16.05.2022
Wie gut können unsere Minister Geschlechtergerechtigkeit?
Von Thilo Spahl
Eine Momentaufnahme der Gendersprache im Bundestag am 11. und 12. Mai 2022.
Wie klappt es eigentlich mit dem Umgang mit Sexus und Genus in den Reden unserer Kabinettsmitglieder (m/w/d)? Wir haben einmal reingehört.
Gut erholt zurück vom Urlaub am nordfriesischen Antennenfeld, verdeutlicht Verteidigungsministerin Lambrecht sehr geschickt, dass Frauen bei uns schon, bei den Afrikanern aber offenbar nicht zum Militär dürfen: „Rund 16.000 Soldaten aus Mali hat die Bundeswehr bisher ausgebildet. Es sollten 16.000 Hoffnungsträger sein, 16.000 Soldaten, die in Zukunft selbst für die Sicherheit und Stabilität in ihrem Land sorgen können. Unsere Soldatinnen und Soldaten nahmen genau für diese Aufgabe viel, viel auf sich. Sie schulten Pioniere und Infanteristen, vermittelten das nötige Handwerkszeug und Grundkenntnisse des humanitären Völkerrechts.“ Die Männlichkeit der Afrikaner variiert sie: Soldaten, Hoffnungsträger, Pioniere und Infanteristen. Da muss jedem klar werden, dass hier die weibliche Form nicht vergessen wurde. Dafür wird uns dreimal gesagt, dass es 16.000 sind – und keine einzige Frau – ein starkes Stück! Umso wichtiger war es, zu betonen, dass diese 16.000 schwarzen Männer von unseren Soldatinnen ins Kriegshandwerk eingewiesen wurden. Und nicht nur das: Man hat ihnen auch noch ein wenig von der Kernkompetenz der Außenministerin mitgegeben. Nichts zu Kompliziertes, aber immerhin „Grundkenntnisse“. Im Weiteren widmet sich Lambrecht der dunklen Seite des Kriegs: den „malischen Machthabern“ und den „russischen Söldnern“. So weit, so klar, so männlich. Aber dann wird es ein wenig verwirrend. Wie kommt es, dass die Truppe von „600 auf jetzt 300 Soldatinnen und Soldaten reduziert“ wird, im nächsten Satz die Frauen aber abhandenkommen und damit „weiterhin noch 300 Soldaten vorgesehen“ sind? Und noch eine Schwäche: Im Satz „Die Regierung in Niger ist ein verlässlicher Partner“ vergibt sie die Chance, „Partnerin“ zu schreiben. Das wäre angemessen, schließlich ist „die Regierung“ ja weiblich.
Auch beim Arbeitsminister zeigt sich, dass man Fragen aufwirft, wenn man es an Konsequenz mangeln lässt. Was will uns Hubertus Heil mitteilen, wenn er in seiner Rede alle darin vorkommenden Menschen geschlechtsneutral formuliert (Kolleginnen und Kollegen, Grundsicherungsbezieherinnen und -bezieher, Menschen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner, Geflüchtete) und nur bei den „Asylbewerbern“ darauf verzichtet? Ziemlich sicher gar nichts. Er hat halt nur an einer Stelle nicht aufgepasst. Aber weiß man’s?
Marco Buschmann drückt sich klar aus: Er startet in seiner Rede zwar mit vermeintlich rein männlichen „Nazitätern“ und „Kriegsverbrechern“, zeigt aber dann mit „europäischen Partnern“, den „Freunden in der Schweiz“ und den „Zeugen schrecklicher Verbrechen“, dass er zu den wenigen Politikern zählt, die noch das generische Maskulinum zu nutzen gewillt sind. Lediglich bei den „deutschsprachigen Justizministerinnen und Justizministern“ werden die weiblichen Vertreter eigens markiert, wohl um die Abgeordneten des Deutschen Bundestags darauf aufmerksam zu machen, dass seine Schweizer Kollegin Karin Keller-Sutter und seine österreichische Kollegin Alma Zadić keine Männer sind. Die Österreicher sind uns bei der Sichtbarmachung des Geschlechts noch voraus, lerne ich bei der Gelegenheit. Hier kommt sogar eine hochmoderne Konstruktion zur Markierung des Geschlechts des Doktortitels zum Einsatz: Man schreibt „Dr.in Alma Zadić“.
„Der Begriff ‚Rinder' wäre hier die bessere Wahl gewesen.“
Cem Özdemir spricht vorwiegend von Menschen. (Da schwingt ein bisschen Speziesismus mit. Aber sei’s drum!) Aber er kann auch Zweigeschlechtlichkeit: In Stuttgart werde er bald mit den „Agrarministerinnen und Agrarministern der G7“ sprechen. Das hat er gut gemacht, sollte man denken, denn es sind tatsächlich zwei Damen mit von der Partie, wie wir auf diesem Foto klar erkennen können: Marie-Claude Bibeau aus Kanada (mit rotem Blazer) und eine weitere Dame, deren Identität ich auf die Schnelle nicht ermitteln konnte. Allerdings ist es offenbar keine Ministerin, denn in Deutschland, den USA, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan ist das Ressort männlich besetzt. Insofern lag Herr Özdemir mit seinem Plural dann doch nicht ganz richtig. Aber was hätte er sagen sollen: „… mit der Agrarministerin und den Agrarministern der G7“?! Das hätte nur für Verwirrung gesorgt. Weiter geht es mit den „liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union“ – kein Problem. Und wir erfahren, dass „60 Prozent des Getreides von Kühen, Schweinen und Hühnern“ gefressen werde. Hm, was ist mit Stieren? Was mit Ochsen? (Agender, nichtbinär??) Der Begriff „Rinder“ wäre hier die bessere Wahl gewesen. Weiter geht es vorschriftsmäßig gendergerecht mit „Bäuerinnen und Bauern“. Özdemir fällt nicht auf die bevorzugte Selbstbezeichnung deutscher Bäuerinnen, „Landwirt“, herein. Dann aber ein kleiner Patzer: Er will, dass „unsere Bauern mehr Weizen“ produzieren können. Was ist mit den Bäuerinnen? Traut er denen nicht zu, fette Traktoren und Mähdrescher zu bändigen? Sollen jetzt, wo es kritisch wird, allein die Männer die Welternährung stemmen? Nicht ganz. Kommt simpleres Gerät zum Einsatz geht es dann wieder zweigeschlechtlich: Die „Kleinbäuerinnen und Kleinbauern vor Ort sichern die weltweite Ernährung“. Am Schluss punktet er nochmal: „Die Landwirtinnen und Landwirte in diesem Land verdienen Besseres“, vergisst aber den Satz korrekt mit „…als einen kompletten Dödel als Landwirtschaftsminister.“ zu Ende zu bringen.
Annalena Baerbock redet auch zum Thema Mali. Und im Namen der „feminist foreign policy“ macht sie es geschlechtermäßig sehr gut: Es geht um „Kolleginnen und Kollegen“, um „Soldatinnen und Soldaten“ und sogar, rhetorisch ausgefeilt, um „diese Frauen, diese Männer, diese Väter, diese Mütter“. Dass sie den „terroristischen Schergen“ keine „Scherginnen“ und den „Truppenstellern“ keine „Truppenstellerinnen“ zur Seite stellt, sei ihr verziehen. Das würde wirklich bescheuert klingen. Das gilt ebenso für „islamistische Kämpfer“. Allerdings hätte sie auch bei den „Bündnispartnerinnen und Bündnispartnern“ auf die Zweigeschlechtlichkeit verzichten können – La France hin und Le Sénégal her. Vor allem, wenn ihr dann gleich danach die bis dahin so sorgsam sichtbar gemachten Soldatinnen abhandenkommen, als sie vorschlägt „personell von 1.100 Soldaten auf 1.400“ aufzustocken. Aber sie hat es wahrscheinlich beim Sprechen gemerkt und dafür gleich zwei Sätze hintereinander mit „Soldatinnen und Soldaten“ nachgeschoben. (In der Zeitung „Das Parlament“ geht man noch etwas weiter. Hier ist von „1700 Soldatinnen“ in Mali die Rede, es wird also imaginiert, dass unsere Truppe dort rein weiblich ist)
Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger kommt durch ihre Rede zur BAFöG-Reform wunderbar geschlechtsneutral durch. Wäre da nicht folgender Aussetzer mit gleich dreimal „er“ in einem Satz: „Denn niemand kann sich aussuchen, woher er kommt; aber er soll sich aussuchen können, wohin er geht.“ Hallo! Gibt’s jetzt nur noch BAFöG für Männer?! So geht es nicht. Zugegeben, der Satz stellt eine Herausforderung dar. Aber wenn man sich ein wenig Mühe gibt, ist das doch machbar. Sogar mit „er/sie“-Vermeidung. Korrekt und sogar etwa emphatischer wäre gewesen: „Denn, wenn schon all die jungen Menschen sich nicht aussuchen können, woher sie kommen; so wollen wir es uns doch zum Anliegen machen, dass sie sich aussuchen können, wohin sie gehen.“ So reicht es dann nur für eine Drei Minus.
Als Musterschüler erweist sich einmal mehr Robert Habeck. Er kommt mühelos durch seine Rede, indem er Männer und Frauen und Nicht-Männer und Nicht-Frauen umschifft und lediglich „Menschen“ und ein vielfaches „wir“ zum Einsatz bringt: „Wir monitoren, wir haben uns vorbereitet, wir unternehmen, wir diskutieren, wir sind in Zukunft energiesicher, wir dürfen nicht verlieren, wir haben die Chance, wir tun, wir legen vor, wir werden senken, wir werden anheben, wir richten neu aus, wir heben an, wir nutzen, wir sorgen dafür, wir schützen, wir gewinnen, wir bauen auf, wir schaffen damit auch die Zukunft für den Wohlstand in diesem Land.“ Und als Zugabe schenkt er uns noch einen Novellentitel: „Gazprom und ihre Töchter“. Wer kann, der/die kann.