22.05.2023

Coronapanik aufarbeiten statt genießen

Von Christoph Lövenich

Titelbild

Foto: neelam279 via Pixabay

Thomas Maul gibt in seinem neuen Buch „Was man wann wissen konnte“ zahlreiche „Hinweise zur Aufarbeitung der Corona-Verbrechen“. Man hätte schon früh aufhören müssen, die Realität zu verweigern.

Wir haben es nicht (besser) gewusst, man hatte zu wenige Daten, und ja, es sind auch ein paar Fehler gemacht worden – so oder ähnlich setzen sich manche inzwischen ab von der 2020 begonnenen Coronapolitik. Das lässt ihnen der Autor Thomas Maul nicht durchgehen. Maul, der der sogenannten ideologiekritischen Linken angehört, hat jetzt ein Buch unter dem Titel „Was man wann wissen konnte. Hinweise zur Aufarbeitung der Corona-Verbrechen“ auf den Markt gebracht.

Schon im Vorwort lässt der Autor die Katze aus dem Sack: „Die Frage, was man wann wissen konnte, lässt sich spielend leicht beantworten: Alles – und zwar von Anfang an. Dazu musste man kein Experte sein.“ Man konnte nämlich Einschätzungen solcher Fachleute wie John Ioannidis und Hendrik Streeck schon Mitte März 2020 zur Kenntnis nehmen – etwa zur Tödlichkeit des Virus –, die Zweifel am sich damals aufbauenden herrschenden Narrativ aufwarfen. Datengestützte Erkenntnisse zum beachtlichen Alter und den sogenannten Vorerkrankungen von „Coronatoten“ lagen zügig vor, im April gelangten weitere Informationen in die Mainstream-Medien, die aufhorchen ließen. Dieses Zeitfenster schloss sich dann schnell und man stand nach der „Machtergreifung der Zeugen Coronas“ einer gut geölten Propagandamaschine gegenüber.

Maul, Verfasser von Büchern zu Karl Marx, Apostel Paulus und Islamismus, zeichnet zunächst nach, wie er selbst und sein Umfeld ab Ende März 2020 begannen, Kritisches zu publizieren. Dann folgt eine Sammlung von zahlreichen Artikeln, die aus seiner Feder vor allem auf der Achse des Guten erschienen sind, einige zudem bei reitschuster.de. Manche davon präsentiert er in der Originalversion, andere überarbeitet, und ergänzt sie zuweilen um später hinzugekommene Erkenntnisse. Er will „für eine etwaige Nachwelt […] protokollieren, was geschehen ist“. Denn es handelt sich um – im Untertitel dementsprechend so bezeichnete –„Verbrechen, wenn zu Unrecht intensiv und dauerhaft Grundrechte verletzt werden.“ Ausgangssperren, Kontaktverbote, Lockdowns, der Ausschluss von Ungeimpften und manches mehr konnten nur durch eine „früh vollzogene Umwertung aller Werte“ in die Tat umgesetzt werden.

„Von prägenden Falschinformationen des Staatsvirologen Christian Drosten über die bereits gezielt manipulative Benennung des Erregers spannt Maul den Bogen bis zum ‚großen Intensivbetten-Schwindel‘.“

Selbst bei „einer echten Pest“ hätte der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Grundgesetzes noch gewahrt werden müssen. Dass über weite Phasen der Corona-Transformation in kurzen, manchmal wöchentlichen Abständen die obrigkeitlichen Vorgaben wechselten – „was gestern richtig war, ist heute falsch und umgekehrt“ – erinnert den Autor sogar an klassische Beschreibungen totalitärer Herrschaft wie bei Hannah Arendt. In der Tat, Arendt zufolge würden derartige Willkürherrscher zwar eine „neue Normalität“ – so ihre Formulierung vor 70 Jahren – versprechen, müssten aber Stabilität scheuen wie der Teufel das Weihwasser, um alles in permanenter Bewegung zu halten. Der Autor sieht auch Parallelen zu Ernst Fraenkels „Doppelstaat“, wo „jeder intuitiv zu wissen meinte und im Grunde auch wusste, was ‚von oben‘ wohl gewollt war“ und auf diese Weise Rechtsnormen ausgehöhlt wurden.

Von prägenden Falschinformationen des Staatsvirologen Christian Drosten – fehlende Immunität gegenüber dem Virus, mangelnde Saisonalität, gefährliche asymptomatische Übertragung – über die bereits gezielt manipulative Benennung des Erregers („SARS-CoV-2“) spannt Maul den Bogen bis zum „großen Intensivbetten-Schwindel“. Zu letzterem lautet sein Urteil: „Bevor nicht mindestens die Hälfte der Betten des Notfall-Lazaretts tatsächlich belegt worden wäre, hätte über keine einzige weitere Maßnahme öffentlich überhaupt nur nachgedacht werden brauchen oder dürfen.“

Die Fehlbehandlung von Patienten in der Anfangsphase kommt ebenfalls zur Sprache: Die Verabreichung von Hydroxychloroquin wie die verbreitete Intubation haben zu iatrogenen (also ärztlich verursachten) Todesfällen in erheblicher Größenordnung geführt. Konsequenzen für die Verantwortlichen: keine, während man für eine verrutschte Maske Bußgeld zu blechen hatte.

Masken behandelt Maul übrigens nicht bis in Detail. Sein Spezialthema ist vielmehr die PCR-Massentestung, über die er eine sechsteilige Artikelserie bei der Achse des Guten verfasst hatte. Näheres über Aspekte wie die Zahl der Target-Gensequenzen, Ct-Werte oder falsch positive Resultate lässt sich im Buch gebündelt nachlesen.

„Eine solche kollektive Realitätsverweigerung, wie Maul sie für die letzten Jahre dokumentiert, verheißt für die Zukunft nichts Gutes.“

Erst gegen Ende des Werkes wendet sich der Autor der (sogenannten) Corona-Impfung zu. „Ein unbestreitbar läppischer Nutzen“, schon gemessen an den Evidenzkriterien der Ständigen Impfkommission, der „nicht mal zu den angegebenen einkalkulierten Impfreaktionen in einem vertretbaren Verhältnis stand“, und erst recht nicht zu den verheerenden Schäden, deren seriöse Prüfung – eigentlich ein gesetzlicher Auftrag – beteiligte Institutionen wie das Paul-Ehrlich-Institut bisher „sabotiert haben“. Mauls konservative Schätzung beläuft sich auf mindestens 30.000 Impftote und 300.000 Fälle schwerer Impfnebenwirkungen in Deutschland. Andere Kritiker gehen bei den Todesopfern von höheren Zahlen aus, bis ins Sechsstellige hinein.

Maul ruft dabei in Erinnerung, wie im Winter 2021/2022 „eine monatelange Apartheit“ durch die teilweise Entrechtung der Ungespritzten herrschte, „in der nicht nur das Faktische, sondern auch das womöglich noch Kommende bedrückte“ – eine weitere Eskalation, etwa durch einen allgemeinen Impfzwang. Als „dieser Prozess von einer präzedenzlosen gesamtgesellschaftlichen Hetze“ einsetzte, hatten die Protestbewegung und die ganzen Aufklärer wie Thomas Maul ihre Hausaufgaben längst gemacht und Lüge um Lüge entlarvt.

Und doch schritt die Transformation voran. Weil „von den Coronagenießern und -gewinnlern – unabhängig von der Realitätsentwicklung – keine Entwarnung mehr zu erwarten war“, wie der Autor schon im Juli 2020 festgestellt hatte. Damals täuschte er sich allerdings auch in einem, wie er im Buch einräumt: Er hing im ersten Coronasommer der Illusion an, dass es nicht noch schlimmer kommen würde. Apropos „Coronagenießer“ – zu den Säulen des Pandemieregimes gehörten nicht nur Kräfte an den Schaltstellen, sondern auch weite Teile der Bevölkerung, die „die Lüge wollten und sich als Volksgemeinschaft der Hypochonder enthusiastisch in allerlei Ausdrucksformen am allgemeinen Unrecht beteiligten.“ Warum dies? Maul verweist u.a. auf den analen Charakter nach Freud und auf Snowflakes. Man könnte zudem fragen, welche Leere, welche Orientierungslosigkeit und welche Fragmentierung in einer Gesellschaft vorherrschen müssen, dass man in ihr ein so breites Engagement für ein derartiges Gemeinschaftsprojekt der Selbst- und Fremdkasteiung hervorzurufen vermag.

Nicht jeder musste alles wissen, als er es wissen konnte. Aber eine solche kollektive Realitätsverweigerung, wie Maul sie für die letzten Jahre dokumentiert, verheißt für die Zukunft nichts Gutes.

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