18.03.2014

WHO-Hexenjagd auf Zucker

Kommentar von Uwe Knop

Die Weltgesundheitsorganisation fordert aktuell, dass wir unseren Zuckerkonsum drastisch reduzieren sollen. Fettleibigkeit und deren Folgeerkrankungen sollen so bekämpft werden. Dabei fehlt aber der wissenschaftliche Beweis, dass Zucker tatsächlich dick oder krank macht

Wenn das Leben doch so einfach wäre: Wir halbieren den Zuckerkonsum und die Menschen werden dünner und gesünder. Was sich liest wie Science Fiction, meint die Weltgesundheitsorganisation WHO jedoch bierernst. Derzeit steht ein Richtlinienentwurf zur Diskussion, der die Empfehlung für den Zuckerkonsum von aktuell zehn Prozent des täglichen Energiebedarfs auf fünf Prozent halbieren will. [1] Das heißt konkret: Beim weiblichen Durchschnittsbedarf von 2000 Kcal dürfen 100 Kcal aus Zucker sein. Und das ist nicht viel: Eine 0,33-Liter-Dose Cola liefert etwa 145 Zucker-Kilokalorien, 200 Milliliter Apfelsaft circa 90 Fruchtzucker-Kilokalorien. Von Süßwaren, Kuchen und Desserts ganz zu schweigen – und der pure Zucker im Espresso: künftig streng limitiert! Auch das Nutellabrötchen müsste wohl verbannt werden. Und der Honig gleich mit – denn die WHO will jede Art von freiem und zugesetztem Zucker reglementieren, mit Ausnahme von Obst. Dabei ist in Trauben und Orangen der gleiche Fruchtzucker enthalten wie in den entsprechenden Fruchtsäften. Das klingt nach Willkür basierend auf pseudowissenschaftlichem Halbwissen und zollt wahrscheinlich der omnipräsenten „Fünf-am-Tag“-Kampagne (Obst und Gemüse essen) Tribut, die natürlich mit dem neuen Bevormundungsvorstoß nicht konterkariert werden darf.

Es gibt keine Beweise, dass Zucker dick oder krank macht

Die WHO beruft sich auf tausende Studien, die einen Zusammenhang des Zuckerkonsums mit Fettleibigkeit und Zivilisationskrankheiten plausibel erscheinen lassen. Zu 99 Prozent dürften dies epidemiologische Studien sein – die, wie inzwischen weitläufig bekannt ist, keinen Ursache-Wirkungs-Beleg (Kausalitäten) liefern können, sondern nur statistische Zusammenhänge zeigen (Korrelationen). Daher wächst der Widerstand gegen diese Beobachtungsstudien auch aus den Reihen der Ernährungswissenschaftler. So hat eine aktuelle Übersichtsarbeit eine weit verbreitete Fehlentwicklung offenbart: Die begrenzte Aussagekraft von Beobachtungsstudien wird von vielen Ernährungsforschern und Politikern unterschätzt. [2] Aufgrund zahlreicher Schwächen dieser Untersuchungen mahnen die Autoren zu „größerer Vorsicht bei Ernährungsempfehlungen“, da diese primär auf Beobachtungsstudien basieren, die nicht durch klinische Studien bestätigt wurden. Dieser Review in einer Fachzeitschrift der „American Society for Nutrition“ untermauert die Kritik einer themenaffinen Publikation im British Medical Journal BMJ: Viele Ergebnisse der Ernährungsforschung seien „völlig unglaubwürdig“ – und auch eine „weitere Million Beobachtungsstudien“ würde keine endgültigen Lösungen liefern. [3] Für die WHO aber liefern anscheinend schon ein paar Tausend Studien endgültige Lösungen für endverbraucherreglementierende Empfehlungen. Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen wie ein Stück süßer Schokolade: Es gibt bis dato keinen einzigen wissenschaftlichen Beweis, dass Zucker krank oder dick macht. Nullkommanull.

Zuckerstudien - wenig Substanz, viel Täuschung

Und selbst wenn man die prinzipiell nichtssagenden Beobachtungsstudien zu Zucker näher analysiert, kommt man meist zu dem Schluss: Pure Propaganda. Als Paradebeispiel sei eine aktuelle Studie genannt, die es zum „Ernährungsunsinn des Monats“ gebracht hat. [4] Hier wird getrickst und getäuscht, bis sich die X-Achsen biegen. Sicher, das wird nicht bei allen Studien so sein. Aber selbst hundert oder tausend absolut saubere Korrelationen erlauben noch keine Kausalität (siehe oben).

Neben Adipositas und den korrespondierenden Zivilisationskrankheiten hat die WHO noch das Zahnwohl der Bürger im Sinn: „Weniger Zucker gleich weniger Karies“, so die Hypothese. Doch auch hier gilt: So einfach ist die Gleichung nicht. Denn es kommt bei der Kariesentwicklung wie bei allen Erkrankungen auf viele Faktoren an. Die Dauer, Intensität und Frequenz der Exposition spielen genauso eine Rolle wie andere Kohlenhydrate, die bereits im Mund zu Zucker umgewandelt werden oder die Zahnpflege und die Zahnarztbesuche. Ein schlechter Zahnpfleger, der wenig Zucker konsumiert und seine Zähne alle zwei Schaltjahre begutachten lässt, hat vermutlich mehr Karies als ein „Süßigkeiten-Aficionado“, der auf seine Zähne achtet. Aber auch das sind nur reine Spekulationen, um zu verdeutlichen, auf welch´ dünnem Eis sich die WHO bewegt. Ganz zu schweigen von wissenschaftlichen Studien, die einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und Karies belegen.

WHO-Empfehlungen: Unverbindlich, aber unberechenbar

Sollte die neue WHO-Richtlinie tatsächlich umgesetzt werden, so stellt sich die Frage nach dem „Impact auf des Bürgers Teller“. Und der ist begrüßenswerterweise gering, denn die WHO-Empfehlung an sich „bellt nur, sei beißt aber nicht.“ Jedoch können strenge Richtlinien seitens der Weltgesundheitspolizei den Druck auf die Staaten erhöhen, diese Empfehlungen in ihre nationalen Gesundheitskampagnen zu integrieren und öffentlich Druck gegen Zucker aufzubauen. Und das könnte für unmündige Essbürger zum Problem werden, die denken, sie äßen und tränken nun ungesund und müssten deshalb ihren Zuckerkonsum drastisch reduzieren. Aber auch für diese Regelhörigen gibt es noch ein Hintertürchen Hoffnung: Einfach mehr essen! Denn die WHO bezieht den Zuckerkonsum in Relation zur aufgenommenen Gesamtenergiemenge. Wenn Frau also die oben aufgeführte 0,33-Liter-Cola-Dose „WHO-konform“ leer trinken möchte, dann isst sie einfach noch ein Big-Mac-Menü-mit-Pommes mit 1000 Kilokalorien dazu!

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