19.06.2015

Britische Arbeiter und der amerikanische Bürgerkrieg

Rezension von Sabine Beppler-Spahl

Der Amerikanische Bürgerkrieg hat das Ende der Sklaverei im Westen besiegelt. James Heartfield erläutert in British Workers & the US Civil War, wie die britische Arbeiterklasse gegen die Sklaverei kämpfte. Das Werk enthüllt überraschende Zusammenhänge

Karl Marx gelangte zu folgendem Urteil über die europäische Haltung zum Amerikanischen Bürgerkrieg: „Nicht die Weisheit der herrschenden Klassen, sondern der heroische Widerstand der englischen Arbeiterklasse gegen ihre verbrecherische Torheit bewahrte den Westen Europas vor einer transatlantischen Kreuzfahrt für die Verewigung und Propaganda der Sklaverei.“ 1

Vor 150 Jahren, im Frühsommer 1865, endete in Amerika ein Krieg, bei dem es um Freiheit und Sklaverei ging. Viele kennen die Geschichte dieses „Bruderkampfs“ zwischen Nord und Süd, dem über eine Million Menschen zum Opfer fielen. Weniger bekannt ist, welch entscheidende Auswirkungen er auf die Geschichte Europas hatte, und welche Rolle die britische Arbeiterklasse dabei spielte. Der Soziologe und Autor James Heartfield hat ein kleines Buch namens British Workers & the US Civil War: How Karl Marx and the Lancashire Weavers Joined Abraham Lincoln’s Fight Against Slavery veröffentlicht, in dem er beschreibt, wer in Europa für Freiheit und gegen die Sklaverei eintrat. Es ist eine Geschichte des Klassenkampfes und der Solidarität.

Sie beginnt mit der berühmten Emanzipations-Proklamation Abraham Lincolns vom 1. Januar 1863, in der der Präsident das Ende der Sklaverei bekundete. Diese Proklamation, so Heartfield, war der Wendepunkt des Kriegs. Sie ermutigte die Sklaven im Aufstand gegen ihre Besitzer und gab der Armee des Nordens das Ideal, das sie brauchte, um für den Sieg zu kämpfen.

„Die große Mehrheit des englischen Parlaments stand auf der Seite der Sklavenbesitzer“

In Großbritannien, der ehemaligen Kolonialmacht, aber auch im Rest Europas, wurden die Ereignisse auf der anderen Seite des Atlantiks genau verfolgt. Der britische Premier Lord Palmerston und Frankreichs Louis Napoleon warben für eine militärische Unterstützung des Südens.

Die große Mehrheit des englischen Parlaments und der bürgerlichen Presse Großbritanniens standen auf der Seite der Sklavenbesitzer. Zum einen waren die Webereien als Hauptexportindustrie des Landes von den Baumwollplantagen des amerikanischen Südens abhängig. Zum anderen stieß die Freiheitsbotschaft Lincolns auf Ablehnung. Wegen der eigenen kolonialen Ambitionen hatte die Regierung kein Interesse an einer Debatte über Bürgerrechte für Schwarze. Hinzu kam die Hoffnung, der Krieg würde Amerika schwächen und wieder für britischen Einfluss öffnen.

Lord Brougham, der Jahre zuvor noch die Sklavenhaltung kritisiert hatte, war der Meinung, dass Lincoln, um eine Rasse zu befreien, die Ausrottung einer anderen (der weißen) in Kauf nehme. Selbst der Bischof von Oxford, Samuel Wilberforce (dessen Vater noch ein bekannter Gegner der Sklaverei gewesen war), sprach sich für ein Eintreten gegen den Norden Amerikas aus.

Doch nicht die Irrungen der Herrschenden stehen im Zentrum des Buchs, sondern die Haltung der britischen Arbeiterklasse. Dieser Teil der Geschichte beginnt wenige Monate nach Lincolns Proklamation mit einer Versammlung in London, zu deren Initiatoren auch Karl Marx gehörte. Marx hatte schon im Oktober 1861 in der österreichischen Zeitung Die Presse geschrieben, dass der Krieg die Frage stelle, ob sich zukünftig 20 Millionen freier Menschen der Diktatur von 300.000 Sklavenbesitzern beugen sollten.

„Indem sie für die Freiheit der Sklaven eintrat, hat die Arbeiterklasse auch für ihre eigenen Rechte gekämpft“

Die Forderung nach einem Eingreifen Großbritanniens wurde besonders im industriellen Lancashire, wo zahlreiche Menschen ihre Arbeit verloren hatten und sich die Angst vor einer „Baumwollhungersnot“ verbreitete, kontrovers debattiert. Männer wie Mortimer Grimshaw, ein bekannter Arbeiterführer, schlugen sich auf die Seite des Südens. Grimshaw protestierte gegen die Londoner Versammlung mit der Frage, ob sechs Millionen Textilarbeiter leiden sollten, nur um vier Millionen Neger zu befreien. Die Rede war von „teleskopischen Philanthropen“, die sich mehr um die Schwarzen aus der Karibik sorgten als um die Arbeitssklaven der heimischen Industrie.

Dass am Ende dennoch eine große Mehrheit der Arbeiter gegen die Sklaverei eintrat, war der Überzeugungskraft und Energie der Gegenseite zu verdanken. Zu Beginn der Auseinandersetzungen, um 1861, sei die britische Arbeiterschaft schlecht organisiert gewesen. Der Krieg aber habe zur Mobilisierung beigetragen. Langsam zeigte sich, wer für den Süden eintrat und warum.

Als im Herbst 1862 eine weitere Versammlung in Manchester stattfand, kamen über 6000 Menschen, um, wie es hieß, dem Norden die Hand zu reichen und an der Ehrenhaftigkeit des Anliegens der Sklavenbefreiung teilzuhaben. Den Unterstützern des Südens gehe es nicht um das Wohl der Textilarbeiter, war die Botschaft an die Arbeiter. Es seien die gleichen Interessengruppen, die auch in Großbritannien der arbeitenden Bevölkerung das Wahlrecht vorenthielten. Deswegen, so das Fazit, sei ein Sieg des Nordens auch ein starkes Zeichen für das Wahlrecht in Großbritannien.

Im Anschluss an diese Versammlung wurde die „Union Emancipation Society“ gegründet, die für das Ende der Sklaverei sowie das Wahlrecht eintrat. Unterstützt wurde sie nicht nur von Arbeitern, sondern auch von prominenten Mitgliedern der liberalen Mittelschicht wie z.B.  John Stuart Mill.

„James Heartfields Buch steckt voller Überraschungen und bewegender Zitate“

Als Karl Marx 1864 sagte, dass es die Arbeiterklasse war, die Europa davor bewahrt habe, in einen Kreuzzug für die Sklaverei einzutreten, sei dies keine leere Rhetorik gewesen, schreibt Heartfield. Die Anerkennung des Südens hätte den Norden geschwächt und Lincoln zu einem Kompromiss mit dem Süden gezwungen. Mit der Entstehung einer Sklavenhochburg in Amerika (neben der Sklavenrepublik Kuba) wäre die Geschichte um 100 Jahre zurückgeworfen worden. Ohne den Widerstand der Mehrheit der Arbeiter wäre die Geschichte anders verlaufen. Doch der Kurs der Geschichte habe sich nicht nur für Amerika geändert, sondern für auch für die Arbeiterklasse selbst, meint Heartfield. Indem sie für die Freiheit der Sklaven eintrat, habe sie auch für ihre eigenen Rechte gekämpft. Zwei Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs erhielten alle männlichen Haushaltsvorsteher das Wahlrecht (Frauen mussten weiter warten).

James Heartfields Darstellung steckt voller Überraschungen und bewegender Zitate. Dazu gehört das Dankschreiben Abraham Lincolns an die englischen Weber. Wer sich für Geschichte interessiert und an die Überzeugungskraft von Ideen glaubt, wird Freude an diesem Büchlein haben!

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