02.02.2023
Gefühltes und reales Risiko
Von Judith Curry
Warum die meisten Menschen kein realistisches Bild des Klimawandels haben.
„Etwas Beängstigendes stellt ein gefühltes Risiko dar. Etwas Gefährliches stellt ein reales Risiko dar", sagt Hans Rosling in seinem Buch Factfulness: Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist.
Dieser Beitrag ist eine Fortsetzung meines kürzlich erschienenen Beitrags „Opfer der vermeintlichen Klimakrise: Kinder“. Die Frage der psychologischen Traumatisierung von Kindern ist ein Thema, mit dem ich mich weiterhin beschäftige, um die Ursachen zu ermitteln und einen Ausweg zu finden. In diesem Beitrag geht es darum, wie sich unsere Risikowahrnehmung von der tatsächlichen Gefahr unterscheidet. Das Verständnis dieses Unterschieds hilft, die Ängste zu verstehen, und gibt Aufschluss darüber, wie diese Unterschiede von Propagandisten manipuliert werden.
Abgesehen von den objektiven Fakten über ein Risiko, stellen die Sozialwissenschaften fest, dass unsere Interpretation dieser Fakten letztlich subjektiv ist. Die Risikowissenschaft unterscheidet klar zwischen professionellen Risikobeurteilungen und der öffentlichen Wahrnehmung von Risiken. Bei der Risikowahrnehmung handelt es sich um die subjektive Beurteilung oder Einschätzung eines Risikos durch eine Person, bei der soziale, kulturelle und psychologische Faktoren eine Rolle spielen können.
Unabhängig davon, wie kompetent wir selbst unsere Risikowahrnehmung einschätzen, liegen wir oft falsch. Die Menschen machen sich über manche Dinge mehr Sorgen, als es die Fakten rechtfertigen (z. B. nukleare Strahlung, gentechnisch veränderte Lebensmittel), und über andere Bedrohungen weniger, als es die Fakten rechtfertigen (z. B. Fettleibigkeit, Benutzung von Mobiltelefonen beim Autofahren). Diese Lücke in der Risikowahrnehmung führt zu einer Politik, die uns mehr vor dem schützt, wovor wir Angst haben, als vor dem, was uns tatsächlich am meisten bedroht. Das Verständnis der Psychologie der Risikowahrnehmung ist wichtig für einen rationalen Umgang mit den Risiken, die entstehen, wenn unser subjektives Risikowahrnehmungssystem gravierende Fehler macht.
Was macht Risiken beängstigend?
Die Forschungen des Psychologen Paul Slovic und seiner Mitarbeiter im Rahmen des Psychometrischen Paradigmas beschreiben eine Reihe von psychologischen Merkmalen, die dazu führen, dass Risiken im Vergleich zu den tatsächlichen Fakten mehr oder weniger beängstigend erscheinen (siehe hier, hier und hier). Es sind die folgenden:
- natürliche versus vom Menschen verursachte Risiken
- (ohne spezielle Instrumente) wahrnehmbare versus nicht wahrnehmbare Risiken
- kontrollierbare versus unkontrollierbare Risiken
- freiwillig eingegangene versus aufgezwungene Risiken
- Risiken mit Nutzen versus Risiken ohne Nutzen
- bekannte Risiken versus unklare Risiken
- Risiken, die zum täglichen Leben der Menschen gehören, versus ungewöhnliche Risiken
- zukünftige versus unmittelbare Risiken
- gerechte versus asymmetrische Risikoverteilung.
Bei jedem dieser Paare wird die erste Risikoart im Allgemeinen der zweiten Risikoart vorgezogen. Risiken, die häufig vorkommen, die man selbst kontrollieren kann und die freiwillig eingegangen werden, wie z. B. das Autofahren, rufen in der Öffentlichkeit die geringste Besorgnis hervor. Seltene und aufgezwungene Risiken ohne potenzielle Vorteile, wie der Terrorismus, rufen die größte Furcht hervor.
Das Risiko des vom Menschen verursachten Klimawandels ist ein Risiko, dessen sich die Menschen ohne wissenschaftliche Forschung nicht bewusst wären. Die Menschen erleben ein hohes Maß an Wetter- und Klimaschwankungen im jahreszeitlichen Zyklus und von Jahr zu Jahr. Und die Menschen wären sich der wissenschaftlichen Forschung zum Klimawandel nicht bewusst, wenn die Uno die Klimaforschung nicht im Zusammenhang mit dem UNFCCC-Vertrag von 1992 zur Verhinderung „gefährlicher anthropogener Klimaänderungen" für politisch relevant erklärt hätte. Normalerweise schenken die Menschen dem, was bei der Uno passiert, nicht viel Aufmerksamkeit. Das änderte sich jedoch etwa 2006/2007 mit Al Gores Film „Eine Unbequeme Wahrheit", dem Vierten Sachstandsbericht des IPCC und dem Friedensnobelpreis, den es dafür gab.
Bevor die Aufmerksamkeit erzeugt wurde, interessierten sich die Leute nicht so sehr für all das. Was könnten schon ein paar Grad Erwärmung anrichten? Nun, ich habe ungewollt dazu beigetragen, den potenziellen Schaden von einem Grad Erwärmung zu erklären, und zwar mit der inzwischen berühmten Arbeit von Webster et al. 2005, die eine Verdoppelung des Anteils der Hurrikane der Kategorie 4/5 seit 1970 feststellte. Zum ersten Mal wurde ein Zusammenhang zwischen einem verheerenden Wirbelsturm wie Katrina und einer geringfügigen Erwärmung hergestellt. Was zuvor als ein vages Risiko (Nr. 6) in der Zukunft (Nr. 8) und durch den Menschen verursacht (Nr. 1) verstanden wurde, wurde zu einem konkreten und erschreckenden Risiko im Hier und Jetzt, das durch unsere Emissionen aus fossilen Brennstoffen verursacht wurde.
„Klimaaktivisten, die Medien und sogar Wissenschaftler griffen das Narrativ ‚extreme Wetterereignisse, die durch den Klimawandel verursacht werden' auf, da es das ideale Mittel ist, um den Alarm in Bezug auf die vom Menschen verursachte globale Erwärmung zu verstärken.“
Klimaaktivisten, die Medien und sogar Wissenschaftler griffen das Narrativ „extreme Wetterereignisse, die durch den Klimawandel verursacht werden" auf, da es das ideale Mittel ist, um den Alarm bei der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung zu verstärken. Extreme Wetterereignisse passen nicht nur zu den Punkten 1, 6 und 8, sondern auch zu Punkt 7 – ungewöhnliche Risiken, da diese Risiken für einzelne Orte ungewöhnlich sind. Auch wenn die Ereignisse an einem bestimmten Ort keineswegs beispiellos sind, so sind sie doch so selten, dass die Menschen üblicherweise nicht auf sie vorbereitet sind.
Der Hype um Extremwetter
Heute sind wir an einem Punkt angelangt, an dem jedes extreme Wetterereignis der globalen Erwärmung zugeschrieben wird, selbst extreme Kälteausbrüche und starker Schneefall. Wissenschaftler, die es eigentlich besser wissen müssten, können der medialen Aufmerksamkeit einfach nicht widerstehen und geben der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung enthusiastisch die Schuld. Und das, obwohl die IPCC-Sachstandsberichte nur einen sehr geringen Beitrag der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung zu extremen Wetterereignissen feststellen. Wie John Christy betont, findet man in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchweg vergleichbare Wetter- und Klimaextreme. Wie Andy Revkin betont, findet man bei einem Blick zurück in die Paläoklimaaufzeichnungen viel schlimmere Wetter- und Klimaextreme. Egal – lassen Sie sich niemals von historischen und paläoklimatischen Datensätzen davon abhalten, eine alarmierende Geschichte zu erzählen, die die jeweils letzte Katastrophe auf die Emissionen fossiler Brennstoffe zurückführt und so den Druck erhöht, diese zu eliminieren.
Extreme Wetterereignisse sind seit 2005 zu einem immer wichtigeren Teil des Narrativs des Klimaalarms geworden, aber Kinder wurden erst dann ‚psychisch verletzt', als die Klimakommunikatoren und -‚pädagogen' dies auf die nächsthöhere Ebene brachten. Das begann etwa 2017, nach der zunehmend apokalyptischen Rhetorik von UN-Vertretern und nationalen Führern zur Unterstützung des Pariser Abkommens und der gleichzeitigen Gründung der Sunrise-Bewegung, Extinction Rebellion usw. In der veröffentlichten Literatur finde ich nicht viel über psychische Verletzungen von Kindern durch den Klimawandel vor etwa 2018; dies ist ein sehr junges Phänomen.
In Bezug auf die Risikowahrnehmung betont dieses verstärkte Narrativ der Beunruhigung, dass diese „Klimawandel"-Katastrophen der Gesellschaft von schurkischen Unternehmen für fossile Brennstoffe aufgezwungen werden (Nr. 4), dass den Risiken kein Nutzen gegenüber steht (d. h. es gab keine Vorteile für die Gesellschaft durch fossile Brennstoffe) (Nr. 5) und dass die Risiken unkontrollierbar sind (Nr. 3) - AUßER wenn Politiker das „Richtige" tun (oder zumindest ausreichend Virtue Signalling betreiben).
Und nun zum letzten Element der Manipulation der Risikowahrnehmung: die asymmetrische Verteilung der Risiken (Nr. 9), wobei Kinder und arme Länder am meisten gefährdet seien. Seriöse Tugendwächter sagen uns, dass wir die Emissionen fossiler Brennstoffe um der Kinder und der armen Länder willen eliminieren müssen. Das ist Unsinn: Kinder in wohlhabenden Ländern sind weitaus weniger gefährdet als ihre Ur-Ur-Großeltern (ganz zu schweigen von Kindern in unterentwickelten Ländern), da fossile Brennstoffe in ihrem Leben für sichere Strukturen für ihre Häuser und Schulen mit Zentralheizung und Klimaanlage sorgen, ganz zu schweigen von reichlich Strom und auch Dünger, um ihre Nahrungsmittelversorgung zu sichern.
Teil II meiner „Opfer"-Serie (erscheint demnächst) befasst sich mit den Entwicklungsländern. Die Befürworter des apokalyptischen Klimawandels beuten sowohl Kinder als auch die Entwicklungsländer aus, um den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen voranzutreiben. Die Ausbeutung von Kindern wird in Teil I dargelegt. Die kurze Zusammenfassung für Teil II ist, dass die wohlhabenden Länder zwar weiterhin die fossilen Brennstoffressourcen der unterentwickelten Länder (insbesondere Afrikas) ausbeuten, diesen Ländern aber die Mittel verweigern, die sie benötigen, um die fossilen Brennstoffressourcen ihres Lands tatsächlich für ihre eigene wirtschaftliche Entwicklung zu nutzen. Stattdessen wird die internationale Entwicklungshilfe in grüne Energieprojekte umgelenkt – zur Minderung von CO2-Emissionen, die keine ausreichende Energie liefern und zur weiteren Verschuldung beitragen.
Ich kann nur zu dem Schluss kommen, dass die Klimakatastrophisten, die sich vor allem auf die Abschaffung fossiler Brennstoffe konzentrieren, Kinder und arme Länder ausbeuten und schädigen, um ihr politisches Ziel zu erreichen, die Abschaffung fossiler Brennstoffe über alles andere zu stellen. Wenn Kinder und Entwicklungsländer Kollateralschäden sind, dann muss das wohl so sein (hoppla, sie scheinen ihre ursprüngliche Tugendhaftigkeit vergessen zu haben, fossile Brennstoffe zum Wohle der Kinder und der unterentwickelten Länder zu beseitigen).
Kinder als Zielgruppe der Angst-Propaganda
Um mit Nr. 9 auf die Kinder mit psychischen Verletzungen zurückzukommen: Sie werden mit einer explizit politischen Botschaft gefüttert (über Medien, die auf sie ausgerichtet sind, Bildungsmaterialien und sogar Märchenbücher), die auf die unzureichende Reaktion des Staates abhebt. Ich habe den größten Teil meiner beruflichen Laufbahn als Lehrende verbracht, und es ist selten, dass ein Gymnasiast (ganz zu schweigen von den alarmierten Kindern, die noch jünger sind) überhaupt eine Vorstellung davon hat, was der Staat auf Landes- oder Bundesebene in einer bestimmten politischen Frage tut, geschweige denn einen Rahmen für die Beurteilung dessen, was vom Staat erwartet werden sollte. Vereinfachte, alarmierende und politische Botschaften, die sich speziell an junge Menschen richten, sind eindeutig dafür verantwortlich.
Betrachten wir ein kontrafaktisches Szenario, bei dem es in den letzten 100 Jahren aufgrund natürlicher Prozesse zu einer Erwärmung von 1°C gekommen wäre (eine solche Erwärmungsrate ist im Holozän, insbesondere in der Zeit nach der Jüngeren Dryas, alles andere als beispiellos). Würden die Menschen diese Erwärmung zwangsläufig für „schlecht" halten? Vermutlich würden die Menschen in verschiedenen Klimaregimen unterschiedliche Meinungen dazu haben. Würden die Menschen extreme Wetterereignisse auf die schleichende Erwärmung schieben? Würde jemand auf die Idee kommen, Extremwetter auf den Klimawandel zu schieben, wenn es keinen Grund gäbe, den Menschen dafür verantwortlich zu machen? Und schließlich: Würde jemand erwarten (oder gar wollen), dass der Staat versucht, das Klima zu kontrollieren, indem er CO2 aus der Atmosphäre entfernt oder die Abkühlung durch solares Geo-Engineering fördert? Nein, natürlich nicht.
Die tatsächliche Erfahrung mit der Erwärmung um 1°C im letzten Jahrhundert war gar nicht so schlecht: Die Lebenserwartung ist erheblich gestiegen, die Wirtschaft hat sich gut entwickelt, und die Verluste an Menschenleben durch Wetterkatastrophen sind stark zurückgegangen. Regionen, die mit extremen Wetterereignissen konfrontiert sind, haben sich an diese angepasst, am umfangreichsten natürlich die wohlhabenden Länder.
„Die tatsächliche Erfahrung mit der Erwärmung um 1°C im letzten Jahrhundert war gar nicht so schlecht: Die Lebenserwartung ist erheblich gestiegen, die Wirtschaft hat sich gut entwickelt, und die Verluste an Menschenleben durch Wetterkatastrophen sind stark zurückgegangen.“
Das Problem ist hier nicht der Klimawandel, der bereits stattgefunden hat, sondern das „prätraumatische Stresssyndrom" (siehe diese früheren Beiträge). Die prätraumatische Stressreaktion auf den Klimawandel wird ausgelöst durch die anhaltende Flut von Medienberichten zu extremen Wetterereignissen, die durch den „Klimawandel" verschlimmert werden, durch apokalyptische Projektionen der zukünftigen Erwärmung aufgrund unrealistischer Emissionsszenarien und durch dystopische Warnungen vor den Auswirkungen durch unverantwortliche Politiker und führende Journalisten.
Der Nettoeffekt all dieser apokalyptischen Rhetorik, die sich effektiv zunutze macht, wie Menschen Risiken falsch wahrnehmen, besteht darin, die neurotische Angst vieler Menschen (insbesondere von Kindern) zu verstärken, was die Menschen tatsächlich anfälliger für negative Stressreaktionen machen kann.
Herzlichen Glückwunsch an alle Verkünder der Klimakatastrophe, Sie haben endlich eine tatsächliche nachteilige Auswirkung des Klimawandels nachgewiesen, die tatsächlich von Menschen verursacht wird - psychische Belastung. Diese psychische Belastung wird direkt von Ihnen verursacht: von den falschen, irrationalen, politisch motivierten Menschen, die eine wirkungsvolle Propaganda geschaffen haben, die negative Stressreaktionen hervorruft, insbesondere bei Kindern, die noch kein klares Selbstbewusstsein entwickelt haben und denen ein Kontext fehlt, um den Blödsinn zu filtern.
„Herzlichen Glückwunsch an alle Verkünder der Klimakatastrophe, Sie haben endlich eine tatsächliche nachteilige Auswirkung des Klimawandels nachgewiesen, die tatsächlich von Menschen verursacht wird – psychische Belastung.“
Abschließend möchte ich noch einmal auf Nr. 3 zurückkommen: die Frage, ob das Klimarisiko beherrschbar oder unbeherrschbar ist. Es ist Hybris zu glauben, dass wir den CO2-Gehalt in der Atmosphäre kontrollieren können, ganz zu schweigen vom Klima selbst. Unter Berufung auf die psychischen Schäden von Kindern zielen die von Our Children's Trust eingereichten Klagen offiziell darauf ab, die treuhänderische Rolle der Staates auf Bundes- (und Landes-)Ebene bei der Erhaltung der Atmosphäre zu klären und die Unterlassung von Maßnahmen zu erwirken, die dieser Rolle zuwiderlaufen. Diese Klagen gehen implizit davon aus, dass die Staaten die Emissionen in die Atmosphäre und das Klima der Erde tatsächlich kontrollieren können. Na, träumen Sie weiter! Ein Schlüsselelement der psychischen Verletzungen ist der neueren Literatur zufolge die Frustration und das Gefühl der Verlassenheit darüber, dass die Politiker und der Staat ihren Sorgen um das Klima keine Beachtung schenken. Diese Besorgnis rührt von den explizit politischen Botschaften her, denen junge Menschen zum Thema Klimawandel ausgesetzt sind.