ein jähes Ende fand – unter den Augen seines dreijährigen Sohnes.
„Wie kann man sich so fanatisch realitätsentrückt zu solchen Taten äußern wie Klöckner und Faeser?“
Unvergessen auch das Verständnis, das Innenministerin Nancy Faeser für den mutmaßlichen Mörder des ermordeten Abiturienten Phillipos bekundete: Der arme Junge, das muss man sich mal vorstellen, musste sein Leben acht Jahren lang in einer Asylunterkunft zubringen – was noch nicht einmal der Wahrheit entsprach. Auch hier wieder die unerträgliche Täter-Opfer-Umkehr: An „sozialer Integration“ habe es der Innenministerin zufolge gemangelt. Sprich: Na, so ein bisschen Mitschuld trage die Aufnahmegesellschaft an diesen Verbrechen schon auch.
Und so geben nicht nur die Taten selbst Rätsel angesichts ihrer barbarischen Brutalität auf, sondern auch manche Äußerung, die auf sie folgen: Wie kann man sich so fanatisch realitätsentrückt zu solchen Taten äußern wie Klöckner und Faeser? Nahe scheint zu liegen: Je mehr die Taten – auch in ihrer Summe – das Potential absoluter Unfassbarkeit, grundstürzender Unmenschlichkeit ausschöpfen, desto verrückter werden die Statements jener, die diese grell leuchtend gegen die vitalen Interessen deutscher Bürger gerichtete Migrationspolitik noch wegzudeuten versuchen. Wer offenkundig Verrücktes aus dem Blickfeld schaffen möchte, der muss dies selbst auf eine realitätsvernichtende Weise tun.
Hobbes und der Gesellschaftsvertrag
Angesichts von so viel politischer Infamie, Zynismus, Weltfremdheit und Wählerverachtung, die mit der Migrationspolitik in den letzten Jahren einhergegangen sind, und im Lichte dieser kaum fassbaren, bestürzenden menschlichen Tragödien, die solche Taten bedeuten, sei einmal an Grundsätzliches erinnert: die Verantwortung des Staates, das Leben und die körperliche Integrität seiner Bürger zu gewährleisten. Nur insofern er dies tut, kann er sich selbst als legitim betrachten. Ein Blick auf die Geschichte hilft.
Zur Mitte des 17. Jahrhunderts, es war die Zeit des Englischen Bürgerkrieges, in dem König und Parlament blutig und grausam um die Vorherrschaft kämpften, begründete der Philosoph Thomas Hobbes (1588-1679) in seinem Werk „Leviathan“ den modernen Staat durch das, was man in der politischen Ideengeschichte darauf basierend „Vertragstheorie“ nennt. Hobbes hatte einen so einfachen Gedanken, dass ihn viele Politiker in Deutschland offenbar nicht mehr verstehen, widerspricht er doch ihrem Mantra, dass die Welt mit diesen ganzen „Krisen“ unglaublich „komplex“ sei und es deshalb keine „einfachen Lösungen“ gebe.
Die Übereinkunft, die dem modernen Staat zugrunde liegt, besteht allerdings in etwas ganz Einfachem: Jeder Einzelne von uns gibt sein mehr oder minder großes Potential ab, sich selbst mit Gewalt gegen Eindringlinge und Angreifer zu verteidigen. An wen gibt er dieses Potential ab? An den Staat. Der Staat verfügt daher über das Gewaltmonopol, wie es der Soziologe Max Weber genannt hat, und niemand darf deshalb – außer in Situationen akuter Notwehr – Gewalt ausüben, um sich und die seinen zu schützen, oder selbst als Aggressor auftreten, indem er andere ausbeutet, unterdrückt, knechtet, nach seinem Gutdünken behandelt – oder ihnen ein Messer in den Leib stößt, nachdem man in dem Gemeinwesen des Opfers zuerst um Schutz vor politischer Verfolgung gesucht hat. Die Formel ist einfach: Was man selbst nicht tun darf – nämlich Gewalt auszuüben – tut ausschließlich der Staat, und zwar auf eine hoch rationale, rechtsstaatlich eingehegte Weise. Im Gegenzug für diesen individuellen Gewaltverzicht schützt er ebenso rechtsstaatlich und zuverlässig seine Bürger. Dieser Vertrag hat, wie der Psychologe Steven Pinker in seinem monumentalen Werk „Gewalt. Eine neue Geschichte der Menschheit“ aus dem Jahr 2013 zeigte, insbesondere im Binnenverhältnis zu einer massiven, historisch beispiellosen Befriedigung geführt. Der „Krieg aller gegen alle“ (Hobbes) wurde auf diese Weise beseitigt. Und genau deshalb kann der moderne Staat als rechtmäßig gelten.
Zuwanderung und Sicherheit
Daraus folgt: Staatsorgane sind unmittelbar dafür verantwortlich, diesen Vertrag, der die Legitimität ihrer zeitweisen Herrschaft über freie Bürger überhaupt erst begründet, nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen. Noch vor allen Diskussionen über Steuern, Rente oder soziale Absicherung ist dies ihre absolut fundamentale Aufgabe. Kommen sie durch eine verantwortungslose Migrationspolitik, die seit nunmehr zehn Jahren gegen Recht und Gesetz verstößt – nach Artikel 16 a Absatz 2 des Grundgesetzes und nach § 18 Absatz 2 des Asylverfahrensgesetzes sind alle Asylbewerber, die über einen sicheren Drittstaat einreisen, an der Grenze zurückweisen, wovon 2015 jedenfalls nicht ohne Parlamentsbeschluss hätte abgewichen werden dürfen –, dieser Aufgabe konsequent nicht nach und resultieren daraus fortgesetzte Verbrechen, so bröckelt nicht weniger als die Legitimität des Staates. Genau dies sollte in einer liberalen Demokratie nie geschehen, weil wir mit ihr in einer der unwahrscheinlichsten und fortsetzungswürdigsten Gesellschaftsformationen der Menschheitsgeschichte leben – die leider aus vielerlei Gründen gehörig unter Druck geraten ist.1 Der Migrationskomplex und das mit ihm verbundene politische Versagen sind einer davon.
Man hört jetzt schon die Einwände von Tugendhelden: Aber würde man dann nicht jeden „Flüchtling“ bei Einreise unter den „Generalverdacht“ stehen, möglicherweise auch Straftaten zu begehen? Die Antwort lautet: Ja, in einem gewissen, sogleich erläuterten Sinn ist das der Fall. Und schürt man damit nicht „Ressentiments“, „Rassismus“ und „Hass“? Hier lautet die Antwort: Nein, durch eine verantwortlich durchgeführtes Sicherheitsregime geschieht dies gerade nicht, im Gegenteil.
„Seit 2015 sind Millionen Menschen rechtswidrig in unser Land geströmt, größtenteils ohne Ausweispapiere, allerdings mit Smartphone.“
Machen wir dazu ein Gedankenexperiment: Stellen Sie sich vor, Ihnen würde die Aufgabe übertragen werden, das Sicherheitssystem in einem neuen Flughafen zu planen – vom Besucherparkplatz bis zur Flugzeugtür. Ihre Aufgabe besteht darin, das ganze System so zu designen, dass sämtliche Besucher, Fluggäste und Mitarbeiter des Flughafens bestmöglich vor Gefahren für Leib und Leben geschützt sind. Gewiss gehört zu Ihrer Tätigkeit, sich zu überlegen, wie die Identifikation von Personen durch Ausweisdokumente, elektronische Systeme oder feingliedrige Schleusenkomplexe die Sicherheit für alle erhöhen kann. Sie werden ebenso gewiss mit vielen bautechnischen, architektonischen und elektrotechnischen Details zu tun haben. Weder Voraussetzung noch Folge Ihrer Aufgabe ist es jedoch, die Menschen, die den Flughafen nutzen werden, in irgendeiner Form zu „hassen“, zu „verachten“ oder ihnen mit „rassistischen Vorurteilen“ oder „Ressentiments“ zu begegnen.
Was Sie allerdings, weil Sie über gesunden Menschenverstand verfügen, wissen: Wenn sich viele Menschen an einem Ort versammeln, dann können leider auch Hasardeure, Verrückte, Kriminelle und Terroristen dabei sein. Ihr Sicherheitssystem ist darauf gerichtet, unerwünschte Handlungen möglichst wirksam zu vermeiden. „Hass“ auf die Flughafennutzer gehört zwar nicht zu Ihrer Tätigkeitsbeschreibung. Aber selbstverständlich gilt: In gewissem Sinne stellen Sie jeden unter Generalverdacht. Warum? Weil, wenn viele unbekannte Menschen zusammenkommen, die Normbefolgung nur in geringem Maße durch persönliche Face-to-Face-Kontrolle reguliert wird, sondern eben systemisch sichergestellt werden muss – und dies auch durch das Ausselektieren von Personen, von denen eine Gefahr ausgeht. „Ressentiment“ resultiert daraus aber gerade nicht, sondern das Gegenteil: In einem Flughafen mit einem guten Sicherheitssystem können alle einander weitestgehend vertrauen, auch wenn sie sich nicht persönlich kennen, und dies gerade deshalb, weil sie zuvor alle vor dem Betreten des Flughafens unter „Generalverdacht“ gestellt wurden.
Stellen Sie sich einmal vor, was für eine mulmig-misstrauische Atmosphäre in einer voll besetzten Flugzeugkabine entstünde, wenn nach dem Schließen der Luken die Flugbegleiterin verkünden sollte: „Bei unserem Flug wurden nach der durch den UN-Beschluss 367 eingeführten Antidiskriminierungsrichtlinie SP 395 keine Sicherheitskontrollen durchgeführt, um nicht alle Fluggäste unter Generalverdacht zu stellen. Schließlich sind wir alle Menschen.“ Wahrscheinlich würden in diesem Fall sogar Migrationsextremisten („No borders, no nations“) panisch an den Türen rütteln.
Missstände in Deutschland
In Deutschland erleben wir genau dies, seit nunmehr zehn Jahren, in massiver Größenordnung. Seit 2015 sind Millionen Menschen rechtswidrig in unser Land geströmt, größtenteils ohne Ausweispapiere, allerdings mit Smartphone. Das Vertrauen in die Wahrheitstreue ihrer Äußerungen, auf die unser Staat ja ohne Papiere in erhöhtem Maße angewiesen ist, erhöht das nicht unbedingt. Unter den Zuwanderern – die für die Rechtsbrüche unserer Regierungen freilich keine Schuld tragen – sind viele völlig normale und harmlose Zeitgenossen, aber eben auch Psychotiker, Leute aus dem Umfeld der Taliban wie Leute, die in afghanischen Stämmen – nein, das ist keine Polemik, denn Afghanistan ist in Teilen tatsächlich tribal organisiert – mit völlig anderen Konfliktlösungsmechanismen sozialisiert wurden als dies hierzulande der Fall ist, Menschen, die in Bürgerkriegen grausame Dinge getan haben oder denen schreckliche Dingen angetan wurden, ebenso wie manche Muslime, denen das Konzept der „Geschlechtergerechtigkeit“ nicht unmittelbar in unserem in der Verfassung verankerten Sinne einleuchtet. Deren männliche Angehörige sind häufig von Kindesbeinen an daran gewöhnt, dass ihre Impulse durch starke, teilweise gewaltsam auftretende Patriarchen wie das Familienoberhaupt und den Clan-Chef und strikte religiöse Gebote gezügelt werden, was dazu führt, dass ihnen das Auftreten unserer Sozialpädagogen-Polizisten und Sozialpädagogen-Richter bisweilen nur ein freches Grinsen entlockt, wenn sie das erste, zweite oder dritte Mal das Gesetz übertreten.
Derartige, möglichst realitätsnah festgestellte Bedingungen muss Migrationspolitik berücksichtigen, wenn die Politik nicht will, dass sich die Menschen misstrauisch beäugen und sich dann fragen: „Schützt mich dieser Staat eigentlich noch? Oder muss ich das jetzt selbst in die Hand nehmen?“ „Ressentiment“ und Staatskrise resultieren also gerade daraus, dass der „Sicherheitsexperte“ fehlt oder radikal versagt hat, wie dies in Deutschland seit Merkels Grenzöffnung der Fall war. Wenn Menschen, die zu uns ins Land kommen, einem zuverlässigen und rational aufgebauten, den Interessen der Aufnahmegesellschaft dienendem Sicherheitsregime unterworfen werden, dann sorgt dies für mehr Vertrauen in der Gesamtbevölkerung und weniger irrationale Ängste. Klassische Einwanderungsgesellschaften wie Kanada, Neuseeland oder Australien, die sich ihre neuen potentiellen Staatsbürger sehr genau aussuchen und dem in Deutschland geltenden Prinzip: „Wir nehmen einfach jeden auf, der es schafft, unser Staatsgebiet zu betreten“ wohl nur mit entsetztem Kopfschütteln begegnen können, wissen das. Insofern produziert nichts mehr „Ausländerfeindlichkeit“ als die Mischung aus linksgrüner Weltoffenheitsdogmatik, Planlosigkeit und Fahrlässigkeit, mit der spätestens seit Merkel Migrationspolitik betrieben wurde.
„Hobbes wusste: Ein Staat kann nur dann legitim sein, wenn er das schützt, was jede andere Strebung überhaupt erst ermöglicht, nämlich das Leben und die körperliche Unversehrtheit.“
Man muss sich vor diesem Hintergrund die aktuellen Ereignisse in der allergrößten Schärfe vor Augen führen: Staatliche Akteure lassen es seit Merkels humanitärer Heldentat zu, dass jeden Tag das Gesetz gebrochen wird und dieser fortwährende Rechtsbruch führt dann dazu, dass Menschen in unserem Land – autochtone Deutsche wie auch viele gut integrierte Ausländer mit Migrationshintergrund – (gruppen-)vergewaltigt, verletzt und ermordet werden. Teilweise gehen die Täter mit lächerlichen, die Opfer geradezu verhöhnenden Strafen nach Hause. Dabei, Gefährder rechtzeitig zu erkennen, haben die Behörden mehr als einmal versagt.
Hobbes wusste: Ein Staat kann nur dann legitim sein, wenn er das schützt, was jede andere Strebung überhaupt erst ermöglicht, nämlich das Leben und die körperliche Unversehrtheit. Da es so skandalös offenkundig ist, dass staatliche Akteure genau diese fundamentale Übereinkunft mit dem Volk, das sie wählt, in den letzten Jahren als Aufgabe unter ferner liefen betrachteten, versuchen sie nun diejenigen, die das Offenkundige aussprechen, mit einem vom deutschen Inlandsgeheimdienst ersonnenen Kampfbegriff zu überziehen: der Delegitimierung des Staates. Das allerdings folgt der Logik „Kill the messenger“. Denn nicht derjenige, der auf das Abbröckeln staatlicher Legitimität durch die fortgesetzte Missachtung fundamentaler Staats- und Rechtsprinzipien hinweist, ist der „Staatsdelegitimierer“. Vielmehr wird der Staat von eben jenen Politikern delegitimiert, die in einem kolossalen Akt der Arbeitsverweigerung die Kernaufgabe der Politik jahrelang vernachlässigten: den Schutz des Volkes, das sie wählt und der gesamten Bevölkerung – ob mit oder ohne Migrationshintergrund –, die auf dem Staatsterritorium lebt.
Von Bodin bis Brokstedt
Neben dem Engländer Hobbes hat ein weiterer Theoretiker der frühen Neuzeit am Gewaltmonopol des Staates mitgewoben: der Franzose Jean Bodin (1529-1596). Bodin zufolge ist es der Monarch, dem die absolute und zeitlich unbegrenzte Gewalt zukommen soll.2 Mit seiner Denkfigur der Souveränität, die die in Adelshäusern verstreute Macht des mittelalterlichen Personenverbandsstaats in einer Person zu konzentrieren suchte, wollte Bodin – genauso wie einige Jahrzehnte später Hobbes – das Grundlegendste sichern: den Frieden. Dieser war in den französischen Konfessionskriegen des 16. Jahrhunderts ständig prekär. Die zentrale Einsicht Bodins: Nur Friede ermöglicht religiöse Toleranz – heute wohl: „Vielfalt“.
Die unerbittlich geführten Konfessionskriege, die Bodin erlebte – er kam in dem großen Hugenotten-Mord der Bartholomäus-Nacht im Jahr 1572 fast um – bedingten es, dass die vormals als absolut angesehene Herrschaft Gottes nun auf den menschlichen Herrscher projiziert wurde, der die Religionsstreitigkeiten befrieden sollte. Bodins Lehre von der Souveränität des absoluten Monarchen wurde im 17. Jahrhundert für Herrscherhäuser in ganz Europa zum Vorbild, zuvörderst für den Sonnenkönig Louis XIV., den Erbauer von Versailles. Aus dem Absolutismus erwuchs schließlich die Grundlage für den modernen demokratischen Rechtsstaat, in dem die Idee der Souveränität beibehalten, aber gleichsam personell wieder ausgedehnt wurde: Nicht mehr in dem einzelnen Monarchen lagerte die Souveränität – die Kompetenz, letztinstanzlich das Recht im eigenen Territorium festzulegen –, sondern im Volk, das sich selbst regiert.3 Dies ist die Grundform moderner Demokratien, die mit der englischen, der amerikanischen und der französischen Revolution die Bühne der Weltgeschichte betreten hat und im 19. und 20. Jahrhundert durch die Momente der Freiheitlichkeit und der Rechtstaatlichkeit – mit verheerenden Rückschlägen wie dem Kommunismus und dem Nationalsozialismus – zu ihrer heutigen Gestalt ausgeformt wurden.
Das Fundament des modernen Staates bedeutet allerdings nach wie vor: die Sicherung des gesellschaftlichen Friedens und die Gewährleistung der körperlichen Integrität seiner Bürger. Die Taten in Mannheim, Solingen, Bad Oeynhausen, Magdeburg, Aschaffenburg, aber auch in vielen anderen Orte wie Brokstedt, Kandel, Illerkirchberg oder Würzburg gemahnen uns daran, dass die Geschichte nicht nur eine Richtung kennt. Deshalb gilt: Wer Vielfalt will, sichere zugleich den Frieden. Und wenn ein bestimmtes Konzept von Vielfalt zu Unfrieden, zu Gewalt, Terror und Tod führt, dann steht es dem Souverän selbstverständlich frei, es im kollektiven Gespräch der Staatsbürger zu überdenken. Skeptiker unregulierter „Weltoffenheit“ mit einem Reigen an sich alberner, aber bislang psychologisch hochwirksamer Kampfbegriffe à la „Rechtsextremer“, „Faschist“ oder „Staatsdelegitimierer“ zu überziehen, ist der zentrale Spaltpilz, den linksliberale und linksidentitäre Kreise in Medien, Kultur, Politik und politisierten Behörden wie dem deutschen Inlandsgeheimdienst auf Größe eines Atompilzes anwachsen haben lassen. Diese infame Kontrolle der Bevölkerung durch die Ausbeutung der tiefsitzenden und deshalb leicht zu aktivierende Neigung unserer Gattung zum Konformismus, wird nun enden. Friedenssicherung hat sich nicht vor einem rücksichtslos durchgesetzten Dogma der Buntheit zu legitimieren, es ist genau andersherum.
„Die neue Regierung muss in der Migrationspolitik rechtstaatlich kompromisslos und vor allem dauerhaft umsteuern, wenn die Bürger dem Staat nicht den Herrschaftsvertrag kündigen sollen.“
Von Hobbes und Bodin können wir lernen: Legitim und souverän ist auch heute – unter liberal-demokratischen Bedingungen – ein Staat dann, wenn er wirksam, verantwortungsvoll und durchdacht die Mittel kontrolliert, die es ihm erlauben, nach bestem Wissen und Gewissen das Leben seiner Bürger zu schützen. Jede Regierung, die dies aus Fahrlässigkeit oder ideologischer Verbohrtheit nicht berücksichtigt, macht sich schuldig an Leib und Leben der Bürger, die ihr im Vertrauen auf den Schutz ihres Lebens die Herrschaftsausübung auf Zeit übertragen haben – und die damit auf ihr Potential, ihre Sicherheit selbst in die Hand zu nehmen, grundsätzlich verzichten. Die Regierungen seit Merkel, allen voran „Mutti“ selbst, deren informelle Bezeichnung einen späten Hohn für die Opfer ihrer Politik darstellt, haben schwere Schuld auf sich geladen. Und zudem den Staat in eine tiefe Krise gestürzt. Denn, wenn Bürger nun tatsächlich auf die Idee kommen: „Na ja, der Staat schützt mich ja nicht mehr, dann verteidige ich mich eben selbst“, dann hätten wir genau die Zustände, vor denen es Hobbes und Bodin – die aus der Beobachtung des Bürgerkrieges eine Philosophie zu seiner Vermeidung entwickelten – so sehr graute. Das Leben wäre wieder „garstig, tierisch und kurz" (Hobbes).
Der kleine Yannis, der nicht einmal seinen dritten Geburtstag feiern durfte, der tapfere Polizist Rouven L., der den Schutz des Aktivisten Stürzenberger und des demokratischen Versammlungsrechts mit seinem Leben bezahlte, der junge Phillipos, der seinen Abiball nicht mehr erlebte, die arglosen Weihnachtsmarktbesucher in Magdeburg, die unbeschwert feiernden Besucher des Stadtfestes in Solingen, aber auch die unvergessenen missbrauchten Frauen der Kölner Silvesternacht und viele andere Opfer von Ausländergewalt – in ihrer aller Namen, im Namen der Souveränität und der Rechtmäßigkeit unserer liberalen Demokratie und im Namen der in unserem Land integriert lebenden Migranten, die ein Anrecht darauf haben, nicht mit illegalen Gewalttätern in einen Topf geworfen zu werden, muss es heißen: Migrationswende JETZT! Diese Migrationspolitik ist eine Zumutung für jeden, der in unserem Land lebt – unter den Opfern des Stadtpark-Attentäters waren Kinder kurdischer und marokkanischer Herkunft, viele andere Opfer von Messerattacken sind ebenfalls Migranten.
Friedrich Merz, wohl der nächste Bundeskanzler, sei gesagt: Wenn auf das, was Sie jetzt richtigerweise angekündigt haben – Asylbewerber an den Grenzen zurückzuweisen, wie es das Grundgesetz und das Asylgesetz vorsehen und dem Schutz der Bevölkerung die höchste Priorität einzuräumen – keine konsequenten Taten folgen oder Ihre Ankündigungen lediglich ein Ausdruck würdelosen Taktierens vor einer Wahl sein sollten, werden Sie und Ihre Regierung nicht nur weitere Verbrechen politisch zu verantworten haben, sondern auch die Staatskrise weiter vertiefen. Die neue Regierung muss in der Migrationspolitik rechtstaatlich kompromisslos und vor allem dauerhaft umsteuern, wenn die Bürger dem Staat nicht den Herrschaftsvertrag kündigen sollen. Das allerdings kann niemand wollen, unsere liberale Demokratie muss bestehen bleiben, dauerhaft legitim und souverän.