25.01.2012

Öko oder Nicht-Öko?

Rezension von Erich Grantzau

Zu Löwensteins Buch "Food Crash" feiert die ökologische Landwirtschaft; an der Konventionellen lässt er dabei kaum ein gutes Haar. Dass der Autor dabei grundlegende Fakten verschweigt oder falsch wiedergibt ist eine Kritik

FOOD CRASH Wir werden uns ökologisch ernähren oder gar nicht mehr ist der Titel eines Buches von Felix Prinz zu Löwenstein. Auf 320 Seiten plus Anhang erklärt der Bio-Landwirt und Aktivist in verschiedenen Öko-Organisationen seine Sicht der ökologischen Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion. Die konventionelle Landbewirtschaftung, die der Autor bis Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts selbst betrieb, wird dabei stark kritisiert. Bereits auf der Umschlagseite wird denn auch die inzwischen gebetsmühlenhaft wiederholte Behauptung zum Besten gegeben, die konventionelle Landwirtschaft würde immer mehr Kunstdünger und immer mehr Pestizide auf ihre Felder streuen und spritzen. Dabei verschweigt der Ökolandwirt zu Löwenstein Statistiken, die belegen, dass der Verbrauch an Mineraldüngern im Verlauf der letzten 35 Jahre in der Bundesrepublik tatsächlich stark gesunken ist.

Auch die Aufwendungen an Pflanzenschutzmitteln der konventionellen Landwirte steigen nicht an – im Gegenteil. So ist einer Mitteilung des Julius Kühn-Institut zu entnehmen, dass der Aufwand an Herbiziden, Fungiziden und Wachstumsregler beim Anbau von Winterweizen in den letzten Jahren um 32%, 42% bzw. 55% abgesenkt wurde. Nicht steigende, sondern ständig sinkenden Aufwendungen an Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sind also die Realität in der konventionellen Landwirtschaft. Und diese Entwicklung wird bei leicht steigenden Erträgen weiter anhalten. Das ist für Fachleute auch nicht verwunderlich, denn die Erträge in der konventionellen Landwirtschaft sind nicht etwa ausschließlich durch Dünger und Pflanzenschutzmittel, sondern zunehmend durch andere Faktoren wie: Züchtung, effektive, schonende Bodenbearbeitung, verbesserte Erntetechniken u.a. positiv beeinflusst. Den deutlichen Mehrerträgen der konventionellen Kollegen will zu Löwenstein mit einer „Ökologischen Intensivierung“ begegnen. Da bläst der Ökobauer zur Aufholjagd - teure Überproduktion nicht ausgeschlossen.   

Es gibt etliche Beispiele dafür, dass die Erträge der Kleinbauern in Entwicklungsländern durch recht simple Dinge und Selbstverständlichkeiten wie Mischkultur, gezielter Einsatz von organischen Düngern, Wasser u.a. deutlich gesteigert werden können. Eine gezielte Landbewirtschaftung mit den genannten Maßnahmen führt dazu, dass die Familien in den Entwicklungsländern sich von ihren vergleichsweise kleinen Flächen selbst ernähren und darüber hinaus noch Nahrungsmittel zum Verkauf anbieten können. Es ist unstrittig, dass diese Art von intensivierter Ökolandwirtschaft für Entwicklungsländer quasi als Initialzündung für eine ertragreichere Landbewirtschaftung dienen kann. Auf Dauer müssen die Mengen an Nahrungsmittel deutlich gesteigert werden – und zwar unmittelbar dort, wo sie gebraucht werden - in den Entwicklungsländern!

Mehr Forschung für den Ökolandbau?

Der Autor fordert mehrfach eine gezielte Forschung für die ökologische Landwirtschaft in Deutschland. Dabei verwundert, dass der ehemals „Konventionelle“ es nicht vermag, die zahlreich vorhandenen Forschungsergebnisse der verschiedenen Institute und Organisationen auf den Ökoanbau zu übertragen. Die Nutzung von Erkenntnissen der konventionellen Agrarforschung auch durch Ökolandwirte wird in letzter Zeit jedenfalls immer häufiger dargestellt. Sehr wahrscheinlich liest der Ökolandwirt zu Löwenstein auch die Versuchsberichte aus den Forschungsstätten in unserer Republik und obendrein pflegt er gute Kontakte und Zusammenarbeit mit seinen konventionellen Kollegen, wie er betont. Ein entscheidender Faktor bezüglich der Ertragssicherheit ist in der konventionellen wie in der ökologischen Landwirtschaft der Stickstoff. Diesen Ertragssteigerer unter den Nährstoffen will der Ökobauer zu Löwenstein durch sein Gegenmodell, nämlich die Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit durch Anreicherung des Bodens mit organischer Substanz, für den Ökolandbau stärker nutzen. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass unsere Böden ab einem Gehalt von ca. 4% organischer Substanz ständig erhöhte Stickstoffmengen freisetzen.

Diese vor allem aus Umweltschutzgründen wichtigen Zusammenhänge können übrigens mit Hilfe der gängigen N-Analytik – wie in der konventionellen Landbewirtschaftung üblich – und Brutversuchen erkannt werden. Ein weiteres Beispiel wie Untersuchungs- und Forschungsmethoden der konventionellen Landwirtschaft auf ökologisch wirtschaftende Betriebe 1:1 übertragbar sind. Als Beleg dafür, dass die organische Düngung die einzig richtige ist, zeigt der Autor eine Grafik der FAO, in der dargestellt ist, dass durch Anwendung von Kompost als organischen Dünger ein deutlicher Mehrertrag bei Getreide erzielbar ist. Welche tatsächlichen Nährstoffmengen dabei aufgewendet wurden, verschweigt der Autor.

Dabei weiß der Ökobauer zu Löwenstein sehr gut, dass hohe Erträge zwangsläufig ein entsprechend hohes Nährstoff- und vor allem Stickstoffangebot voraussetzen. In diesem Falle ist es jedoch der „gute“ Stickstoff und der kommt aus der organischen Substanz und damit düngt der Ökobauer den Boden und nicht die Pflanzen. Diese Art von ökologischem Blindflug – nämlich die Ignoranz des real angebotenen Stickstoffs u.a. Nährstoffe aus der organischen Masse und deren Auswirkungen – ist übrigens aus Sicht des Grundwasserschutzes ein Straftatbestand. Der Ökobauer zu Löwenstein ist ganz offensichtlich nicht der Einzige, der nicht in der Lage ist, Nährstofffrachten, die mit organischen Düngern in den Boden gebracht werden, korrekt einzuschätzen. Dazu ist auch der an anderer Stelle bei NovoArgumente von mir kritisch rezensierte Geologe Montgomery in seinem Buch „Dreck“  nicht in der Lage. Auch er wird in von zu Löwensteins Buch zitiert.

So wie die Aufwandmengen an Mineraldünger stark reduziert und optimiert wurden, wird es ganz sicher auch eine weitere Optimierung in der Tierhaltung der konventionellen Landwirtschaft geben. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass Öko-Geflügelprodukte tendenziell höhere Dioxingehalte aufweisen als konventionelle Erzeugnisse. Der Kritik von zu Löwenstein an der Abholzung von Mangrovenwäldern für eine intensive Shrimps-Produktion kann allerdings uneingeschränkt zugestimmt werden.

Ein rotes Tuch für den Ökolandwirt ist die Gentechnik. Ob der Autor eines Tages von dieser Haltung abweicht, wenn es etwa den Gentechnikern gelingen sollte, beispielsweise die Stickstoff bindenden Bakterien im Boden des Ökolandwirtes so zu konditionieren, dass sie den Intensivierungsfaktor Nr. 1 für die Ökolandwirtschaft, den Stickstoff in noch größeren Mengen speichern und nur noch dann abgeben, wenn Nutzpflanzen da sind, die Nitrat- oder Ammoniumstickstoff verbrauchen? Das wäre dann biologische, ökologische, aber auch konventionelle Landwirtschaft pur, dank Gentechnik.

Abschließend sei auf eine weitere Gemeinsamkeit der Autoren Montgomery („Dreck“) und zu Löwenstein hingewiesen. Beide Autoren erwähnen mit keinem Wort die Problematik der anhaltenden systematischen Ausplünderung der Böden in den Tropen und Subtropen durch den permanenten Export der entzogenen Nährstoffe mit dem Erntegut. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um bio- oder konventionelle Futter-, Nahrungs- und Genussmittel handelt, die in die nördliche Hemisphäre exportiert werden. Die Forderung im Titel des Buches: „Wir werden uns ökologisch ernähren oder gar nicht mehr“ scheint übrigens bereits seit geraumer Zeit realisiert. Das kann zumindest dem von der damaligen grünen Verbraucherschutzministerin Künast in Auftrag gegebenen Statusbericht aus dem Jahre 2003 mit dem Titel „Bewertung von Lebensmitteln verschiedener Produktionsverfahren“  entnommen werden, in dem festgestellt wird, dass für die Gesundheit der Menschen in erster Linie eine ausgewogene Ernährung und nicht ein bestimmtes Produktionsverfahren von Bedeutung ist. Dies findet seine Bestätigung beispielsweise wiederkehrend in den Testberichten der Stiftung Wahrentest. Und so könnte man noch weiteren Darstellungen von Prinz zu Löwenstein widersprechen. Dessen ungeachtet kann das Buch aber trotzdem ausdrücklich als Lektüre empfohlen werden: für Konventionelle- als auch für Öko-Landwirte und natürlich für alle, die an diesem Thema interessiert sind.

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