28.07.2025
Zehn Jahre Flüchtlingskrise
Deutschlands Nazi-Vergangenheit wurde instrumentalisiert, um die Politik in der Flüchtlingskrise von 2015 zu rechtfertigen. Manche kritischen Stimmen von damals haben Recht behalten.
Im Sommer 2015 erlebte Deutschland eine Flüchtlingskrise, die das Land nachhaltig veränderte und tief spaltete. Zehn Jahre später lohnt es sich, zurückzublicken – nicht nur auf die politischen Entscheidungen, sondern auch auf die Art und Weise, wie das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte bewusst eingesetzt wurde, um diese Entscheidungen zu rechtfertigen. Insbesondere Deutschlands NS-Vergangenheit wurde dabei zu einem politischen Instrument umgedeutet – mit teils schwerwiegenden Folgen für die gesellschaftliche Debatte.
Von Beginn an wurde Geschichte eingesetzt, um den massiven Zustrom – bis Ende 2015 über eine Million Menschen – moralisch zu legitimieren. Die internationale Presse griff diese Erzählung auf. Die amerikanische Zeitschrift The Atlantic schrieb im September 2015, Deutschland und Kanzlerin Angela Merkel hätten einen der schnellsten Imagewechsel der jüngeren Geschichte vollzogen. Noch im gleichen Jahr hatte der Spiegel Merkel in einer Fotomontage als Nazi-Kommandantin auf der Akropolis dargestellt – Sinnbild der Ablehnung deutscher Dominanz in Südeuropa während der Euro-Krise. Doch im Herbst desselben Jahres galt Berlin plötzlich als moralischer Leuchtturm.
Im selben Artikel zitierte The Atlantic die Politikwissenschaftlerin Petra Bendel: „Die Bürger in Deutschland wissen, dass die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention auf den historischen Erfahrungen mit jüdischen Flüchtlingen vor dem Holocaust beruhen.“ Eine historisch aufgeladene Behauptung – doch sie spiegelte keineswegs die Stimmung im gesamten Land wider.
Denn schon im Herbst 2015 machte sich in weiten Teilen der Bevölkerung ein Gefühl von Kontrollverlust breit. Viele Menschen fühlten sich übergangen. Gemeinden ächzten unter der Belastung. In Berlin stand das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) kurz vor dem Kollaps. Die Polizei musste das Gebäude zwischenzeitlich sichern, um Tumulte zu verhindern. Die New York Times sprach von Zuständen „zwischen chaotisch und gefährlich“. Im September trat der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zurück – für viele ein stiller Protest gegen die „Politik der offenen Grenzen“. Im November bezifferte das ifo-Institut die Kosten der Zuwanderung allein für 2015 auf über 21 Milliarden Euro. Im Dezember befürchteten die Behörden, dass zahlreiche Schulsporthallen wegen der Umnutzung zu Flüchtlingsunterkünften noch für Monate unbenutzbar bleiben würden.
„Statt sich der Kritik zu stellen, wurde der moralische Druck erhöht.“
Mit wachsendem Druck auf die Regierung wurde die moralische Argumentation noch stärker betont. Merkel sagte auf einer Pressekonferenz im September 2015: „Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.“
Zeitungen wie die Zeit erinnerten an das Schicksal jüdischer Flüchtlinge in den 1930er-Jahren – und forderten implizit, man solle syrische und afghanische Geflüchtete nicht dasselbe Schicksal erleiden lassen. Wer widersprach, geriet schnell in den Verdacht moralischer Kälte – oder schlimmer: historischer Verantwortungslosigkeit.
Doch bereits wenige Jahre später zeigte sich, wie brüchig viele Annahmen von 2015 waren. Die Integration in den Arbeitsmarkt verlief zäh: Selbst 2023 hatten laut Bundesagentur für Arbeit nur 64 Prozent der Geflüchteten von 2015 eine Beschäftigung. Islamisten nutzten die Lage, um Terroristen einzuschleusen – wie der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, bereits 2016 warnte. Ein Lagebericht der Polizei 2017 dokumentierte einen Anstieg schwerer Sexualdelikte – darunter auch der Mord an einem 14-jährigen jüdischen Mädchen durch einen 2015 eingereisten Täter.
Statt sich der Kritik zu stellen, wurde der moralische Druck erhöht. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble erklärte am Holocaust-Gedenktag 2018, man müsse sich jedem Ausschluss aufgrund von Herkunft entgegenstellen – eine deutliche Spitze gegen die AfD, die seit 2017 im Bundestag saß. Holocaust-Überlebende Anita Lasker-Wallfisch nannte die Aufnahme der Flüchtlinge eine „unglaublich generöse, menschliche und mutige Geste“.
Zweifellos wirkten solche Botschaften stark – insbesondere auf eine Gesellschaft, die von der Schuld ihrer Vorfahren geprägt ist. Doch sie waren auch manipulativ. Wer sich dagegen wehrte, wurde diffamiert – und hatte dennoch recht: Viele der Ankommenden waren junge, alleinstehende Männer – nicht die am meisten gefährdete Bevölkerungsgruppe. Der amerikanische Publizist James Kirchick schrieb in der F.A.Z., dass viele Syrer nicht aus Lebensgefahr flüchteten, sondern aus sicheren Lagern in Jordanien, dem Libanon oder der Türkei – Lagern, die zwar problematisch, aber mit Auschwitz nicht zu vergleichen waren.
„Statt die Erinnerung wachzuhalten, wurde sie korrumpiert – missbraucht, um legitime Debatten zu unterdrücken.“
Tatsächlich stellen solche Parallelen eine abstoßende Relativierung des Holocaust dar. Kirchick wies auch auf ein weiteres Tabu hin: 1939 existierte kein Israel. Heute jedoch gäbe es zahlreiche wohlhabende muslimische Staaten im Nahen Osten, die sich zumeist weigerten, Flüchtlinge aufzunehmen oder auch nur einen Finger für ihre vom Bürgerkrieg bedrängten Brüder und Schwester zu rühren.
Zehn Jahre später erscheint die Gleichsetzung „syrischer Flüchtling = verfolgter Jude“ besonders verstörend. Studien des Historikers Günther Jikeli zeigen, dass viele Geflüchtete einen ausgeprägten Antisemitismus mitbrachten. Die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik erklärte im November 2023, dass Juden und Homosexuelle in bestimmten Stadtteilen nicht mehr sicher seien. In Bezirken mit hoher Zahl arabischstämmiger Bewohner zeige sich offene Judenfeindlichkeit – oft gepaart mit Sympathien für Terrorgruppen. Im Oktober 2023 feierten viele dieser Menschen die Massaker der Hamas.
Die Flüchtlingskrise von 2015 war weitgehend unkoordiniert, die politische Reaktion improvisiert. Doch sie wurde begleitet von einem Sendungsbewusstsein: Die deutsche Elite sonnte sich im Applaus linksliberaler Medien weltweit. Offenheit galt als moralisches Gebot – und wer sie infrage stellte, als rückständig oder gar gefährlich.
Doch eines der schwerwiegendsten moralischen Vergehen war der Missbrauch der Erinnerung an den Holocaust. Was ursprünglich Mahnung war, wurde zum politischen Kampfbegriff umgedeutet – ein Werkzeug der moralischen Erpressung. James Kirchick nennt das „politische Boshaftigkeit“. Statt die Erinnerung wachzuhalten, wurde sie korrumpiert – missbraucht, um legitime Debatten zu unterdrücken. Die Folgen dieser Strategie wirken bis heute nach – als Mahnung, dass selbst die heiligsten historischen Wahrheiten zur Waffe werden können, wenn sie in den Dienst der Ideologie gestellt werden.