09.12.2024
Strafe für Anschlagsopfer
Vor einem halben Jahr überlebte Michael Stürzenberger, Kritiker des politischen Islam, einen Terroranschlag. Jetzt wurde er wegen Volksverhetzung verurteilt – kein gutes Signal für Meinungsfreiheit.
Im Mai dieses Jahres wurde der Aktivist Michael Stürzenberger Opfer eines islamistischen Anschlags in Mannheim. Doch vor zwei Wochen und gute sechs Monate nach dem Vorfall wurde er vom Hamburger Landgericht wegen Volksverhetzung verurteilt.
Stürzenberger hat als scharfer – und sogar eifernder – Kritiker des politischen Islams eine gewisse Bekanntheit erreicht. Der Anschlag, bei dem er schwer verletzt wurde, geschah während einer seiner Kundgebungen. Der mutmaßliche Täter, der vor einigen Jahren aus Afghanistan geflüchtet war, stach mehrmals auf ihn ein. Bei dem Terrorakt kam ein Polizist ums Leben.
Der Prozess in Hamburg, bei dem Stürzenberger nun verurteilt wurde, steht nicht in direktem Zusammenhang mit den Aktionen in Mannheim. Vielmehr ging es um eine Kundgebung, die er bereits 2020 in der Stadt abhielt. Im September 2022 wurde er in dem gleichen Fall in erster Instanz zu sechs Monaten Haft verurteilt und ging in Berufung. Im nun endgültigen Urteil wurde eine Geldstrafe von 3.600 Euro verhängt.
Einem Bericht zufolge wurde die Haftstrafe nicht zuletzt deshalb gemildert, weil Stürzenberger selbst Opfer eines Mordanschlags wurde. Strafmildernd soll sich auch ausgewirkt haben, dass der Aktivist seitdem keine Kundgebungen mehr abgehalten hat.
Der Fall zeigt, welche Gefahr für die freie Rede von den Gesetzen gegen Volksverhetzung und Hassrede ausgehen. Es dürfte schwer fallen, ein Land in Europa zu finden, das gegen radikale Islamkritiker ähnlich hart vorgeht. Hierzulande wird Kritik am Islam seit langem als gefährlicher Ausdruck des Rechtsextremismus betrachtet. Schon 2014 erschien bei Spiegel International ein Artikel über Stürzenberger und andere radikale Islamkritiker. Dort hieß es, rechtsextreme Organisationen stießen mit ihrer Anti-Islam-Rhetorik auf ein aufgeschlossenes Publikum. Zugleich wurde, deswegen, ein neues Gesetz gegen „Hasskriminalität“ angemahnt.
„Besser, als Stürzenberger vor Gericht zu zerren, wäre es doch wohl, wenn seine Gegner die Statements, die falsch sind, öffentlich widerlegten.“
Als der Artikel erschien, sammelte Stürzenberger gerade Unterschriften gegen den Bau eines islamischen Zentrums in München. In Interviews behauptet er, seine Kritik gelte nur dem politischen Islam. Aber er hat Teile des Korans mit Hitlers „Mein Kampf“ verglichen, den Islam als Bedrohung für die Demokratie und als eine Ideologie bezeichnet, die Frauen unterdrückt. Obwohl er sagt, dass nicht jeder Moslem ein Vergewaltiger ist, spricht er von „Tausenden von Frauen, die von Moslems aus Nordafrika und Arabien vergewaltigt wurden“.
Das mag von vielen als zu verallgemeinernd empfunden werden. Trotzdem können die Aussagen als solche kaum die harsche juristische Verfolgung des Mannes erklären. Besser, als ihn vor Gericht zu zerren, wäre es doch wohl, wenn seine Gegner die Statements, die falsch sind, öffentlich widerlegten. Zudem haben die Verhandlungen die Bekanntheit des Mannes, wenn überhaupt, nur noch weiter vergrößert.
Es ist die Angst vor dem Rechtspopulismus, die die vielen Anklagen gegen Stürzenberger erklärt. Bereits vor Jahren äußerte sich der damalige Münchner Oberbürgermeister, Christian Ude (SPD), besorgt über Stürzenbergers Aktivitäten – vor allem im Hinblick auf das Erstarken der AfD. München, sagte er, sei zu einem „Experimentierfeld“ radikaler Anti-Islamisten geworden, die mit ihren Angriffen auf die muslimische Minderheit neue Mehrheiten für sich gewinnen wollten.
„Während der mutmaßliche islamistische Terrorist Stürzenberger durch Mord zum Schweigen bringen wollte, versucht die Justiz, dies mit juristischen Mitteln zu erreichen.“
Die Angst vor der Islamkritik prägte auch die Berichterstattung über den Mannheimer Terroranschlag. Teile der Mainstream-Presse weigerten sich sogar, Stürzenberger als Terroropfer zu bezeichnen. In der taz z.B. erschien ein Artikel über ihn mit der Überschrift „Im Dauerkampf gegen den Islam“. Die Botschaft des Beitrags war, dass Stürzenberger, wegen seiner Radikalität, selber Schuld an dem Angriff hatte.
Der Grund, weshalb Stürzenberger so angefeindet wird, ist, dass er der Skepsis und Ablehnung vieler Deutscher gegenüber der Masseneinwanderung aus muslimischen Ländern eine Stimme gibt. Das soll durch die repressiven Gesetze gegen Volksverhetzung und Hassrede unterbunden werden.
Dass der Mann zwischenzeitlich fast von einem Islamisten getötet wurde, stellte gewiss eine Peinlichkeit für die Justiz dar. Es ist nicht schwer, eine beängstigende Parallele in dem tätlichen Angriff auf Stürzenberger und den vielen juristischen Angriffen zu erkennen: Während der mutmaßliche islamistische Terrorist Stürzenberger durch Mord zum Schweigen bringen wollte, versucht die Justiz, dies mit juristischen Mitteln zu erreichen.
Die unüberhörbare Warnung an alle lautet: Wer den Islam kritisiert, kann in Deutschland große Schwierigkeiten bekommen. Das sollte jeden, der die freie Meinungsäußerung schätzt, beunruhigen – egal, was man von Stürzenberger und seiner Botschaft hält.