27.06.2019

Die radikale Tradition der Bildung

Rezension von Joanna Williams

An Schulen und Universitäten herrschen Beliebigkeit und Vergangenheitsblindheit vor. Das Buch „The Conservative Case for Education“ von Nicholas Tate hält dagegen.

Bildungseinrichtungen haben der Vergangenheit den Krieg erklärt. Studenten fordern den Abriss von Statuen und eine „Dekolonialisierung“ der Lehrveranstaltungen. Der Unterricht soll vom Einfluss verstorbener weißer Männer befreit werden. Akademiker wollen Lehrprogramme internationalisieren und werben für ein Weltbürgertum, die nationale Herkunft dagegen soll keine Rolle mehr spielen. Workshops, in denen Softskills für die berufliche Qualifikation vermittelt werden, ersetzen Vorlesungen über den Kanon. Klassiker der Literatur werden in Schulen nicht mehr unterrichtet, zu komplex seien diese für die „Digital Natives“. Der öffentliche Druck, den Unterricht relevant, inklusiv und vielfältig zu gestalten, führt zu einem Ansatz, der die gleiche Repräsentation von verschiedenen Identitätsgruppen über Tradition und intellektuellen Verdienst stellt.

Menschen, die einer Minderheitengruppe angehören, sind nicht weniger talentiert als beispielsweise weiße Männer. Um es mit den Worten von Simone de Beauvoir zu sagen: „Man wird nicht als Genie geboren: man wird zum Genie“. Intelligenz ist de Beauvoir zufolge also nicht angeboren, eher ist sie ein Prozess, für den einem Menschen Zeit und Freiraum gegeben werden sollte.

Bildung und Vergangenheit

Seitdem ist jedoch gesellschaftlich viel passiert: Mittlerweile gibt es mehr Möglichkeiten für historisch unterrepräsentierte Gruppen, sich in Kunst, Wissenschaft und der akademischen Welt zu verwirklichen. Aber der Fokus auf Vielfalt bedeutet auch das Hier und Jetzt, in dem es Frauen und Schwarze leichter haben, ihre Spuren in der Welt zu hinterlassen, gegenüber der Vergangenheit zu privilegieren. So wird die Vergangenheit kleinteilig aus dem Kontext gerissen, vollständig ignoriert oder nur selektiv behandelt, um den eher prosaischen Zielen der heutigen Schulen gerecht zu werden. Junge Menschen werden in eine permanente Gegenwart, ein Jahr Null mit wenigen historischen Bezugspunkten, hinein sozialisiert, das ihnen nur wenig Orientierung bietet. Die Vergangenheit ist so etwas wie ein fremdes Land, nur dass die jungen Leute wahrscheinlich wenig Ahnung davon haben, wie Dinge dort gehandhabt werden.

„Anstelle von Wissen wurde ein kultureller Relativismus installiert.“

Bildung wurde nicht immer von der Verachtung der Vergangenheit angetrieben. Das Wissen über beziehungsweise aus der Vergangenheit stand im Mittelpunkt eines Bildungsprojektes, das als Dialog zwischen den Generationen konzipiert war und den Kindern den Zugang zu ihrem geistigen Geburtsrecht ermöglichte. Dieser Ansatz wurde erstmals in den 1960er-Jahren von radikalen Pädagogen angezweifelt, die in der Rolle der Schulen die Reproduktion und Legitimierung sozialer Ungleichheit sahen. Anstatt zu argumentieren, dass Kindern aus Arbeiterfamilien ein besserer Unterricht und mehr Zugang zu Wissen gegeben werden sollte, stellten jene radikalen Pädagogen den Inhalt des Lehrplans selbst in Frage. Entsprechend dieser Denkweise war Matthew Arnolds Definition von Kultur als „das Beste, was in der Welt gedacht und gesagt wurde“ nur eine Tarnung für die Förderung von Wissen und Werten einer gesellschaftlichen Elite. Man nahm an, dass Kinder aus der Mittelschicht gut abschnitten, weil ihr Wissen im Klassenzimmer eher Anerkennung und Zuspruch fänden, während Arbeiterkinder scheiterten, weil ihr besonderes Wissen nicht anerkannt wurde.

Kindern die Lehre des etablierten Kanons, Fachkenntnisse und ihnen ihr nationales, kulturelles und literarisches Erbe zu vermitteln, wurden als elitäre Praktiken abgelehnt. Dies führte zur Vernachlässigung des Wissens, insbesondere des Wissens über oder aus der Vergangenheit. An dessen Stelle wurde ein kultureller Relativismus installiert, der die Kinder selbst in den Mittelpunkt der Bildung stellte. Nicholas Tate, ehemaliger Chefberater für Lehrpläne und Qualifikationen beim britischen Bildungs-Staatssekretär, zieht in seinem Buch „The Conservative Case for Education“ die Konsequenzen: „Wenn man in einer Gesellschaft aufhört, Aspekten der Vergangenheit Vorrang einzuräumen, die kulturell bestimmender sind als andere", schreibt Tate, „dann verlässt man ganz und gar die Vorstellung, dass es bei der Bildung um die Einführung und Übertragung von etwas bereits Vorhandenem geht“.

Kritik an traditionellen Bildungsansätzen wurde als Angriff auf die konservative politische Agenda dargestellt. Dabei hat die Idee, den kanonischen Wissensbegriff durch Selbsterkenntnis zu ersetzen, wenig mit Radikalität zu tun. Unter dem Diktum der Tyrannei der Relevanz sollen Arbeiterkindern lediglich die Fähigkeiten beigebracht werden, die sie benötigen, um einen Job zu bekommen, und schwarze Kinder sollen sich auf „schwarzes Wissen“ beschränken, zum Beispiel durch „Hip-Hop-Pädagogik“ und Aktivitäten wie Graffiti sprayen. Der „schülerzentrierte Unterricht“ oder „die Pädagogik der Unterdrückten“ wollen die Lernenden dort mitnehmen, wo sie sozial und kulturell stehen. Wie Tate erklärt, kann dies ein „selbstgefälliges Einmauern innerhalb der eigenen kulturellen Identität“ zur Folge haben.

„Tate bezieht sich auf Figuren wie T.S. Eliot, Hannah Ahrendt, Michael Oakeshott oder Ed Hirsch als wichtige Vordenker der Bildung.“

Wirklich radikal ist dagegen die transformative Kraft von Bildung, dort anzusetzen, wo die Lernenden stehen und sie durch die Öffnung einer ganzen Welt des Wissens ganz woanders hinzuführen. In dem Stück „Educating Rita“ von Willy Russel besteht das aus einer Arbeiterfamilie stammende Mädchen Rita darauf, „alles“ wissen zu wollen. Wenn wir unseren Kindern nicht die Möglichkeit geben, auf den Schultern von Riesen zu stehen, werden sie nie über den eigenen Tellerrand hinausschauen können und ohne das Wissen aus der Vergangenheit werden sie nie in der Lage sein, die Zukunft mitzugestalten. Gerade die Forderung, jungen Menschen, unabhängig von sozialer Schicht, Geschlecht oder Hautfarbe den gleichen Zugang zum Besten, was in der Welt gedacht und gesagt wurde, zu ermöglichen, ist eine Herausforderung bestehender Konventionen. Heute sind die Menschen, die das transformative Bildungspotenzial am besten verteidigen können, insofern konservativ, als dass sie das Wissen über oder aus der Vergangenheit bewahren und an eine neue Generation weitergeben wollen. In diesem Sinne ist „The Conservative Case for Education“ wirklich radikal.

Von außen betrachtet wird klar, dass Tate in seinem Buch nicht etwa das bildungspolitische Programm konservativer Parteien ausführt. Obgleich dieser bewundernd auf ehemaligen konservative Minister wie Michael Gove und Keneth Baker verweist, ist er vom aktuellen Kurs der konservativen Partei wenig begeistert. Während die Regierung versucht, die Universitäten des Landes mit Wirtschaftsinteressen zu verknüpfen und stimmungsgetriebene  Bildungsdiskussionen anzettelt, liegt Tates Arbeit eine konservative Tradition zu Grunde, die viel tiefer greift. Er bezieht sich auf Figuren wie T. S. Eliot, Hannah Arendt, Michael Oakeshott oder Ed Hirsch als wichtige Vordenker der Bildung, von denen sich nicht alle zweifelsfrei als Konservative einordnen lassen würden, und ermöglicht Einblicke in deren Gedankenwelten.

Bildung bei T. S. Eliot

Zwar ist T. S. Eliot weniger für seine Überlegungen zur Bildungspolitik bekannt, aber die Hälfte von „The Conservative Case for Education“ ist einer Auseinandersetzung mit seiner Arbeit in diesem Bereich gewidmet. Der vielleicht sympathischste Zugang zu Eliots Abneigung gegenüber einer Massengesellschaft und seinen demokratiefeindlichen Tendenzen besteht darin, jene Ansichten mit dem damaligen Zeitgeist zu kontextualisieren. Eliot befürwortete die Kultivierung eines „modernen Geistes“, der „klassisch, reaktionär und revolutionär“ war. Für Tate besteht die intellektuelle Bedeutung von Eliots Werk in der Überlegung, dass „Erziehung dazu diene, […] uns sowohl das Wissen und Verständnis der Vergangenheit, als auch uns vor dem Fehler, blind dem Geiste der Zeit zu folgen, zu bewahren“.

Für Eliot ist die kulturelle Überlieferung von zentraler Bedeutung. Jene Überlieferung geschah Eliot zufolge keineswegs ausschließlich in Schulen: Ohne den kulturellen Austausch auch innerhalb der Familien, der sozialen Schicht oder der Kirche, würde sich diese als schwierig erweisen. Umstritten an Eliots Arbeit ist die besondere Rolle, die er der sozialen Schicht, insbesondere der oberen Schicht, als Vermittler kulturellen Wissens zuschreibt. Eliot zufolge befähige die historische Stabilität einer gesellschaftlichen Elite diese zur Überlieferung von Wissen in einer modernen Gesellschaft. Außerdem ermögliche die finanzielle Unabhängigkeit es dieser Elite, sich auch unpopuläre Ansichten anzueignen sowie Studien zu verfolgen, deren Wert für niemanden außer einem selbst sofort ersichtlich sei.

Eliot weist zu Recht darauf hin, dass die Oberschicht diese Rolle eingenommen hat. Auch war es die Elite, die durch ihre Abwendung von der Hochkultur den Weg für antiuniversalistische und antiaufklärerische Akademiker in den 1960er-Jahren geebnet hat, die Relativismus und Relevanz in der Bildung salonfähig machten. Anstatt dem aristokratischem oder elitären Würgegriff auf Hochkultur nachzutrauern, wäre es freilich sinnvoll, darüber nachzudenken, wie sich ein kultureller Austausch ohne hierarchische Strukturen innerhalb einer Gesellschaft gestalten lässt. Eliot selbst „hatte keine Zeit für jene, die klassische, konservative Ansichten aus Nostalgie zu einer verfallenden Ordnung“ oder „einem romantischen Konservatismus“ heraus verteidigten.

„In der angelsächsische Campushysterie wird Lehrmaterial von toten Weißen als existentielle Bedrohung für das Selbstverständnis der Schüler wahrgenommen.“

Bei all seinem unverfrorenen Elitismus plädiert Eliot auch für eine allgemeine Schulpflicht. Heute beenden die meisten Schüler in England den nationalen Lehrplan im Alter von 16 Jahren. In den USA geraten Hochschulen für die ‚freien Künste‘ unter Druck, Pflichtkurse abzuschaffen, die eigentlich von allen Studenten belegt werden müssten. Die jüngsten Proteste am Reed College haben gezeigt, dass die wichtigsten geisteswissenschaftlichen Kurse von den heutigen Studenten als zu eurozentrisch angesehen werden. Wie Tate betont, ist für die meisten Studenten das einzige Kriterium, ob etwas zum Studieren notwendig ist, die Frage, ob sie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt dafür interessieren. „Ein Vorteil eines nationalen Lehrplans“ besteht für Tate darin, dass diese gemeinsame Erfahrung der Schulbildung, „zukünftige Generationen mit Erinnerungen und Bezugspunkten versorgt". Darüber hinaus, so schlägt er vor, eine Gelegenheit zu schaffen, „darüber nachzudenken, was Kinder, die in England aufwachsen, über Schlüsselereignisse der Geschichte, Kultur und Identität ihres Landes wissen sollten“.

Von Eliot ausgehend betrachtet Tate Intellektuelle, die traditionell weitaus weniger mit dem Konservatismus in Verbindung gebracht werden. Tates Hauptaussage ist, dass es nicht etwa der bildungspolitische Konservatismus sei, den Oakeshott, Arendt und Hirsch mit Eliot teilen, sondern die Neigung, ein „pensée unique“ oder Gruppendenken in der Bildung in Frage zu stellen. Tate skizziert das, was er heute als „pensée unique“ bezeichnet: die Auffassung, Bildung solle in erster Linie relevant und angenehm sein; sie solle Weltbürger in einer Kultur hervorbringen, in der Unterschiede gefeiert werden; sie solle den Schülern ermöglichen, eine urteilsfreie Haltung zu entwickeln und eine bestimmte Art von Gesellschaft fördern, in der keine kulturelle Hierarchie oder objektive Wertevorstellungen bestehen.

Oakeshott, Arendt und Hirsch

Zusammenfassend findet Tate, dass das heutige Schulsystem „seine Hauptaufgabe des Unterrichts zugunsten des Social Engineerings aufgegeben hat“. Von Oakeshott übernimmt Tate die Auffassung, dass Bildung den Kindern „intellektuelle Tugenden“ wie Ehrlichkeit, Genauigkeit, uneigennützige Neugier, Zweifel, Sensibilität für kleine Unterschiede, die Bereitschaft, sich der Widerlegung zu unterwerfen und die Liebe zur Wahrheit vermitteln sollte. Das Versagen der heutigen Bildung, die Trennung von Selbst- und Subjektwissen und die Kritikfähigkeit zu kultivieren, treibt die angelsächsische Campushysterie an, wo intellektuelle Kritik als persönlicher Angriffe interpretiert wird und Lehrmaterial von toten Weißen als existentielle Bedrohung für das Selbstverständnis der Schüler wahrgenommen wird.

Oakeshott plädiert zwar für die Kultivierung des Intellekts, allerdings nicht als „Gehirntraining“, sondern als Einführung in die Zivilisation, die das „Erbe“ des Einzelnen ist. Bildung gilt für Oakeshott zu Recht als Transaktion zwischen den Generationen. Im Gegensatz zu Eliot betonte Oakeshott die wichtige Rolle der Schule in der kulturellen Übertragung; die Schule war „ein Ort für sich“, losgelöst von „der unmittelbaren, lokalen Welt des Lernenden, ihren aktuellen Anliegen und den Richtungen, die er seine Aufmerksamkeit gibt“. Die schulische Bildung ermöglicht den Jugendlichen eine Emanzipation von der bloßen „Tatsache des Lebens“.

„Der aktuelle Trend, Kindern den Zugang zum Wissen der Vergangenheit zu verwehren, stellt das Bildungswesen vor eine radikale Herausforderung.“

In Anlehnung an Arendt geht Tate davon aus, dass Sinn und Zweck der Schule darin besteht, „den Kindern beizubringen wie die Welt ist und sie nicht in der Kunst des Lebens zu unterrichten.“ Arendt sieht in dem Wunsch, Kinder in der Kunst des Lebens zu unterrichten, eine Tendenz zur Homogenisierung durch Bildung. Sie fordert, dass die Schulen davon absehen sollten, „der Bildung Ziele des Social Engineering aufzuerlegen, die sich aus den Sorgen der heutigen Erwachsenen ableiten“. Arendt ist sich darüber im Klaren, dass die Bildungskrise eine breitere Krise in der Tradition und insbesondere eine Krise in unserer Einstellung zum Reich der Vergangenheit widerspiegelt. Tate macht sich außerdem die Vorstellung Arendts zu eigen, das Weltbürgertum sei „Unsinn“ und der Schwerpunkt müsse „auf der nationalen Staatsbürgerschaft liegen, da wir vorerst und auf absehbare Zeit in einer Welt der Nationalstaaten bleiben und nur durch Nationalstaaten die Rechte und Pflichten der Staatsbürgerschaft übertragen werden“.

Mithilfe von Hirschs Werk „Cultural Literacy: What Every American Needs to Know“ von 1987, unterstreicht Tate die Bedeutung von Schulen, die Kindern kulturelles Hintergrundwissen in Form eines „nationalen Vokabulars“ vermitteln. Hirsch sieht die soziale Klasse nicht als Quelle kultureller Überlieferung, sondern teilt mit Eliot die Anerkennung des Nutzens eines „fest verankerten Wissens, das eine große Gruppe verschiedener Menschen miteinander gemein hat“.

Bildung, Demokratie und Nation

Indem er die Arbeit von Eliot, Oakeshott, Arendt und Hirsch nebeneinander erforscht, entwickelt Tate ein überzeugendes Argument für die Bedeutung des Wissens von und aus der Vergangenheit für das Bildungswesen. Diese Sichtweise ist konservativ, weil sie durch intergenerationelle Übertragung kulturell-elitäres Wissen zu bewahren sucht. Der aktuelle Trend, Kindern den Zugang zum Wissen der Vergangenheit zu verwehren und sie mit nichts als ihrem eigenen engen Horizont zurückzulassen, stellt das heutige Bildungswesen vor eine radikale Herausforderung.

Gerade Tates konservativ geprägter Ansatz offenbart eine kritische Sichtweise auf vielerlei Ideen, die heute in der Bildungspolitik zentrale Bedeutung erlangt haben, wie beispielsweise der alle Bereiche durchdringende therapeutische Ethos, der das emotionale Wohlbefinden der Schüler über den Anspruch stellt, intellektuelle Risiken einzugehen stellt. Vor allem kritisiert Tate, wie sich durch die Abwendung von der Vergangenheit eine Generation von jungen Menschen entwickelt hat, die ohne jeglichen Bezug zu einer national-kulturellen Identität vor vollendeten Tatsachen gestellt ist. „In vielen Staaten“, schreibt Tate, „liegt das Problem nicht mehr im Nationalismus, sondern in der mangelnden Identifikation mit der nationalen Gemeinschaft und dem Rückzug aus der nationalen und lokalen Politik“. Die Bedeutung, die Schulen und Universitäten heute einem „globalen Bewusstsein“ zuschreiben, kann „die emotionale Basis untergraben, der jedes wirkliche Interesse an der Zukunft zugrunde liegen muss“.

„Es sind Nationalstaaten, nicht etwa supranationale Gebilde, die eine effektive Demokratie ermöglichen.“

Die Förderung des Multikulturalismus, so Tate, hat an Schulen bestenfalls eine halbherzige Auseinandersetzung mit der Integration einer muslimischen Minderheit geführt. Dem Rufen nach der Förderung einer gemeinsamen Kultur beziehungsweise nationalen Identität, wird in den Schulen mit dem Vorwurf extremistisch, unbritisch und sogar rassistisch zu sein, begegnet. Der Preis dafür, so Tate, sei die „radikale Ablehnung vieler Aspekte des Lebens der Mehrheit“ durch eine muslimische Minderheit.

Tate plädiert jedoch nicht etwa für das Ende der Religion oder eine kulturellen Homogenität. Ihm geht viel radikaler darum, wie Bildung im Mittelpunkt der Demokratie steht. Die Welt ist immer noch in Nationalstaaten unterteilt; es sind Nationalstaaten, nicht etwa supranationale Gebilde, die eine effektive Demokratie ermöglichen; Nationalstaaten müssen geographische, sozial-kulturelle und intellektuelle Grenzen gesetzt werden. Denn nur so können eine national und kulturell geprägte Identität, an der sich Menschen orientieren können, oder so etwas wie Sitten und Traditionen überhaupt erst entstehen. Ohne Kinder – wie Durkheim betonte – in ein gesellschaftliches Miteinander einzuführen, droht der Zerfall des Nationalstaates selbst.

Was mich an Tates bildungsphilosophischer Argumentation überzeugt, ist, dass konservative Denker „die Verbindungen zwischen den Generationen schätzen und ein starkes Gespür für die Bedeutung von tief verwurzelten und gut etablierten Gemeinschaften wie Familie, Ort, religiösen Gruppen und der Nation im Leben der Menschen haben“. In dieser Hinsicht erweisen sich Tates Ansichten über Bildung nicht nur als radikal, sondern geradezu als revolutionär.

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