22.03.2023

Anpassung ist keine Esoterik

Von Thilo Spahl

Titelbild

Foto: EvokePhotos via Pixabay / CC0

Das Klima verändert sich und wir werden uns darauf einstellen.

Die Bundesregierung will bekanntlich, dass jetzt ganz schnell über Jahrzehnte – ja, eigentlich für immer, da sie ja kontinuierlich ersetzt werden müssen – vier bis fünf Windräder pro Tag gebaut werden, dazu „mehr als 40 Fußballfelder voller Solaranlagen.“ Außerdem sollen alle Häuser isoliert und alle Heizungen verschrottet und durch teure Wärmepumpen ersetzt und alle Verbrennungsmotoren verboten werden. Bei manchen entsteht der Eindruck, dass das ziemlich ins Geld gehen wird. Olaf Scholz aber ist der Meinung, dass er uns in ein neues Wirtschaftswunder führt. Um die Skeptiker in die Schranken zu weisen, kommt die Wissenschaft zur Hilfe.

Die Wissenschaft hat festgestellt, dass uns nicht etwa der „Klimaschutz“, sondern der Klimawandel verdammt teuer zu stehen kommt. Die Wissenschaft wird gebildet aus Vertretern des Instituts für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), der Gesellschaft für Wirtschaftlichen Strukturforschung (GWS) und dem Beratungsunternehmen Prognos, die im Auftrag der Bundesregierung tätig geworden waren und die Studie „Volkswirtschaftliche Folgekosten durch Klimawandel: Szenarioanalyse bis 2050“ verfassten, um folgende Behauptung zu untermauern „Extremwetterereignisse wie v.a. Hitze, Dürre, Starkregen und Flusshochwasser werden durch den Klimawandel in Zukunft sehr wahrscheinlich häufiger und intensiver auftreten […]. Damit einhergehend werden die Schäden zunehmen, welche diese Extremwettereignisse mit sich bringen und dadurch unmittelbar auf Gesellschaft, Umwelt und die Wirtschaft Einfluss nehmen.“ Der Spiegel schreibt: „Der Kampf gegen die Erderwärmung lohnt sich auch finanziell: Eine Studie legt nun offen, welche horrenden Kosten die Folgen der Klimaveränderung mit sich bringen könnten.“

Geliefert wurden Szenarien für einen schwachen, mittleren und starken Klimawandel, der bis Mitte des Jahrhundert volkswirtschaftlichen Folgekosten zwischen 280 Milliarden Euro und 910 Milliarden Euro verursachen soll. Als zentrales Ergebnis halten die Autoren fest, „dass die Klimawandelfolgen hohe Kosten für Deutschland mit sich bringen werden.“ Und zwar dadurch, dass der Klimawandel zu nationalen und globalen Preissteigerungen führe, etwa durch „Ertragsausfälle in der Landwirtschaft, durch Schäden an Gebäuden und Infrastruktur infolge von Starkregen, Überschwemmungen und Flut oder durch internationale Lieferengpässe bei Zwischenprodukten und Rohstoffen“. Die ermittelten Summen seien aber nur eine Untergrenze. Es könne davon ausgegangen werden, „dass die tatsächlichen Schäden unter Berücksichtigung nicht monetärer Größen, deutlich höher ausfallen werden.“

„Wenn wir uns auf den Klimawandel einstellen, bleibt von den großen Zahlen wenig übrig."

Das erste Problem mit der neuen Auftragsstudie ist dasselbe wie mit vielen anderen Klimavoraussagen. Axel Bojanowski bemängelt: „Hauptproblem der Habeck-Studie ist, dass den Berechnungen das unrealistische RCP8.5-Klimaszenario zugrunde gelegt wurde, das eine extreme Treibhauswelt zeigt. RCP 8.5, „repräsentativer Konzentrationspfad 8.5“, beschreibt eine Entwicklung, bei der die CO2-Konzentration in der Luft so stark ansteigt, dass das Treibhausgas die globale Erwärmung um 8,5 Watt pro Quadratmeter verstärkt. Für RCP 8.5 müsste die CO2-Konzentration von heute 420 Luftteilchen pro eine Million Luftteilchen (ppm) auf 1400 Teilchen pro eine Million steigen (in manchen Simulationen auf 2000 ppm). Derzeit fügt die Menschheit der Luft etwa drei ppm CO2 pro Jahr hinzu. Um RCP8.5 zu erreichen, müsste die Menschheit ihre Kohlenutzung massiv ausweiten. Energieforscher rechnen im Laufe des Jahrhunderts eher mit einem Rückgang des globalen CO2-Ausstoßes. Klimaforscher mahnen seit Langem, RCP8.5 nicht mehr zu nutzen. Die US-Regierung hat es nach Druck aus der Wissenschaft gerade aus seinen Prognosen verbannt. Dass die Bundesregierung ihren Landsleuten anhand dieses Szenarios nun vorrechnet, wie teuer der Klimawandel werden könnte, darf als skandalös gelten.“

Abgesehen davon geben auch die Autoren zu, dass ihre Rechenübungen mit der Realität nicht unbedingt viel zu tun haben. Sie räumen ein: „Insgesamt müssen die mit diesen vereinfachten ökonomischen Rechen- und Analysesystemen berechneten gesamtwirtschaftlichen und sektoralen Effekte aus verschiedenen Gründen mit Vorsicht interpretiert und genutzt werden.“ Der Hauptgrund liegt darin, dass man nie weiß, was in den nächsten Jahrzehnten so alles passieren wird.

Der Spiegel verkauft uns die Zahlenspiele dennoch als knallharte Erkenntnisse: „Gerade jene, die den Klimaschutz so lange verzögert haben, warnen, er könnte zu teuer sein und der Wirtschaft schaden. Dabei macht die jüngste Studie einmal mehr klar: Je weniger Klimaschutz, desto schlimmer wird der Degrowth-Alptraum der Wirtschaftsliberalen.“

Anpassung statt Katastrophe

Nun ist aber auch den Autoren der Studie bewusst, was beim Spiegel noch unbekannt zu sein scheint: dass man nass wird, wenn man bei Regen spazieren geht, dass man aber nicht nass wird, wenn man einen Regenschirm benutzt. Die Studie kommt neben den Schreckenszahlen für Kanzler und Presse auch zu dem Ergebnis, dass die möglichen Schadenskosten des Klimawandels durch Investitionen in Anpassungsmaßnahmen je nach Ausprägung der Klimakrise vollständig (schwacher Klimawandel), um 80 Prozent (mittlerer Klimawandel) oder um 60 Prozent (starker Klimawandel) reduziert werden könnten. Mit anderen Worten: Wenn wir uns auf den Klimawandel einstellen, bleibt von den großen Zahlen wenig übrig. Denn die Variante „starker Klimawandel“ ist ja schon vom Tisch, weil unplausibel. Wir würden also nach den Modellrechnungen bei Null bis 20 Prozent von 280 Milliarden bis 530 Milliarden landen, also irgendwo zwischen null und 106 Milliarden Euro für den Zeitraum 2022 bis 2050. Im Vergleich zu 522 Milliarden für Corona innerhalb von nur 2 Jahren oder den 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr oder den 100 Millairden jährlich an Steuerzuschuss in die Rentenkasse scheint das ziemlich überschaubar.

„Klimawandel ist heute eine faule Ausrede für das Versagen bei der Feuerprävention."

Als Welt-Reporterin Anna Schneider in der Talkshow von Frau Maischberger vorsichtig bemerkte, es sei vielleicht die falsche Herangehensweise, den Klimawandel in erster Linie zu bekämpfen, man müsse schauen, ob eine Anpassung, beispielsweise in der Landwirtschaft, nicht sinnvoller sei (wenn man „sich nebenbei natürlich auch noch um den Klimawandel kümmert“), kommentierte ARD-Mann Georg Restle, Schneider sei eine Esoterikerin und mache sich lächerlich, Fridays for Future-Frontfrau Luisa Neubauer sprach von „gequirltem Nonsens“. Sara Nanni, die sicherheitspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Den Grünen im Bundestag, klärte uns auf: „An 3 oder 4 Grad gibt es keine Anpassung, da kann man dann versuchen zu den wenigen Überlebenden zu gehören.“ Die Chancen, zu den Überlebenden zu gehören, stehen schlecht für Frau Nanni. 3 oder 4 Grad in diesem Jahrhundert, an dessen Ende sie das Alter von 113 erreicht haben würde, sind selbst bei unrealistischen Annahmen nicht mehr zu erreichen. Wir werden wohl näher an zwei als an drei Grad landen und wir werden uns daran anpassen.

Durch vernünftige Maßnahmen, in gefährdeten Regionen, dafür zu sorgen, dass Hochwasser, Sturm oder Hitze, keine allzu großen Schäden anrichten, ist alles andere als neu und kann natürlich weiter verbessert werden. Wir haben Deiche und es wird uns nicht überfordern, diese um 20 oder 30 Zentimeter zu erhöhen. Wir achten (leider nicht immer) darauf, in Überschwemmungsgebieten keine Siedlungen zu errichten. Wir verbessern kontinuierlich die Wettervorhersage, um rechtzeitig reagieren zu können, wenn Extremwetter sich anbahnen. Wir pflanzen Bäume in Städten und bauen Klimaanlagen in Häuser ein, um besser mit Hitze zurecht zu kommen, usw. usf. Wir verhindern schwere Waldbrände nicht durch den Bau von Windrädern, sondern durch vernünftige Vorsorge, indem wir sicherstellen, dass sich nicht über Jahre große Menge an brennbarem Material in gefährdeten Waldgebieten anhäufen. Klimawandel ist heute eine faule Ausrede für das Versagen bei der Feuerprävention. Björn Lomborg bemerkt zurecht: „Die Reduzierung von CO₂ ist eine der am wenigsten wirksamen Methoden zur Verringerung von Überschwemmungen, wenn sie überhaupt wirkt.“

Deutschland passt sich an

Es ist daher grundsätzlich zu begrüßen, dass das Umweltschutzministerium derzeit an einem gar nicht so esoterischen Klimaanpassungsgesetz arbeitet. Und es ist zu hoffen, dass dies nicht nur viel Geld an Klimaaktivisten verteilen wird, sondern dazu beitragen mag, dass sinnvolle Maßnahmen ergriffen werden, mit denen sich mögliche Probleme, die durch den Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten in Deutschland zu erwarten sind, lösen lassen. 2021 wurde das Zentrum für KlimaAnpassung (ZKA) im Auftrag des BMUV gegründet, um die Kommunen bei der Klimaanpassung zu unterstützen.

Und die Esoterik-Abteilung der Bundesregierung hat seit 2008 die DAS, die „Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel“. Im zweiten Fortschrittsbericht lesen wir: „Die rechtzeitige und vorausschauende Anpassung an die Folgen des Klimawandels wird zunehmend bedeutsamer, um Risiken und Schäden durch Klimaänderungen zu verringern und höheren Schadens- und Anpassungskosten vorzubeugen.“ Wir erfahren auch, dass im UN-Klimaübereinkommen von Paris Klimaanpassung und Klimaschutz als „gleichwertige Säulen der internationalen Klimapolitik“ betrachtet werden.

„Mehr heiße Tage im Sommer erfordern Anpassung. Aber diese Anpassung ist machbar."

Im Fortschrittsbericht wird an verschiedenen Beispielen verdeutlicht, was Anpassungsmaßnahmen nutzen. Beim Thema „Sturmfluten auf Wohngebäude“ wird vorgerechnet, dass bereits durch einfache Maßnahmen potentielle Schäden reduziert werden können, etwa durch den Einbau von Rückstauklappen oder das Abdichten von Gebäudewänden. Der mittlere Schaden für das Extremszenario ohne Schutzmaßnahmen liegt demnach bei 63 Euro pro Quadratmeter Wohnbaufläche in den Risikogebieten. Das heutige Schadenspotenzial im Extremszenario ohne Schutzmaßnahmen würde aufgrund zunehmender Wohnbauflächen bis 2030 um rund 5 Prozent steigen. Eine Intensivierung der Bauvorsorge könnte das heutige und zukünftig erhöhte Schadenspotenzial jedoch deutlich um etwa 60 Prozent reduzieren. Trotz Klimawandel können also Schäden bei entsprechenden Vorsorgemaßnahmen in Zukunft viel geringer ausfallen als heute.

Ähnlich ist es mit der Hitze. Es gibt bekanntlich auch heute schon Länder, in denen es sehr viel heißer ist als in Deutschland und die dennoch nicht nur offensichtlich bewohnbar sind, sondern deren Bewohner sich mitunter trotz sehr viel geringeren Wohlstands einer vergleichbaren Lebenserwartung erfreuen als wir. In Griechenland lag die Lebenserwartung 1970 bei 72,8 Jahre, in Deutschland bei 70,7. Trotz der vielbeklagten Klimaerwärmung der letzten 50 Jahre um gut ein Grad in der nördlichen Hemisphäre stieg sie jedoch bis 2018 auf 81,4 bzw. 81,2. Die wachsende Hitzetodgefahr scheint sich in Grenzen zu halten. Mehr heiße Tage im Sommer erfordern Anpassung. Aber diese Anpassung ist machbar. Man hält sich mehr im Schatten auf, trinkt etwas mehr und nutzt ggf. sogar ab und zu eine Klimaanlage. Die Chance, dass man zu den „wenigen Überlebenden“ gehört, ist ziemlich groß. Und wenn Robin Alexander in der Welt emphatisch ausruft: „Wer sein Vaterland liebt, den Westen für eine einmalige Zivilisationsleistung hält, Familie für das Beste und Fußball für das Schönste, der ist verdammt noch mal für Klimaschutz!“, weil er fürchtet, sonst später nicht mehr „mit den Enkeln auf den Knien auf der Terrasse sitzen“ zu können, dann übersieht er offenbar, dass eine Markise und ein Planschbecken sein Problem lösen werden und nicht das Verbot von Verbrennern und Gasthermen in Deutschland, das letztlich keinen wahrnehmbaren Einfluss auf die Temperaturentwicklung bis zum Ende des Jahrhundert haben wird.

Die durchschnittliche Jahrestemperatur in Deutschland beträgt 8,4 Grad, die Griechenlands 15,4. Insgesamt ist die Spannbreite erheblich. Sie reicht von minus 5,35 Grad in Russland bis zu 28,29 in Burkina Faso. (Werte für 1961 bis 1990). Erfreulicherweise verläuft die Klimaerwärmung nicht überall gleich. Sowohl Beobachtungen als auch Klimamodell-Simulationen zeigen, dass die stärksten langfristigen Erwärmungstrends in den hohen nördlichen Breiten zu verzeichnen sind und die geringsten Erwärmungstrends über Land in den tropischen Regionen.

Schauen wir auf die letzten 100 Jahre, so können wir erkennen, dass wir mittlerweile ziemlich gut darin sind, uns vor den Folgen von Extremwetter zu schützen. Das Diagramm von Our World in Data zeigt Todesfälle pro 100.000 Menschen weltweit (inklusive Erdbeben und Vulkanausbrüche, die nichts mit dem Klima zu tun haben).

Auch bei den Kosten zeigt sich trotz Klimaerwärmung und der häufig gehörten Behauptung, der Klimawandel würde uns „schon jetzt“ Unsummen kosten, kein Trend nach oben, wie die folgende Darstellung von Roger Pielke zeigt:

Klimaanpassung ist eine Erfolgsgeschichte, die wir unbedingt fortsetzen sollten. Der Nutzen unserer Maßnahmen zum „Klimaschutz“ durch Emissionsminderung ist höchst ungewiss und wahrscheinlich am Ende äußerst gering. Die Kosten sind enorm. Der Nutzen der Anpassungsmaßnahmen ist dagegen sehr gewiss. Wir sollten beide Strategien verfolgen und im Zweifel etwas von den Unsummen, die wir für ineffiziente Klimaschutzmaßnamen ausgeben, abziehen und es lieber in effektive Anpassung stecken.

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