17.11.2011

Burn, Baby! Burn!

Analyse von Christoph Lövenich

Ab heute kann man in der EU keine normalen Glimmstängel mehr kaufen. Sie werden durch sog. Feuersichere Zigaretten ersetzt. Diese schmecken nicht, sind ungesund und keineswegs feuersicher. Über den nächsten absurden Regulierungsakt im Kampf gegen den Tabakkonsum

Eine feuersichere Zigarette. Das klingt wie trockenes Wasser, haftfreier Leim oder sexfreier Porno. Gewiss wäre es dem organisierten Antirauchertum ein Wohlgefallen, ließe sich das Rauchzeug nicht mehr anzünden. Man drängt den Leuten ja auch ein Medikament (Champix) auf, das mittels Veränderungen im Gehirn die Zigarette nicht mehr schmackhaft erscheinen lassen soll (und außerdem die Raucherquote durch die Nebenwirkung Selbsttötung senkt). Bei der „Firesafe Cigarette“ (FSC) geht man jedoch nicht ganz so weit. Man kann sie entflammen und muss dies sogar häufiger tun als beim normalen Produkt – welches ab diesem Monat EU-weit nicht mehr in den Handel kommen darf.

Brandschutz als Regulierungsvorwand

Über die Jahrhunderte hat man auf verschiedenen Kontinenten immer mal wieder den Brandschutz herangezogen, um damit Tabakkonsumverbote zu begründen. So auch hier. Dabei hat der gegenwärtige Regulierungsakt – typisch für den Neopuritanismus unserer Tage – seinen Ausgang in den USA genommen und sich dort 2004 erstmals in Gesetzgebung niedergeschlagen. 2004 wurden im Staat New York normale Zigaretten durch die angeblich feuersicheren Varianten ersetzt. Schon damals hatte jemand prophezeit: „Wenn die USA bald landesweit eine Regelung haben, muss die ganze Welt folgen”. Mittlerweile gilt der FSC-Zwang in allen US-Bundesstaaten sowie in Kanada und Australien, und – siehe da – ab 17. November auch in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union.

Bei der „Feuersicheren“, im Fachjargon „Lower Ignition Propensity (LIP)“ oder auch „Reduced Ignition Propensity“ (mit dem bemerkenswerten Akronym „RIP“), handelt es sich um eine Zigarette, die rasch verglühen soll, wenn man an ihr nicht zieht. Technisch bewerkstelligen das innen ins Filterpapier eingearbeitete Papierringe (siehe hier im Bild). Im Ergebnis sollen dadurch unzählige Brände verhindert und Menschen vor dem Flammentod bewahrt werden, so die offizielle Darstellung.

Allerdings war für den Staat New York eine Zunahme der Anzahl der Brände pro 10.000 Raucher zwischen dem Inkrafttreten des FSC-Zwangs und dem Jahr 2008 zu verzeichnen. Ursache hierfür könnte das Phänomen sein, dass nach dem mehrfach erforderlichen Wiederanzünden einer Zigarette (außer möglicherweise bei schnellen Rauchern), immer wieder herabfallende Glut oder gar ein Funkenflug zu beklagen ist. Amerikanische Raucher beschreiben hierdurch hervorgerufene, teils nennenswerte Sachschäden (Brandlöcher u.ä.), außerdem wird die Sicherheit etwa beim Autofahren während des Rauchens erheblich beeinträchtigt. Um ein vorzeitiges Ausgehen der Zigarette zu verhindern, fühlen sich manche Raucher zu einer höheren Zugfrequenz animiert, können also ihre Tabakwaren nicht im gewohnten Rhythmus genießen.

Geschmacksveränderung

Die Nachteile für die Konsumenten reichen aber noch weiter. Eine Vielzahl von Betroffenen klagt über geschmackliche Verschlechterungen beim Rauchen, den anderslautenden Beteuerungen der Herstellerfirmen zum Trotz. Dies gilt sowohl in den USA als auch neuerdings in der EU, wo in den letzten Wochen und Monaten bereits mehr und mehr der FSCs die herkömmlichen Zigaretten im Handel verdrängt haben. Dies stößt auf begeisterte Zustimmung bei den Antirauchern. John Banzhaf, eines ihrer prominentesten amerikanischen Gesichter, begrüßt die Produktveränderung als eine der Varianten, „die Aktivität schwieriger zu machen“ und Unannehmlichkeiten zu erzeugen, um mehr Raucher zum Verzicht zu zwingen. Darin dürften die wahren Motive hinter der neuerlichen Regulierung liegen.

Produktveränderung

Die Bedrängung des Tabakgenusses findet ja nicht nur durch Steuerexzesse, durch orts- und personengebundene Rauchverbote oder durch die Verunstaltung des Äußeren von Verpackungen (Plain Packaging, propagandistische Warnhinweise) statt, sondern auch durch ‚innere‘ Regulierung des Produktes selbst. So gelten in der EU seit 2004 Höchstwerte für Rauchbestandteile, obwohl die selbe EU wenige Monate zuvor 2003 die Bezeichnungen „Light“ und „Mild“ gerade mit dem Argument verboten hatte, dass Tabakwaren mit geringeren Werten keineswegs eine geringere Gefährdung mit sich brächten. Durch die Einführung der Höchstwerte, die also nach eigener EU-Logik gar keinen gesundheitlichen Nutzen erbringen können, wurde die Qualität der angestammten Produkte für ihre Konsumenten bereits eingeschränkt. Die FSC bedeutet hier den nächsten Schritt. Dieser erfolgte durch Einführung einer technischen Norm, also ohne die politische Beteiligung im Rahmen eines vollständigen Gesetzgebungsverfahrens. Hinter den Kulissen hatte man sich mit den Tabakkonzernen geeinigt und vermied eine öffentliche Diskussion. Die Konzerne – mit notorischer innerer Distanz zu ihren Kunden und letztlich ihrem Produkt – kümmern die technischen und geschmacklichen Beeinträchtigungen der Verbraucher wenig, da sie bei dieser Tabakkontroll-Maßnahme (im Gegensatz zu einigen anderen) ihre Marktanteile nicht gefährdet sehen. Das aufwändigere und teurere Herstellungsverfahren der FSCs kommt zudem den Großen der Branchen indirekt zugute, da die kleineren Mitbewerber hierdurch in Schwierigkeiten geraten können. Genauso funktionieren auch die meisten Tabak-Werbeverbote. Philip Morris, Marktführer in der westlichen Welt, hält sogar ein FSC-Patent.

Erhöhte Toxizität

Zusätzliche Kehrseite der ‚Feuersicheren‘: Über neue Brandgefahren, die Umständlichkeit durch erforderliches Wiederanzünden und die geschmackliche Beeinträchtigung hinaus schlägt eine erhöhte Toxizität zu Buche. So wurden 2004 bei allen in einer Studie gemessenen Marken, die den FSC-Standards genügten, erhöhte Gefahrstoffwerte gefunden, etwa bei Kohlenmonoxid und Naphthalin. Ferner liegen Hinweise vor, dass für die Befestigung der Papierringe zumindest bei einem großen Hersteller die Chemikalien Ethylenvinylacetat und Polyvinylacetat wegen ihrer Klebe- bzw. Bindewirkung (verstärkt) verwendet werden. Die genannten Substanzen können in gefährlicher Dosis diverse Krankheiten und gesundheitliche Störungen hervorrufen.

Betroffene aus den USA schildern auf einschlägigen Websites (z.B. hier und dort) in der Tat diverse solcher Symptome, die während des FSC-Konsums aufgetreten und beim Wechsel auf andere Tabakwaren wieder verschwunden sein sollen: Husten, Erkältungen und Kopfschmerzen werden häufig genannt, andere wie Schwindel und Hautirritationen seltener. Gewiss dürfte dies nur für eine Minderheit der Raucher gelten und in dem einen oder anderen Fall wohl kein kausaler Zusammenhang bestehen. Aber das Ganze erinnert an die Nebenwirkungen von Medikamenten – mit dem Unterschied, dass den „Feuersicheren“ nicht nur kein Beipackzettel beiliegt, sondern überhaupt keine Warnung erfolgt, weder von staatlicher noch von Unternehmensseite. Auf den Schachteln ist nicht einmal vermerkt, dass man gerade ein schlechteres und gesundheitsschädlicheres Produkt erworben hat, als man es bisher schätzte.

Während sonst von Staatsseite immer lautstark der „Verbraucherschutz“ bemüht wird (nicht selten als Regulierungsvorwand), findet hier weder Information noch eine gesundheitliche Überprüfung der neuen Zigaretten statt. Im Gegenteil, Kritiker sehen hierin eine obrigkeitlich erzwungene Gesundheitsschädigung bis hin zum Menschenversuch. Zum Behufe der Verbraucheraufklärung sei daher angemerkt, dass einige nordamerikanische Konsumenten das 30-sekündige Erhitzen der FSCs in der Mikrowelle empfehlen, um die Auslöschwirkung und Geschmacksveränderungen zunichte zu machen. Ansonsten kann man dem neuen, unerwünschten Produkt Volumentabak (zum Stopfen), Feinschnitt (zum Drehen) oder Zigarillos (mit und ohne Filter) vorziehen. Ferner dürfte auch die Attraktivität von Tabakwaren, die von außerhalb der Europäischen Union stammen und teils illegal eingeführt werden, weiter steigen.

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