29.02.2016
Wie gesund ist bio?
Kommentar von Thilo Spahl
Eine neue Studie soll die Überlegenheit von Bio-Milch demonstrieren. Das gelingt ihr jedoch nicht. „Grünlandmilch“ enthält zwar mehr Omega-3-Fettsäuren, aber die Bewirtschaftungsform spielt dabei keine Rolle. Der Nutzen von Omega-3-Fettsäuren ist umstritten
Seit Jahrzehnten versuchen Verfechter einer ökologischen Landwirtschaft zu belegen, dass Bioprodukte gesünder seien als konventionell hergestellte. Bisher ohne Erfolg. Aus Sicht der Wissenschaft gibt es keine nennenswerten Unterschiede, mit denen gesundheitliche Vorteile begründet werden könnten. Das zeigen große Metaanalysen wie diese 1 und diese 2.
Nun haben Forscher unter der Leitung von Carlo Leifert, der an der Universität Newcastle ökologische Landwirtschaft lehrt, einen neuen Versuch unternommen und behaupten, Milch und Rindfleisch aus Biobetrieben seien besser für unsere Gesundheit. Bei Spiegel Online erfahren wir, dass „tierische Bioprodukte eine deutlich gesündere Fettbilanz als ihre konventionellen Pendants“ enthalten. 3 Speziell geht es um den höheren Gehalt an Omega-3-Fettsäuren und konjugierten Linolsäuren (CLA). Nicht so genau hingeschaut hat die Augsburger Allgemeine. 4 Dort lesen wir unter anderem: „Zum Beispiel fanden die Forscher in der Bio-Milch mehr Jod.“ Tatsächlich wurde genau das Gegenteil festgestellt. Konventionelle Milch enthält 74 Prozent mehr Jod als Bio-Milch. Ebenso schnitt Bio-Milch schlechter bei Selen ab, dafür etwas besser bei Vitamin E und Eisen. Doch bleiben wir bei den Fettsäuren. Denn auf sie stützt sich letztlich der behauptete Vorteil.
Carlo Leifert und seine Kollegen haben 196 Studien über Milch 5 und 67 über Fleisch 6 ausgewertet und sind zu einem Ergebnis gekommen, das eigentlich lange bekannt ist, da diese Studien ja nicht neu waren. Der wesentliche Befund, dass Bio-Milch und Biofleisch bei Omega-3-Fettsäuren besser abschneiden, war auch bisher nicht strittig. Der Unterschied ergibt sich, leicht nachvollziehbar, aus der unterschiedlichen Zusammensetzung des Futters. Bio-Kühe essen durchschnittlich mehr Gras und genau daher stammen auch die ungesättigten Omega-3-Fettsäuren. Das ist in der Milchwirtschaft lange bekannt.
„Man hätte sich die 500.000 Euro für die Studie, die die EU und eine britische Öko-Stiftung bezahlt haben, sparen können“
Eine Milch mit hohen Gehalten an Omega-3-Fettsäuren und CLAs wird dort allerdings nicht als „Bio-Milch“ bezeichnet, sondern als „Grünlandmilch“. 7 Sie kann durch den Verzicht auf Silomais und die Begrenzung der Kraftfuttergaben erzeugt werden. Grundsätzlich ist es unerheblich, in welcher Form das Gras verfüttert wird (Weide, Eingrasen, Silage, Heu). Gegenüber Milch aus Ackerbauregionen mit hohen Mais- und Kraftfutteranteilen in der Ration erreichen Grünlandbetriebe mit einer hohen Grundfutterleistung sogar doppelt bis dreifach höhere Gehalte an Omega-3-Fettsäuren und CLAs. Dabei ist die Bewirtschaftungsform (bio oder konventionell) unerheblich.
„Wir haben eindeutig gezeigt, dass sich die Zusammensetzung von ökologisch angebauten und konventionellen Lebensmitteln unterscheidet“, konstatierte Leifert. Mehr als diese bekannte Tatsache konnten die Forscher auch nicht zeigen, denn sie haben Studien zur Zusammensetzung der Milch ausgewertet. Ob die Bio-Milch gesünder ist als konventionelle Milch, ist eine ganz andere Frage. Man hätte sich die 500.000 Euro für die Studie, die die EU und eine britische Öko-Stiftung (Sheepdrove Trust) bezahlt haben, also sparen können.
Von Omega-3-Fettsäuren wird vor allem behauptet, sie senkten das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Lebensmittelindustrie hat daraus einen Trend kreiert und bietet allerlei Produkte an, die mit Omega-3-Fettsäuren angereichert sind: Eier, Brot, Energiedrinks, Babynahrung usw. und natürlich auch Omega-3-Fischöl-Kapseln zum Schlucken. Ob das wirklich einen gesundheitlichen Vorteil bringt, ist umstritten. Hier gilt, was für fast alle Fragen hinsichtlich gesunder Ernährung gilt: Man weiß es nicht so genau. Es scheint schlicht nicht möglich, einzelnen Nahrungsbestandteilen pauschal eine gesundheitsförderliche Wirkung zuzuschreiben. Statt zu versuchen, unser Essen mit allerlei Substanzen zu pimpen, sollten wir uns daher einfach am Ideal der guten alten gesunden Mischkost orientieren. Mehr gibt der Stand der Wissenschaft heute nicht her.
Aber nehmen wir einmal an, Omega-3-Fettsäuren haben tatsächlich einen schützenden Effekt. Dann wäre es naheliegend, zu schauen, in welchen Lebensmitteln viele von diesen Fettsäuren enthalten sind. Ganz oben auf der Liste stehen fettreiche Kaltwasserfische wie Lachs, Makrele, Hering, Thunfisch und Sardine. Daher die verbreitete Empfehlung, zweimal die Woche Fisch zu essen. Fisch enthält wirklich substanzielle Mengen, Milch jedoch nicht, auch nicht Bio-Milch. 100 Gramm Lachs enthalten 60- bis 90-mal mehr Omega-3-Fettsäuren, als man durch das Trinken von 200 Milliliter Bio-Milch an zusätzlichem Omega-3-Fettsäuregehalt gegenüber konventioneller Vollmilch zu sich nimmt. Der Beitrag fettarmer Milch zur Omega-3-Versorgung ist vollends vernachlässigbar. Wir haben es also mit einem sehr, sehr kleinen Vorteil zu tun. Schwerer ins Gewicht fällt da schon eher der 43 Prozent geringere Jodgehalt, denn Milchprodukte sind in unserer Nahrung die wichtigste Jodquelle (abgesehen von zugefügtem Jod, etwa in Jod-Salz).
„Der Ökolandbau leistet weder zur Sicherung der Welternährung noch zur Bekämpfung der Mangelernährung einen Beitrag“
Das Bemühen, Bioware mit Verweis auf höheren Gehalt an Omega-3-Fettsäuren oder Antioxidantien, wie von Leifert in einer anderen Studie 2014 dargestellt, anzupreisen, erinnert ein wenig an Bemühungen im Bereich der Gentechnik, wo man lange gehört hat, der Durchbruch bei der Verbraucherakzeptanz werde kommen, wenn die gesundheitsbewussten, westlichen Verbraucher einen Zusatznutzen durch genau die gleichen Unterschiede (nur diesmal mit Hilfe von Gentechnik erreicht) geboten werden könne. Erste gentechnisch veränderte Sojabohnen mit höherem Omega-3-Gehalt sind bereits auf dem Markt und seit April 2015 auch für den Import in die EU zugelassen. 8 Sie mögen Verwendung finden, dürften aber kaum das Akzeptanzproblem der Gentechnik lösen. Ihr Nutzen ist so zweifelhaft wie der der Öko-Milch. Beide fallen in die Kategorie der Lifestyle-Produkte.
Sehr viel sinnvoller sind Entwicklungen wie der Goldene Reis 9 oder neue Reissorten mit erhöhtem Eisen- und Zinkgehalt 10, die echten Mangel bei Milliarden von Menschen lindern können. Der Ökolandbau mit seiner Fixierung auf Verzicht auf synthetischen Dünger, moderne Pflanzenschutzmittel und gentechnisch verbesserte Sorten leistet weder zur Sicherung der Welternährung noch zur Bekämpfung der Mangelernährung einen Beitrag.