20.05.2016

Antiraucher-Horror-Show im Anmarsch

Kommentar von Christoph Lövenich

Mit der neuen EU-Tabakproduktrichtlinie, die ab heute gilt, werden in Kürze Ekelbilder auf Packungen Einzug halten und Produktqualitäten eingeschränkt. Diese Politik entmündigt die Verbraucher.

Ab heute wird die novellierte Tabakproduktrichtlinie (TPD 2) der EU in Deutschland umgesetzt. Das heißt: große Ekelbilder auf Schachteln, Dosen und Beuteln, Verschwinden bestimmter Inhaltsstoffe und Waren. Nun werden nicht schon morgen entsprechende Packungen in den Läden liegen, sondern es werden je nach Produkt ein paar Wochen und Monate vergehen, bis man mit ihnen konfrontiert ist. Dieser Konfrontation kann übrigens niemand entgehen, auch der Nichtraucher nicht, wenn er etwa einen Zeitschriftenladen betritt oder mit Rauchern zu tun hat.

Raucher sind gewiss stärker betroffen, nicht nur durch die optische Zumutung widerlicher Fotos und Botschaften, sondern auch durch das Verbot charakteristischer Aromen und einiger Zubereitungsstoffe. Bei manchen Marken wird man wohl den geschätzten Geschmack verlieren (bei Menthol gilt immerhin eine Übergangsfrist bis 2020). Dabei handelt es sich übrigens schon um die dritte geschmackliche Beeinträchtigung durch Regulierung aus Brüssel, nach der Einführung von Höchstwerten Anfang des Jahrtausends (TPD 1) und der sog. feuersicheren Zigarette 2011. Verschiedene Zigarettenmarken werden in diesem Zusammenhang ganz verschwinden. Wenn es um die Bekämpfung des Tabakkonsums geht, sind längst viele Dämme gebrochen. Das gilt im Übrigen auch für das Dampfen, also die sogenannte E-Zigarette, die die EU ebenfalls dem immer engeren Regulierungskorsett für den Tabak unterwirft, jedenfalls bei den Aromen, der Nikotinkonzentration und der bürokratischen Behältnisregelung.

Der Spielraum für die deutsche Umsetzung war sehr klein. zwar haben Bundestag und Bundesrat beraten und abgestimmt, aber wie bei vielen anderen Gesetzgebungsverfahren ist die nationale Legislative längst zu einer Abnickmaschinerie von EU-Vorgaben verkommen. Das geht sogar so weit, dass aufgrund einer fehlerhaften amtlichen Übersetzung ins Deutsche für die Warnhinweise nun eine Schriftart vorgeschrieben ist, die es eigentlich nicht gibt: „Helvetika“ – richtig wäre „Helvetica“ gewesen. In Deutschland hat es keiner gemerkt, beim österreichischen Nachbarn ist es zumindest der neuen Partei Neos aufgefallen, die daraufhin eine eigene Schriftart mit dieser Schreibweise erfand.

„Wirtschaftsregulierung durch Gesundheits- und Verbraucherschutzpolitiker macht Böcke zu Gärtnern“

Im Bundestag war immerhin ein möglicher Aufschub bei der Umsetzung mal Thema, im zuständigen Ernährungsausschuss wurde darüber debattiert, dass die TPD2 mit ihren kleinteiligen Regeln Großkonzerne bevorteilt und den gerade hierzulande in der Tabakwirtschaft bedeutsamen Mittelstand benachteiligt und in seiner Existenz bedroht. Das war den Abgeordneten aber letztlich egal, bei einem sozialdemokratischen MdB (zuvor Lehrer) ging die fachliche Unkenntnis sogar so weit, dass er Industrie und Mittelstand für einen Widerspruch hielt. Immer mehr Wirtschaftsregulierung gerade durch Gesundheits- und Verbraucherschutzpolitiker führt nur dazu, dass besonders inkompetente Böcke den Garten zerharken dürfen. Eine CDU-Parlamentarierin verstieg sich in der Plenardebatte sogar zu der Äußerung, man hätte Amerika und damit den Tabak besser gar nicht entdecken sollen.

Die Leidtragenden sind nicht nur Unternehmen, sondern wir alle als Verbraucher, die sich künftig nicht mehr für einige Produkte unserer Wahl entscheiden können, weil sie in der EU verboten sind. Wir werden nicht als mündige Subjekte wahrgenommen, sondern noch intensiver mit manipulativen Warnungen bombardiert, und wir dürfen nicht einmal mehr die Nikotin- und Kondensatwerte auf den Packungen erfahren. Diese waren bisher gesetzlich verpflichtend, ab heute sind sie gesetzlich untersagt. Sachliche Informationen durch emotionalisierende Effekte zu ersetzen, zeigt einmal mehr, dass es in der heutigen Verbraucherpolitik statt um Aufklärung um manipulative Lenkung geht.

Die Bundesregierung möchte auf die ohnehin starken Einschränkungen durch die TPD2 noch eins draufsetzen: Die letzten Reservate der Tabakwerbung, Kinospots und Plakate im Straßenbild, sollen 2020 verschwinden, Reklame wird nur noch am Verkaufsort möglich sein. Wie schon bei Novo thematisiert: Diese weitere Beschneidung marktwirtschaftlichen Wettbewerbs wird vor allem den großen Marktführern wie Philip Morris nützen, kleinere Konkurrenten werden schlechter gegen deren Marktmacht ankommen können.

„Politisch unkorrekter Werbung soll die Plattform entzogen werden“

Neben praktischen Problemen wie der Finanzierung von Bushäuschen bei wegfallenden wichtigen Werbekunden führt ein solches Vorgehen zur weiteren Entmündigung der Bürger, denen nicht mehr zugetraut wird, kommerzielle Botschaften zur Kenntnis nehmen und damit umgehen zu können. Für Werbung, auch vermeintlich sexistische, scheint hierbei das gleiche zu gelten wie für politische Meinungsäußerung: Was politisch nicht korrekt ist, dem soll die Plattform entzogen werden.

Umgekehrt werden Tabakwarenhersteller gezwungen, ihre Produkte mit Abbildungen zu verunstalten, die Abscheu hervorrufen sollen, um Menschen vom Rauchen abzuschrecken. Eine im wahrsten Sinne des Wortes ekelerregende Politik, die aber das Ziel Konsumrückgang verfehlen wird. Vielleicht gerade bei Jugendlichen, die durch Internetkonsum heute ohnehin oft ganz anderes gewöhnt sind.

Die 14 Textbehauptungen der EU sind schon seit ein paar Jahren im Umlauf, in Kürze folgen dazu Fotos mit leichenblass Geschminkten oder kaputten Zähnen, je ein Jahresset für die nächsten drei Jahre, um ein wenig Abwechslung zu garantieren. Die Vereinigung Netzwerk Rauchen empfiehlt zunächst den Hamsterkauf bisheriger Produkte (mit jetzigen Inhaltstoffen), bald will sie „ekelfreie“ Alternativpackungen anbieten; außerdem verbreitet der Verein ein kommentiertes Sammelalbum für die Ekelbilder. Das sollte man aufbewahren, um dereinst den Enkeln zeigen zu können, dass es mal eine EU gab, die sich zu immer abstruserer Politik verstieg.

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