06.04.2023
Werden Lockdown-Skeptiker verfolgt?
Die Verhaftung von Querdenken-Chef Michael Ballweg wirft einige beunruhigende Fragen auf.
Während der Pandemie war Michael Ballweg ein Stachel im Fleisch der Regierung und der Lockdownbefürworter. Dann wurde der 48-jährige Geschäftsmann einer der berühmtesten Häftlinge Deutschlands. Festgenommen wurde er im Juni 2022 und erst gestern ist er, vorübergehend, aus der Untersuchungshaft entlassen worden.
Berühmt wurde er im Frühjahr 2020 als das Gesicht der Querdenker-Bewegung. Selbst heute, da die von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel verhängten Corona-Maßnahmen zunehmend in Frage gestellt werden, ist der Begriff Querdenker weiterhin ein Schimpfwort, das gegen jeden verwendet wird, der die Maßnahmen zu sehr kritisiert. Verhaftet wurde Ballweg im letzten Jahr wegen des Verdachts auf schweren Betrug. Als die Staatsanwaltschaft Ende März die Anklage erhob, hatte er bereits neun Monate im Gefängnis verbracht.
Ich habe mit einem der Anwälte Ballwegs, Dr. Reinhard Löffler, über die Lage seines Mandanten gesprochen. Laut Löffler ist Ballweg nun wegen versuchten schweren Betrugs (in 9450 Fällen), Geldwäsche (in vier Fällen) und versuchter Steuerhinterziehung (in Bezug auf einen Betrag von über 500.000 Euro) angeklagt. Im schlimmsten Fall könnten die Anklagen zu fünf Jahren Gefängnis führen.
„Die Reaktion auf Ballwegs Verhaftung deutete ebenfalls darauf hin, dass hier Politik im Spiel ist."
Doch, der Festnahme und Strafverfolgung Ballwegs haftet nicht nur ein politischer Geruch an: Sie stinkt gewaltig, wie Löffler, der darauf besteht, kein Querdenker zu sein, es ausdrückt. Ballweg wird vorgeworfen, die Hälfte der Spenden in Höhe von über einer Million Euro zu Privatzwecken genutzt zu haben. Laut der Anklageschrift, die Löffler mir zeigte, wurde nur etwa die Hälfte des von Ballweg gesammelten Geldes für Aktivitäten im Zusammenhang mit Querdenken verwendet. Der Rest ist auf seinen verschiedenen Privatkonten verblieben oder wurde in bar abgehoben. Die Vorwürfe werden von seinen Anwälten als haltlos angesehen.
Wie Löffler erklärt, wurde der ursprüngliche Vorwurf des schweren Betrugs zu „versuchtem schweren Betrug" herabgestuft. Und der Vorwurf der Steuerhinterziehung ist erst kürzlich hinzugekommen. Den neuen Vorwurf hält Löffler für besonders bedenklich. Ballweg habe seine Steuererklärung nicht abgeben können, weil er bereits inhaftiert war. Er habe keine Möglichkeit gehabt, an seine Unterlagen oder einen Steuerberater heranzukommen, sagt er.
Die Reaktion auf Ballwegs Verhaftung deutete ebenfalls darauf hin, dass hier Politik im Spiel ist. Viele seiner Gegner zeigten sich erfreut. Von dem Moment seiner Festnahme an galt er für sie als schuldig. So hieß es beispielsweise in der Südwestpresse, dass die SPD-Fraktion im Landtag die Ermittlungen begrüße und ihr rechtspolitischer Sprecher Boris Weihrauch sagte: „Die Geschäftspraktiken der sogenannten Querdenker und deren Hintermännern müssen lückenlos aufgeklärt werden“.
„Ballwegs Unterstützer sehen ihn als Opfer einer politisch voreingenommenen Justiz. Die ungewöhnlich lange Untersuchungshaft von über neun Monaten ohne Anklage scheint dies zu bestätigen."
Ballwegs Unterstützer sehen ihn jedoch als Opfer einer politisch voreingenommenen Justiz. Die ungewöhnlich lange Untersuchungshaft von über neun Monaten ohne Anklage scheint dies zu bestätigen. Nach deutschem Recht sollte die Untersuchungshaft nach sechs Monaten enden. Doch die Behörden lehnten die Gesuche von Ballwegs Anwälten, ihn bis zum Beginn des Gerichtsverfahrens freizulassen, konsequent ab. Als Grund wurde Fluchtgefahr genannt, obwohl Ballwegs Pass bereits beschlagnahmt worden war und er auch keinen Zugang zu seinen Konten mehr hatte, wie sein Anwalt erklärte. Laut Anklageschrift wurde etwa zum Zeitpunkt von Ballwegs Verhaftung ein Container mit seinen Sachen im Hamburger Hafen beschlagnahmt – er war für Costa Rica bestimmt. Nun aber hat das Gericht entschieden, dass die Gefahr einer Flucht gering sei, und er wurde unter Auflagen aus der Haft entlassen.
Möglicherweise wollte Ballweg, der vor der Pandemie ein erfolgreicher Geschäftsmann war, tatsächlich seinen Ruhm als Anti-Lockdown-Aktivist nutzen, um sich selbst zu bereichern. Aber, wie Löffler bestätigt, hat keiner der Spender, die ihm Geld gegeben haben, ihn angezeigt. Für die meisten Menschen war die Unterstützung der Querdenken-Bewegung ein Zeichen der Auflehnung. In einer Zeit, in der so wenig abweichende Meinungen zugelassen wurden, waren viele dankbar, dass jemand bereit war, seinen Kopf zu riskieren, um gegen die harten Maßnahmen anzugehen. Ballweg traf einen Nerv, als sich viele von der politischen und medialen Schicht, die die Lockdowns befürwortete, verraten fühlten. Die Regierung reagierte auf die wachsende Skepsis gegen die Maßnahmen und ließ die Querdenken-Bewegung, zumindest ab Frühjahr 2021, vom Geheimdienst überwachen.
In den Augen vieler seiner Unterstützer hat sich Justitias Waage zu sehr gegen Ballweg geneigt. Die Entscheidung der Behörden, ihn so lange in Haft zu halten, hat diese Ansicht verstärkt. Unabhängig davon, wie der bevorstehende Prozess ausgehen wird, ist das Vertrauen bereits tief erschüttert.