13.03.2023

Naturwissenschaft statt Weltuntergang

Von Jörg Michael Neubert

Titelbild

Foto: tpsdave via Pixabay / CC0

Mit seinem Buch „Lichtblick statt Blackout. Warum wir beim Weltverbessern neu denken müssen“ regt der Kabarettist Vince Ebert an, sich des Klimawandels undogmatisch anzunehmen.

Weltrettung und Spaß dabei! So oder ähnlich kann man wohl das neue Buch „Lichtblick statt Blackout“ des Kabarettisten und Physikers Vince Ebert zusammenfassen. Wie der Name schon vermuten lässt, setzt sich der Erfolgsautor in seinem neuesten Werk mit den Themen Energie sowie – untrennbar damit verbunden – Umwelt- und Klimaschutz auseinander. Bereits in der Einleitung macht er klar, wo er in der Debatte steht. Er will die Umwelt schützen und dazu Probleme sachlich diskutieren und pragmatische Lösungen suchen. Ergo kämpft er also auf verlorenen Posten, wenn man die öffentliche Debatte betrachtet, die hierzulande eher von Panik und Weltuntergangsstimmung bzw. Totalverweigerung geprägt ist.

Genau diesen Erzählungen nimmt sich Ebert dann im ersten Teil des Buchs, „Mythen und Halbwahrheiten“, an. So greift er den Lieblingsslogan von Klimaaktivisten, „follow the science“, direkt an, indem er ganz nüchtern aufdröselt, was Wissenschaft kann und was nicht. Zitat: „Im Kern ist Naturwissenschaft vollkommen wertefrei und unideologisch. In der Wissenschaft versucht man nicht die Welt zu bewerten, man versucht die Welt zu verstehen“. Entscheidungen über das, was zu tun ist oder auch nicht sieht Ebert dagegen ganz klar bei Politik und Gesellschaft.

Die Wissenschaft kann Daten und Erkenntnisse liefern, aber niemals eine Entscheidung determinieren. Genau diesen sachlich, nüchternen Wissenschaftsstil hält Ebert dann auch das gesamte Buch durch. Er beschreibt nüchtern und ohne Polemik, was die Naturwissenschaften zum Thema Energie und Klima zu sagen haben. Es liegt in der Natur der Sache, dass hier auch einige lieb gewonnene Erzählungen der Politik ‚dran glauben müssen‘. So in etwa, wenn er beim Mythos „Energie lässt sich wenden“ auf das einfache Faktum hinweist, dass der Erntefaktor (grob gesprochen das Verhältnis von eingesetzter und gewonnener Energie) von erneuerbaren Energien ungefähr 200 Mal niedriger liegt als der von z.B. einem modernen Atomkraftwerk. „Mit der Physik lässt sich nicht verhandeln“, wie Ebert treffend bemerkt.

„Ebert bemerkt, dass die Sonne einem tatsächlich keine Rechnung schickt – dafür aber der Betreiber der Solarkraftwerke.“

Ebert wäre natürlich nicht Ebert, wenn dieser sachliche Stil nicht immer wieder auch durch witzige Pointen unterbrochen würde. So bemerkt er etwa zu oben genanntem Thema, dass die Sonne einem tatsächlich keine Rechnung schickt – dafür aber der Betreiber der Solarkraftwerke. So kommt auch der Humor nicht zu kurz, was das Lesen trotz der vielen Fakten sehr kurzweilig gestaltet.

Im zweiten Teil des Buches „Denkfallen und Irrationalitäten“, geht es dann mehr um die Frage: Warum sind wir wider alle naturwissenschaftliche Realität so darauf versessen, die Welt zu retten? In diesem Kapitel muss Ebert den Bereich der Naturwissenschaft etwas verlassen und bedient sich stattdessen bei der Psychologie und Verhaltensökonomie. Doch auch hier hält er seinen vorher gewählten Ansatz durch und beschreibt sachlich humorig, was in unser aller Oberstübchen so vorgeht. Gleich am Anfang zeigt er auf, dass sich das Thema Umweltschutz mittlerweile zu einer Art Ersatzreligion entwickelt hat. Mutmaßlich, da wir ansonsten keine ernsteren Probleme haben. Oder wie er es den Zukunftsforscher Matthias Horx auf den Punkt bringen lässt: „Der Weltuntergang ist der Größenwahn der Depressiven“.

Später widmet er sich dann ausführlich dem bekannten Phänomen, dass viele Menschen Angst vor dem Fliegen, aber keine vor dem Autofahren haben, obwohl es in Sachen Unfallgefahr umgekehrt sein sollte. Oder technischer ausgedrückt: Menschen neigen zur vollkommen falschen Risikoeinschätzung. Gerade nicht physisch greifbare Gefahren sind dafür besonders prädestiniert. So bemerkt Ebert z.B. bissig, dass: „ein Flug von Frankfurt nach Mallorca strahlungstechnisch genauso belastend ist wie zwölf Stunden Rasenmähen vor Tschernobyl“. Abgerundet wird dieser Teil noch durch einen kurzen Exkurs zum Thema Komplexität, ohne die beim Thema Klima und Energie nun mal nichts geht.

„Ein immer wieder witziges und angenehm unaufgeregtes Buch, das versucht, einer von beiden Seiten sehr emotional geführten Debatte mit etwas Ruhe und auch Humor beizukommen.“

Im dritten und letzten Teil des Buches geht Ebert dann von der Bestandsaufnahme zu möglichen Lösungsansätzen über. Auch hier überzeugt sein aus den ersten beiden Kapiteln bekannter Stil. Seine Lösungsansätze sind wie seine Diagnose unaufgeregt und pragmatisch. Ebert plädiert ganz klar für eine unideologische und am Machbaren orientierte Energie- und Umweltpolitik. Oder wie es ein Unterkapitel auf den Punkt bringt: weniger Theorie, mehr Praxis. Stellvertretend lässt er Chesley Sullenberger (den Piloten, der auf dem Hudson River notgelandet ist) seine Kernbotschaft verkünden: „ Es ist tückisch, die Simulation der Realität mit der Realität gleichzusetzen“. Wobei es ihm dabei nicht darum geht, die grundsätzliche Nützlichkeit von Simulationen in Abrede zu stellen. Vielmehr weist er klug auf die einfache Tatsache hin, dass es in der Realität zahlreiche Unwägbarkeiten gibt und es manchmal ganz gut wäre, Leute zu fragen, die sich tagtäglich mit diesen auseinandersetzen.

Später schlägt er in eine ähnliche Kerbe, wenn er darauf hinweist, dass, selbst wenn Deutschland ‚klimaneutral‘ werden würde, aufstrebende Länder diese Einsparungen einfach kompensieren würden. Ebert favorisiert daher klar den Ansatz, den z.B. der Wirtschaftswissenschaftlicher Thomas Schelling vertritt, nämlich das es schlicht günstiger ist, die Menschen reicher zu machen, damit sie sich besser auf den Klimawandel einstellen können, als für viel mehr Geld zu versuchen, ihn vollständig aufzuhalten. Bei aller Kritik an der aktuellen Handhabung der Situation verfällt Ebert aber nie in Spekulationen oder abstruse Theorien, sondern bleibt fest auf dem Boden der wissenschaftlichen Fakten.

Fazit: Ein immer wieder witziges und angenehm unaufgeregtes Buch, das versucht, einer von beiden Seiten sehr emotional geführten Debatte mit etwas Ruhe und auch Humor beizukommen. Man kann nur hoffen, dass der eine oder andere Entscheidungsträger auch mal einen Blick riskiert und sich den einen oder anderen Ratschlag von Ebert zu Herzen nimmt.

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