28.04.2021

Am Scheideweg der Coronapolitik

Von Philipp Mühlstein

Titelbild

Foto: Alexandra_Koch via Pixabay / CC0

Nach über einem Jahr nutzloser und schädlicher Maßnahmen sollte man es besser wissen. Und doch ist es der aufklärerischen Kritik bisher nicht gelungen, die Willkür zu überwinden.

Erst vor wenigen Wochen, die größte meiner drei Töchter besuchte wieder einmal die – in jeder Hinsicht treffend bezeichnete – Notbetreuung einer bayerischen Grundschule und der Irrsinn einer Testpflicht an Schülern war noch ein zartes Schimmern in Söders autoritären Träumen, blinzelte ich verlegen über die Schulter meiner Tochter. Sie arbeitete konzentriert an einem Bild und ich war neugierig. Ich betrachtete ihr kleines Kunstwerk und einige verwirrende Momente lang hatte ich Mühe zu begreifen, was ich sah. Während sie mich erwartungsvoll anblickte, kämpfte ich gegen meine Sprachlosigkeit. Eine hübsche Collage lag auf ihrem Tisch. Ein kleines, aus einer winzigen grünen Glitzerbommel gefertigtes Coronavirus, liebevoll in die Mitte eines Blattes drapiert, eingefasst in die Zeichnung einer Maske voller kleiner Punkte, ein Bild ihrer geschlossenen Schule und kleiner Skizzen grüner Coronaviren. Dazu ein kurzer trauriger Text.

Corona spielt im Alltag unserer fünfköpfigen Familie eine geringstmögliche Rolle. Behutsam versuchen wir zu vermitteln, dass weder Anlass zur Sorge noch zur Beunruhigung besteht, dass all die unverständlichen Regeln, die Verbote und die Aufregung der Erwachsenen sicher bald wieder dem gewohnten Leben weichen werden. Wir spenden Trost, machen Mut, hören zu und klären auf. Dennoch, so wurde mir schmerzlich klar, können wir unsere Kinder nicht vor der irren Panik beschützen, die dieses Land immer tiefer in den Abgrund reißt.

Fassungslos

Als ich vor über einem halben Jahr ein kleines kritisches Kompendium zur Coronakrise schrieb, trieb mich die naive Hoffnung, etwas zu bewirken, Menschen zu erreichen, kritische Fragen aufzuwerfen. Aus meiner Sicht lagen die Fakten klar auf dem Tisch. Könnte es nur gelingen, diese gut geordnet in einen schlüssigen Kontext zu setzen, würden mehr Menschen verstehen, dass es weder Grund zur Panik noch weniger aber für die immer tiefer ins Skurrile gleitenden Maßnahmen gebe. „Maßnahmen“, jene euphemistische Wortklauberei für die hemmungslose Aufkündigung unseres einst durch Grundrechte gesicherten Wertekanons, ersonnen im Antlitz einer hysterisch herbeifantasierten Gesundheitskrise.

„Was ist das für ein totalitärer Zeitgeist, der mit zerstörerischem Furor durch den fruchtbaren Boden dieser Demokratie pflügt?“

In einem aufschlussreichen Interview in den Anfangstagen der „Pandemie“ bat der britische Journalist Freddie Sayers den schwedischen Epidemiologen Johan Giesecke, Gründe für die schwedische Strategie darzulegen. Giesecke äußerte mit kluger Weitsicht, dass unabhängig von der zweifelhaften Wirkung von Lockdowns diese noch einen weiteren Nachteil hätten: Politiker, die diesen Weg wählten, manövrierten sich in eine Sackgasse ohne Wendemöglichkeit.

Ein Aufbrausen aufklärerischer, kritischer Stimmen würde die Politik zur Umkehr zwingen, darauf hatte ich meinen naiven Optimismus gegründet. Doch Giesecke sollte Recht behalten und meine Hoffnung auf einen alsbaldigen Ausgang aus jener dystopischen, nun unser Leben in Stücke reißenden Realität ist verschwunden.

Fassungslos frage ich mich: Welche im Geiste der Aufklärung stehende Staatsräson verlangte jemals das Pervertieren unschuldiger Kindheit durch das Verbot von Freundschaften, forcierte je die Unterdrückung sozialer Grundbedürfnisse durch indoktrinierte Angst vor Zwischenmenschlichkeit, entfesselte jemals ein derart wütendes Hygieneregime? Was ist das für ein totalitärer Zeitgeist, der mit zerstörerischem Furor durch den fruchtbaren Boden dieser Demokratie pflügt? Sind nicht Rechtsstaatlichkeit, Parlamentarismus und Pressefreiheit jene Felder, auf denen aufgeklärte, selbstbestimmte Menschen die prosperierende Zukunft dieser Republik bestellen?

„Welche Ängste müssen unsere Kinder dieser Tage plagen, von welch erdrückender Einsamkeit werden unsere Alten gequält?“

Mit welch unnachgiebiger Härte substituiert dieses Land die tränenreich erkämpfte Unbeschwertheit unserer Kinder durch längst vergessen geglaubte autoritätsdurchwirkte Tugenden wie Verantwortung, Disziplin und Schuld? Mit welch erbarmungsloser Kälte lässt man Alte und Kranke einsam sterben?

Alles unter dem Feigenblatt eines modrigen Solidaritätsbegriffes, einer inflationär gebrauchten hohlen Phrase, weil in Wahrheit nicht in der Ethik verankert, sondern im Hedonismus keimend. Die Corporate Identity einer sich selbst im Guten verortenden Gesellschaft, verloren in einem ganz und gar diskursunfähigen Geist. Welche Ängste müssen unsere Kinder dieser Tage plagen, von welch erdrückender Einsamkeit werden unsere Alten gequält? Wenige nur, die sich dieser Unbill in den Weg stellen. Zu wenige.

Nach über einem Jahr sind wir abgestumpft und müde. Dabei könnte alles nur noch eine verschwommene Erinnerung an einen bösen Traum sein, stünden Aufklärung, Wissenschaft und Rechtschaffenheit höher im Kurs als Rechthaberei, politischer Opportunismus und als Güte verbrämte Haltungsübungen.

Blick auf die Zahlen

Aktualisierte Studien namhafter Wissenschaftler belegen vielfach: SARS-CoV-2 ist nicht das gefürchtete, auf leisen Sohlen daherkommende Killervirus. Bezogen auf vermeidbare Todesfälle zeigt sich die vermeintlich positive Wirkung von Lockdowns nirgends. Bestenfalls verzögern sie das Unvermeidbare, schlimmstenfalls führen sie durch zahlreiche unbedachte Nebeneffekte sogar zu mehr Opfern. Der Nutzen von Masken ist, wen wundert das, durch keine einzige brauchbare Arbeit belegt und auch in ihrem Fall gibt es durchaus valide Anhaltspunkte dafür, dass deren unsachgemäße Anwendung in der Masse eher kontraproduktive Wirkung zeigt. An nicht einem Tag stand das deutsche Gesundheitssystem am Rande des Zusammenbruchs und als Krönung der Absurditäten kämpfen Kliniken im Frühjahr 2021 mit historischer Unterbelegung, Kurzarbeit und existenzbedrohenden Ertragsverlusten.

Nur um das klarzustellen: Niemand, der sich mit ernsthaften Beiträgen in die Debatte zur aktuellen Situation eingeschaltet hat, behauptet, dass Covid-19 gänzlich ungefährlich sei. Die Diffamierung maßnahmenkritischer Wissenschaftler und Journalisten als „Coronaleugner“ oder schlimmer noch ihre Verortung im rechten politischen Lager sind eben genau das: schändliche Diffamierungen, die einzig dem Zweck dienen, sich nicht mit ihren profunden Argumenten auseinandersetzen zu müssen. Ja, in vulnerablen Gruppen kann SARS-CoV-2, wie viele andere respiratorische Viren auch, schwere Krankheitsverläufe bis hin zum Tode verursachen. Doch für die überragende Mehrheit stellt es eben keine größere Gefahr dar als eine ordinäre Influenza-Infektion. Für Kinder hingegen ist es sogar um ein Vielfaches ungefährlicher als zahlreiche andere Atemwegserkrankungen.

„Hätte eine bessere Immunisierung im Sommer zu einem besseren Schutz in den Herbst- und Wintermonaten geführt, wie es Vergleiche mit anderen Regionen nahelegen?“

Unbestreitbar ist aber auch, dass ein Bundesland wie Sachsen im November und Dezember des vergangenen Jahres historisch hohe Übersterblichkeit zu verzeichnen hatte. Dies allein mit der Gefährlichkeit des Virus zu begründen, hält jedoch einer Überprüfung nicht stand. Denn einerseits gehört es zu den gesicherten Fakten, dass diese vor allen Dingen durch Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen verursacht war. Nebenbei bemerkt in einer Bevölkerungsgruppe, zu deren besonderem Schutz Politiker landauf, landab nicht müde wurden, großspurige Lippenbekenntnisse abzusondern. Andererseits gehört ebenfalls zu den erschütternden Tatsachen, dass über die Hälfte der nach Angaben des Statistischen Bundesamtes die sächsische Übersterblichkeit verursachenden Todesfälle gar nicht mit Corona in Zusammenhang stehen. Ein ganz ähnliches Bild zeigt sich nach Einschätzung des englischen Epidemiologen Carl Heneghan auch in Großbritannien.

Hätten die sächsischen Opfer durch einen anderen Umgang mit der Krise wenigsten in Teilen verhindert werden können? Waren die auf die Breite fokussierten Maßnahmen sogar ursächlich für die hohen Opferzahlen? Hätte eine bessere Immunisierung im Sommer zu einem besseren Schutz in den Herbst- und Wintermonaten geführt, wie es Vergleiche mit anderen Regionen nahelegen?

Und wie ist es zu erklären, dass Sachsen trotz ausgesprochen strenger Maßnahmen eine signifikant höhere Covid-19-Mortalität aufweist als Schweden? Jenes vermeintlich verrückte Land im hohen Norden, das nach Aussage des – immer wieder für seine geradezu realsatirischen Bonmots berüchtigten – bayerischen Landesvaters Söder vor „der totalen Kapitulation einer Philosophie“ steht?

Abb. 1: Vergleich der Mortalität von Schweden mit einigen dt. Bundesländern, Quelle

Ich fürchte, die Beantwortung dieser Fragen wird kommenden Generationen von Wissenschaftshistorikern vorbehalten sein.

Doch nicht nur in Sachsen, in praktisch keinem Land der Welt ist geklärt, wie viele der zu beklagenden Todesopfer einer vor allen Dingen in den Anfangstagen panischen und vielfach tödlichen Überreaktion der Gesundheitssysteme zum Opfer fielen. Die frühe und aggressive invasive Beatmung Hunderttausender Patienten, so geschehen in Teilen Europas und den USA, muss ebenso als Ursache befürchtet werden, wie die fatale Entscheidung lokaler Gesundheitsbehörden, hochbetagte Coronapatienten aus Panik vor einer Überfüllung der Krankenhäuser zurück in Alten- und Pflegeeinrichtungen verlegen zu lassen. So zeigt sich inzwischen, dass in der besonders hart getroffenen Region um Bergamo in Italien, aber auch im US-amerikanischen Bundesstaat New York solch schwerwiegende Entscheidungen verheerende Folgen hatten. Vom schwindenden Lebensmut in pflegerischer Isolation vereinsamter Alter ganz zu schweigen.

Horror ist ausgefallen

Haben Epidemiologen nicht von Anfang an gewarnt? Das Abflachen einer Infektionswelle würde durch ihre Verlängerung erkauft, die wiederum zu einer Vergrößerung der Gesamtzahl der Infektionen führe und dadurch zwangsläufig zu mehr Todesopfern. Denn mit jedem Tag, den ein Virus länger prävalent bleibt, steigt die Ansteckungswahrscheinlichkeit für Vulnerable und dadurch die Anzahl potenzieller Opfer.

Hatte man die ursprünglich vier Wochen dauernde Flachmachkurvenübung nicht ausschließlich deshalb für eine gute Idee gehalten, weil man das Gesundheitssystem vor überbordender Belastung schützen wollte? Hätte sich in diesem Land irgendjemand bei klarem Verstand gefunden, der angesichts einer Krankheit, die bei Berücksichtigung aller verfügbaren Daten nicht schlimmer ist als regelmäßig wiederkehrende schwere Grippewellen, auch nur erörtert hätte, Kindheit, Bildung, Wirtschaft, ja die seelische und körperliche Gesundheit eines ganzen Landes, allen voran aber unsere grundgesetzlich verbrieften Rechte nachhaltig zu zerstören?

„Deutschland, ein Land, das gerade während der zweiten Welle äußerst harte Maßnahmen ergriffen hat und inzwischen einen der längsten Lockdowns in ganz Europa praktiziert, steht schlechter da als ein Land wie Schweden.“

Um Diskussionen zum Vergleich mit Grippewellen vorzugreifen, erlaube ich mir den Hinweis auf Aussagen des Staatssekretärs Markus Kerber aus dem Bundesinnenministerium, der sich in den geleakten E-Mails zur Entstehung des unsäglichen Panikpapiers froh über ein Best-Case-Szenario zeigte, das mit „126.000 Toten einer schweren Grippe entspräche“.

Es benötigt gar keiner komplizierten Studien, um zu sehen, dass keines der im März 2020 propagierten Horrorszenarien eingetreten ist. Nicht im Entferntesten. Das Center for Evidence Based Medicine (CEBM), angesiedelt an der britischen Oxford Universität, hat unlängst eine vergleichende Berechnung der altersangepassten Übersterblichkeiten des Jahres 2020 für 37 Länder veröffentlicht.

Weil gerade hierzulande gern mit fast schon religiösem Eifer der „schwedische Weg“ verdammt wird – ein mehrheitlich auf Empfehlungen basierender Infektionsschutz, weitestgehend ohne strenge Verbote, Lockdowns, Laden- oder Restaurantschließungen und mit durchgehend geöffneten Kindergärten und Schulen bis zur Mittelstufe – lohnt ein genauer Blick auf die Zahlen. Während zu den Ländern mit den höchsten Übersterblichkeiten zwischen 12 und 14 Prozent Nationen wie Polen, die USA oder Spanien zählen, stellt Schweden eine große Überraschung dar, liegt es doch mit gerade einmal 1,5 Prozent sogar noch hinter Deutschland, das auf 3,3 Prozent kommt.

Man muss versuchen, diesen Umstand in seiner ganzen Tragweite zu verstehen. Deutschland, ein Land, das gerade während der zweiten Welle äußerst harte Maßnahmen ergriffen hat und inzwischen einen der längsten Lockdowns in ganz Europa praktiziert, steht schlechter da als ein Land wie Schweden, das entgegen landläufiger Meinungen einen höheren Urbanisierungsgrad aufweist als Deutschland.

Abb.2: Vergleich der Bevölkerungsdichte für europäische Länder (Quelle: worldpop.org; eigene Darstellung)

Auch beim Vergleich der mit Corona in Verbindung stehenden Todesfälle während der sogenannten zweiten Welle wies Schweden weniger als die in Deutschland verzeichneten Opfer auf und dies trotz der hier ungleich härteren Infektionsschutzmaßnahmen bis hin zum seit vor Weihnachten andauernden Lockdown.

Abb. 3:  Kumulierte Todeszahlen pro Million Einwohner während der zweiten Welle, Quelle

Man könnte das Sezieren der Fakten tagelang fortsetzen. Ganz gleich, ob Texas, wo trotz Abschaffung der Maßnahmen stetig sinkende Fallzahlen die Behörden vor ein angebliches Rätsel stellen, oder Florida, das seit September des vergangenen Jahres nahezu keine Infektionsschutzmaßnahmen mehr vorschreibt – und sich dennoch kein bisschen schlechter entwickelt als Bundesstaaten mit strikten Regeln einschließlich anhaltender Schließung von Einzelhandel, Schulen und Kindergärten. Es kann absolut kein Zweifel daran bestehen, dass nichts an Covid-19 Anlass zu besonderer oder gar außerordentlicher Sorge geben würde und dass Maßnahmen, egal welcher Natur, weitestgehend wirkungslos sind.

Doch mit nunmehr klarem Blick auf die Anfänge dieser Krise wird die Diskussion ihrer Gegebenheiten fast schon zur Makulatur. Ihr mühevolles Aufarbeiten wird zur Farce, weiß man um die absurden Ursprünge dieses Krisenschauspiels. Entscheidungen werden in diesem Land schon längst nicht mehr auf Basis von Fakten gefällt, vielleicht wurden sie das in Pandemiefragen noch nie.

Ungereimtheiten

Richtet man seinen Fokus auf die Genesis dieses Wahnsinns, findet sich in einem atemberaubend kurzen Zeitraum in den ersten Wochen des Jahres 2020 eine solche Vielzahl ausgesprochen grotesker Zufälle, glücklicher Fügungen und hellseherischer Entscheidungen, dass man sich ungläubig die Augen reibt. Noch schwerer aber wiegt die Verwunderung darüber, dass den Journalisten dieses Landes mehrheitlich die Fähigkeit, Fragen zu stellen, abhandengekommen zu sein scheint.

„Die Liste meiner Fragen, sie wird länger und länger.“

Drängende Fragen. Wieso beispielsweise kann Olfert Landt, ein langjähriger Forschungspartner Christian Drostens und gleichzeitig Gesellschafter/Geschäftsführer des Berliner PCR-Test Herstellers TIB Molbiol, bereits am 10. Januar funktionstüchtige Test-Kits für ein neues Virus versenden, obwohl erst am gleichen Tag dessen erste Gensequenz publiziert wird? Wieso beschließt BioNTech, der vielfach gefeierte deutsche Technologieträger hinter dem Vakzin Corminaty des US-Konzerns Pfizer, am 16. Januar den Start ihres Programms „Lightspeed“ zur Entwicklung eines mRNA-Impfstoffes gegen Corona? Zu einem Zeitpunkt, da weltweit gerade einmal 46 Fälle der neuartigen Infektion bekannt waren? Wieso benötigt das renommierte Fachmagazin Eurosurveillance nur einen einzigen Tag für das Peer Review des PCR-Test-Protokolls, dessen Korrespondenzautor Drosten gleichzeitig auch zu den Herausgebern jenes Magazins gehört? Jene schicksalhaften Wochen sind ein wahrer Fundus fragwürdiger Ereignisse, die unter normalen Umständen das investigative Journalistenherz vor Freude jauchzen ließen.

Auch ein Blick in deutsche Ministerien lohnte. Was genau veranlasste die Bundesregierung dazu, Anfang März zwei Dokumente in Auftrag zu geben, die von derart bestürzender Verfassungs- und Demokratiefeindlichkeit geprägt sind, dass man beim Auftauchen des ersten im April 2020, überschrieben mit dem verharmlosenden Titel „Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen“, noch an die stümperhafte Fälschung tumber Verschwörungstheoretiker glaubte?

Wie verträgt es sich mit den Pflichten der Minister, Regierungsbeamten und Abgeordneten dieses Landes, dass sie sich im Februar und März 2020 von einer kleinen elitären Gruppe international organisierter Wissenschaftler in eine infantile und vollkommen zerstörerische Panik haben treiben lassen, ohne eine unabdingbare Folgenabwägung auch nur anzudenken?

Wie war es möglich, dass die Bundesregierung sogar dann noch unbeirrt ihren Kurs fortfuhr, als sie längst erkannt haben musste, dass sämtliche Annahmen, auf denen das Maßnahmenpapier fußte, haltlos sind, falsch und absurd? Worte habe ich keine mehr, um diesen Wahnsinn adäquat einzufangen. Nur die Liste meiner Fragen, sie wird länger und länger.

Rote Linien?

Wir stehen am Scheideweg. Lassen wir zu, dass ein Apartheidsregime implementiert wird, wie es noch vor einem Jahr, insbesondere in Deutschland undenkbar gewesen wäre? Lassen wir zu, dass ein ganzes Land zum Labor der Welt wird, wie der Vorstandsvorsitzende von Pfizer, Albert Bourla, Israel in einem Interview mit dem US-Sender NBC unverhohlen bezeichnete? Lassen wir zu, dass – wie unlängst in Neuseeland angekündigt – alsbald unsere Möglichkeit, einer Arbeit nachzugehen, die unsere Familien ernährt und unseren Kindern eine Zukunft garantiert, an unseren Impfstatus gebunden wird? Alles fußend auf experimentellen Impfstoffen, bei denen sich Nebenwirkungen zeigen. Wann ist die rote Linie der Menschen dieses Landes erreicht?

Noch während ich diesen Text finalisiere, hat der Bundestag in einer in ihrer historischen Bedeutsamkeit kaum zu unterschätzende Abstimmung eine weitere Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes ratifiziert. Damit wird zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik die Bundesregierung ermächtigt, allein durch Deklaration einer epidemischen Notlage nationaler Tragweite massive, nie dagewesene Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens anzuordnen. Über die Grenzen der Bundesländer hinweg. Ein Ermächtigungsgesetz so weitreichend, dass selbst die Unverletzlichkeit der Wohnung nicht mehr garantiert wird. Ein Blick in die Geschichtsbücher genügt, um beim noch denkenden Teil der Gesellschaft das blanke Entsetzen auszulösen.

„Um Wissenschaft oder gar unsere Gesundheit geht es schon sehr lang nicht mehr.“

Freilich, um Wissenschaft oder gar unsere Gesundheit geht es schon sehr lang nicht mehr. Mutationen, Impfungen, die in Endlosschleife laufenden Berichte von Langzeitfolgen, all das ist nichts weiter als tosendes Gebrüll gegen das immer eindringlichere Pfeifen der Wirklichkeit, gegen das Einsickern der Erkenntnis, dass die Bundes- und Landesregierungen dieser Republik auf unvorstellbare Weise versagt, sich verrannt und schuldig gemacht haben an Zehntausenden Toten und der Zerstörung Hunderttausender Existenzen.

Meine Kinder werden neuerdings von Albträumen geplagt, die größte unserer drei Töchter kann oft nicht mehr allein einschlafen. Die Inzidenz ist letzte Woche wieder über 100 geklettert. Etwas mehr als einer von eintausend Menschen könnten nun positiv auf einen Test reagieren. 0,1 Prozent. Der zwingenden Logik aus Gagaland folgend muss daher ab nächste Woche die Grundschule wieder einmal mit Distanzunterricht und Notbetreuung bestritten werden, notabene mit täglich zu absolvierenden Selbsttests der in den fragwürdigen Genuss dieser Notbetreuung kommenden Schüler.

Niemand vermag sich vorzustellen, was solch willkürliche und gewalttätige Unterdrückung menschlicher und sozialer Grundbedürfnisse für die Jüngsten dieses Landes bedeutet. Die Schäden, die wir ihren Seelen zufügen, sind gleichermaßen unmenschlich wie irreparabel.

„Eine Wertegemeinschaft wollte Europa sein und ist zu einer stumpfsinnigen Haltungsgemeinschaft verkommen.“

Was diesem Land bevorsteht? Ich weiß es nicht. Für Maßnahmen aus dem Tollhaus des Totalitarismus fehlt mir persönlich die Fantasie. Jedoch habe ich keinen Zweifel mehr daran, dass wir unser Leben als Teil einer offenen Gesellschaft, unsere auf den geschundenen Schultern unserer Vorfahren errichtete Normalität nicht einfach wiederbekommen werden. Dafür sind die Wetteinsätze – nein – die Schuldverschreibungen der Täter einfach zu hoch.

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit war die Losung der bürgerlichen Revolution, die unter den wehenden Fahnen der Aufklärung das Fundament selbstbestimmter Gesellschaften goss. Gleichwohl, errungen wurden sie mit dem Blut irrlichternder Aristokraten und der Revolutionäre der ersten Stunde. Nicht selten wurde ein Unrecht unter dem Schafott gegen ein anderes getauscht und die europäischen Gesellschaften benötigten noch Dutzende verheerende Kriege, bis sie verstanden hatten, dass transformative Prozesse, die in Gewalt wurzeln, nie von Dauer sind, weil sie stets den tief greifenden, aufzehrenden Wunsch nach Sühne hinterlassen.

Eine Wertegemeinschaft wollte Europa sein und ist zu einer stumpfsinnigen Haltungsgemeinschaft verkommen. Trotz allem trage ich die Hoffnung in mir, dass sich die Menschen Europas ihres aufklärerischen Erbes gewahr werden, dass sie beginnen, Fragen zu stellen, dass sie eines Morgens den Wunsch ihres Herzens nach Freiheit spüren und dem tief in ihrem Inneren verborgenen Willen Kraft verleihen, einen Ausweg aus ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit zu finden. Sie haben es schon einmal getan, sie müssen es wieder tun.

Gelingt ihnen das nicht, ist Europa verloren.

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