22.09.2021

Pandemie der Ungeimpften?

Von Julius Felix

Titelbild

Foto: José Martin via Unsplash / CC0

Wenn sich gegen Corona Ungeimpfte viel mehr testen lassen als Geimpfte, findet man bei ihnen natürlich auch mehr Fälle. Außer dieser Datenverzerrung bringt 3G nichts.

Die Begründung für die in ihrer Wirkung fraglichen 3G-Beschränkungen – warum sie so fragwürdig ist, wurde ja schon erörtert – ist, dass man eine „Pandemie der Ungeimpften“ habe. Ironischerweise versucht man dabei die gleichen Maßnahmen anzuwenden, die schon bei den letzten Wellen, als es quasi nur Ungeimpfte gab, schon gescheitert sind. Gleichzeitig etabliert man bereits in der 3G-Regelgebung eine Art Ablaufdatum – für die Genesung, genauso wie für die Impfung.

In 3G-Ländern sieht man jetzt Folgendes: Die Fallzahlen werden von den Ungeimpften dominiert. Wenn man schon länger Israel beobachtet, dann ist einem das auch dort aufgefallen, aber vor 3G sah das noch anders aus. Das zeigen diese Zahlen, die reichlich Beachtung fanden.

Abb. 1: Bestätigte Corona-Fälle in Israel, Quelle: Tweet von Robert W. Malone

Sie machen deutlich, dass der Anteil der Geimpften an den Fallzahlen im Großen und Ganzen ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht, was bedeutet, dass sich keine Impfwirkung auf die Infektionszahlen abzeichnet. Bei einer Fallverhinderungswirkung durch die Impfung, wie sie von Medien und Politik immer wieder angepriesen wird, wäre der Anteil der Geimpften an den Fallzahlen deutlich geringer als ihr Anteil an der Bevölkerung.

In den Medien las man lange wenig davon, aber dafür umso mehr im August. Da dominierten plötzlich die Ungeimpften die Neuinfektionen. Wie kam es dazu? Es entstand ein Bias (zu Deutsch hier etwa eine „Schlagseite“), indem man die grünen Pässe wieder einführte. Was passiert durch diese Pässe, die letztendlich 3G bedeuten? Die Geimpften müssen sich quasi gar nicht mehr testen lassen, die Ungeimpften aber für vieles.

„Das massenhafte Testen von Symptomlosen sorgt bei einer niedrigen Prävalenz in der Testpopulation für eine hohe Anzahl von falsch positiven Ergebnissen.“

Wie schon erläutert, sorgt das massenhafte Testen von Symptomlosen bei einer niedrigen Prävalenz in der Testpopulation für eine hohe Anzahl von falsch positiven Ergebnissen. Dass die Menschen, die in den Freizeitpark wollen, sich ein Musical ansehen möchten oder an sonstigen Aktivitäten teilnehmen wollen, natürlich keine schweren Symptome zeigen, ist logisch: Wer Grippe-Symptome hat, will ins Bett und nicht auf die Achterbahn. Also werden Gesunde und Symptomlose die Tests in Anspruch nehmen, wodurch eine Testpopulation mit geringer Virusprävalenz entsteht.

Also ist es ganz natürlich, dass man durch das verstärkte Testen der Ungeimpften einfach mehr Fälle findet. Dieses „positive Grundrauschen“ des Tests kommt bei Geimpften nicht vor, weil die sich zumeist nicht testen lassen müssen. Bei 3G kann der Geimpfte ja überall hinein, ohne das berühmte Stäbchen in die Nase zu bekommen.

Jetzt kann man natürlich denken, dass dies auf die Krankenhäuser ja keinen Einfluss haben kann, weil da ja alle Patienten und Besucher Eintrittstests machen müssen. Die Mitarbeiter werden, sofern sie keine Impfung haben, regelmäßig getestet. Der SWR berichtet über die baden-württembergische Hauptstadt zum Beispiel: „Für Beschäftigte, die keinen Impfschutz haben, gibt es am Klinikum Stuttgart jeden Arbeitstag einen Schnelltest, am Marienhospital jeden zweiten Tag einen PCR-Test. Diese beiden Möglichkeiten sieht die Corona-Verordnung des Landes vor.“

„Ein Intensivpatient mit einem Herzinfarkt, der symptomlos positiv auf Covid-19 getestet wird, zählt genauso wie ein Patient, der aufgrund von Covid-19 auf der Intensivstation liegt.“

Das folgt im Wesentlichen auch der Empfehlung des RKI, „in der Versorgung tätiges Personal, in Abhängigkeit vom jeweiligen Testkonzept der Einrichtung bzw. des Unternehmens regelmäßig zu testen. […] Für vollständig geimpftes oder genesenes Personal kann die Frequenz der Testung reduziert werden.“ Wahrscheinlich ist, dass die Krankenhäuser die Regeln, die für die Mitarbeiter gelten, eben auch auf die Patienten anwenden. Das bedeutet: Testregime für Ungeimpfte, und die Geimpften kommen, bis auf den Eintrittstest, ohne Tests aus.

Wenn dem so ist, dann haben wir denselben Bias auch in Krankenhäusern und es ist logisch, dass auch dort mehr Covid-19-Fälle bei den Ungeimpften gefunden werden als bei den Geimpften. Denn für die Bettenbelegung zählt man ja alle Menschen mit positivem Test und nicht nur die, die wegen Covid-19 im Krankenhaus liegen. Das bedeutet: Ein Intensivpatient mit einem Herzinfarkt, der symptomlos positiv auf Covid-19 getestet wird, zählt genauso wie ein Patient, der aufgrund von Covid-19 auf der Intensivstation liegt.

Doch auch bei der Zählung von Impfdurchbrüchen misst man mit zweierlei Maß – freilich ohne es groß zu kommunizieren. Sehr gut illustriert das diese Grafik:

Abb. 2: Zählung von Corona-Fällen, Quelle: Tweet von Henning Rosenbusch

Der Tweet zeigt die Doppelstandards des RKI. Denn dieses zählt Impfdurchbrüche anders als „normale“ Fälle. Der normale Fall wird dann gezählt, wenn es einfach nur einen positiven Test gibt. Das reicht schon. Ganz anders ist es beim Impfdurchbruch. Das RKI definiert diesen wie folgt: „Ein Impfdurchbruch liegt vor, wenn bei einer vollständig geimpften Person eine PCR-bestätigte SARS-CoV-2 Infektion mit Symptomatik festgestellt wird.“

Diese Definition eines Impfdurchbruchs ist nicht falsch. Der Fehler besteht darin, dass bei Ungeimpften mit einem anderen, falschen Maß gemessen wird. Ein großer Teil der Covid-19-Fälle verläuft ohne jede Symptomatik – der fließt bei Ungeimpften in die Statistik ein, bei Geimpften nicht.

Brechen wir das mal auf ein konkretes Beispiel herunter: Zwei Männer werden mit Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert. Beim Test auf SARS-CoV-2 sind beide positiv, aber sie sind symptomlos. Einer ist geimpft, der andere nicht. Damit zählt der Nachweis von SARS-CoV-2 beim Geimpften überhaupt nicht und er wird in keiner Statistik auftauchen. Beim Ungeimpften fließt der aber sehr wohl in die Statistik ein. Beide hatten aber nie Covid-19-typische Krankheitssymptome, waren vom klinischen Erscheinungsbild her absolut identisch.

„Als wesentliche Wirkung dieser G-Unterscheidung bleibt nur eine Verzerrung der Daten.“

Ob 3G, 2G oder 1G – zum Infektionsschutz ist dies nicht geeignet. Das geht auch aus einer kleinen Anfrage des FDP-Politikers Wolfgang Kubicki hervor, aus der er folgert: „Die staatliche Ausgrenzung von Ungeimpften hat […] keine infektionsrechtliche Grundlage.“ Letztendlich hat die Regierung hier ihre eigene Bankrotterklärung abgegeben.

Mehr oder weniger offen geht man mit der Begründung der Zwei-Klassen-Gesellschaft um: es geht darum, dass man so die „Impfunwilligen“ zur Nadel bringen möchte. Keiner scheint sich dabei die Frage zu stellen, ob das überhaupt funktioniert, ob mehr Zwang zu höheren Impfquoten führt. Der Fall Spanien z.B. und eine jüngst erschienene Studie legen nahe, dass ohne Druck eine höhere Impfmotivation erreicht werden kann. Das zeigen die Studienautoren unter anderem an Israel, deren grüne Pässe sich auch Deutschland zum Vorbild genommen hat.

Als wesentliche Wirkung dieser G-Unterscheidung bleibt somit nur eine Verzerrung der Daten. Die Ungleichbehandlung sorgt sogar für blinde Flecken in der Datenlage. Wir haben zum Beispiel nur unvollständige Daten zu Impfdurchbrüchen. Auch dies könnte erwünscht sein.

„Impfung dient dem Selbstschutz und nicht dem Fremdschutz. Sich impfen zu lassen, ist kein Akt der Solidarität.“

In der Wissenschaft gilt eine These – und das ist die „Pandemie der Ungeimpften“ – dann als bewiesen, wenn sie hinreichend belegt ist. Die Daten unter einem Regime der G-Unterscheidung können aber nicht mal theoretisch zum Nachweis hinreichende Daten liefern, weil – im Wortsinne – mit zweierlei Maß gemessen wird. Ohne diese Unterscheidung nämlich – und das sieht man am Beispiel Israel eben sehr gut – gibt es diese Pandemie der Ungeimpften nicht. Dazu muss man sich nur die eingangs verlinkte Grafik anschauen: Im Juli ohne 3G sehen wir noch keine Pandemie der Ungeimpften. Dann wird 3G Ende des Monats eingeführt, und im August dann sehen wir diese – durch die oben beschriebene Schlagseite der Datenermittlung – plötzlich diese angebliche Pandemie der Ungeimpften, die dann auch von den Medien aufgegriffen wurde und mit der man jetzt die Drittimpfung als notwendig propagieren will.

Die angebliche Pandemie der Ungeimpften ist nicht hinreichend belegt und damit auch nicht existent. Sie ist eine Illusion aus absichtlich so erhobenen Daten, damit eben dieses Ergebnis rauskommt. Das ist ein alter Trick in der Politik: Man schlussfolgert aus scheinbar objektiven Daten, deren Sammlung man allerdings bereits so arrangiert hat, dass das gewünschte Ergebnis erzielt wird.

Die Impfung bietet offenbar Schutz vor schweren Verläufen, sie scheint aber kaum Einfluss auf die Ausbreitung des Virus zu haben. Impfung dient dem Selbstschutz und nicht dem Fremdschutz. Sich impfen zu lassen, ist kein Akt der Solidarität. Und die Dämonisierung von Ungeimpften ist ziemlich unappetitliche Propaganda.

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