14.11.2011

Von wegen gesund!

Analyse von Ulrike Gonder

Dänemark hat als erstes Land der Welt eine Steuer auf gesättigte Fettsäuren eingeführt. Kritik: dies ist ein Versuch, das Essverhalten der Bürger zu steuern. Nahrhafte Grundnahrungsmittel werden diskreditiert und fragwürdige Imitate protegiert. Fett ist gesund

„Wenn es ums Fett geht, leben wir im Zeitalter der Erde als Scheibe.“ Was die amerikanische Fettforscherin Mary Enig 2001 beklagte, ist ein Jahrzehnt später aktueller denn je. Besonders betroffen vom eklatanten Missverhältnis zwischen dem aktuellen Kenntnisstand der Ernährungsforschung und dem, was man den Menschen empfiehlt, sind offenbar Gesundheitsministerien und ernährungswissenschaftliche Fachgesellschaften wie hierzulande die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Besonders beunruhigend: Deren Ignoranz gegenüber dem, was man über Fett und Gesundheit weiß, scheint sich sogar noch zu verstärken. Wie sonst wäre zu erklären, dass die DGE sich kürzlich entgegen aller Evidenz erneut für eine kohlenhydratreiche und damit fettarme Ernährung aussprach und dass Dänemark unter dem Applaus vieler Ernährungs-„Experten“ zum 1. Oktober 2011 eine Steuer auf gesättigte Fettsäuren einführte?

Die neue Steuer betrifft vor allem Milchprodukte, Butter, Sahne, Käse, Fleisch und Wurstwaren, aber auch Kokos- und Palmkernfett sowie daraus und damit hergestellte Produkte. Die genannten Lebensmittel enthalten jene Fettbausteine in nennenswerter Menge, die Gegenstand der neuen Zwangsabgabe sind: gesättigte Fettsäuren. Sie gelten nach wie vor – jedoch zu Unrecht – als ungesund, und es wird der Eindruck erweckt, man müsse die Bürger vor diesen „bösen“ Fettbausteinen schützen. Und so schob auch das dänische Gesundheitsministerium gesundheitliche Argumente vor, um den Dänen Sahne, Käse, Fleisch, Wurst und Kokosfett madig zu machen.

Derartige Eingriffe in persönliche Entscheidungen sind an und für sich schon ärgerlich. Man traut den Menschen immer weniger zu, in Sachen Ernährung für sich selbst zu sorgen. Warum sollte der – in Dänemark zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes deutlich übergewichtige – Gesundheitsminister darüber entscheiden, ob zuhause Butter oder Margarine verwendet, ob mit Pflanzencreme oder Schmalz gebraten, ob echter Käse oder ein fettarmes Analogprodukt eingekauft und ob in der Schulkantine richtiges Hackfleisch oder ein hochverarbeitetes, aromatisiertes Sojaextrudat serviert wird?

Es gibt keinen einzigen Grund dafür – es sei denn die Lobbyisten der Imitate-, Margarine- und Analogkäsefabrikanten haben ganze Arbeit geleistet. Sie sind die Profiteure derartiger staatlicher Steuer(-ungs-)maßnahmen. Wenn natürliche und erprobte Lebensmittelbestandteile wie Milch-, Fleisch- oder Kokosfett ein schlechtes Image verpasst bekommen, werden High-Tech-Produkte aus den Laboren der Lebensmittelindustrie ohne diese Zutaten gefördert. Ob die wirklich gesünder sind, darf bezweifelt werden. Denn gerade die Bevormundungen der essenden Bürger in Sachen Fett beruhen nicht auf aktuellem Wissen, sondern auf überholten Theorien. Folglich darf, nein muss auch am Motiv der gesundheitlichen Vorsorge derartiger Aktionen gezweifelt werden.

Es steht zudem zu befürchten, dass Dänemark in Sachen Fettsteuer – und anderen staatlichen Eingriffen ins Essverhalten – kein Einzelfall bleiben wird. Vor zwei Jahren wurde ein ähnliches Vorhaben in Schottland nur knapp abgeschmettert. Und in einer Umfrage der Berliner taz sprach sich die Ernährungswissenschaftlerin Dagmar von Cramm, Mitglied im DGE-Präsidium, dafür aus, eine solche Steuer auch bei uns einzuführen. Man müsse die Verbraucher beim Geldbeutel packen, um sie zu einer gesünderen Ernährung zu bewegen. Eine gesündere Ernährung durch weniger – gesättigte – Fette? Das tut besonders weh, wenn es vom Mitglied einer Fachgesellschaft stammt, die sich das Motto „der Wissenschaft verpflichtet“ gab.

Die gesättigten Fette gelten als besonders „böse“, weil sie Übergewicht, Herzinfarkte und Schlimmeres fördern sollen. Darauf hat man sich eingeschossen und auf dieser Ideologie beruht die dänische Fettsteuer ebenso wie die Ernährungsempfehlungen der DGE für die deutsche Bevölkerung. Wen stört es da, dass die vermuteten Zusammenhänge noch nie bewiesen werden konnten und in mehreren Studien jüngeren Datums widerlegt wurden?

Das weit verbreitete Credo der staatlich anerkannten „Experten“ scheint zu lauten: Wir haben uns festgelegt, irritiert uns nicht mit Fakten. Die da wären:

  • Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der verzehrten Fettmenge und der Menge an „Hüftgold“, egal, ob die Fette nun gesättigt oder ungesättigt sind. Zuletzt gezeigt in der bislang größten europäischen Beobachtungsstudie, der EPIC-Studie mit über 500.000 Teilnehmern in zehn Ländern.
  • Die Propagierung einer fettarmen Kost zeigt etwa seit den 1980er Jahren Wirkung. Seit der Anteil der Fette im Essen sinkt, steigt parallel das Übergewicht in der Bevölkerung an. Gezeigt in den USA ebenso wie in der hiesigen Nationalen Verzehrstudie II.
  • Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Fett oder gesättigten Fetten und dem Risiko einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, an Diabetes, Bluthochdruck, Brustkrebs oder einer anderen Krebsart zu erkranken. Gezeigt unter anderem von der DGE höchstselbst in ihrer evidenz-basierten Fett-Leitlinie 2006. Trotzdem empfiehlt sie weiterhin weniger – gesättigte – Fette und mehr Kohlenhydrate zu essen, für deren Nutzen in der Krankheitsvorbeugung es ebenfalls keine Evidenz gibt.
  • In der größten sorgfältig durchgeführten Studie erwies sich eine fettarme Kost als wirkungslos, um Frauen vor Brust- und Darmkrebs sowie vor Herz-Kreislaufleiden zu schützen.

Die Liste ließe sich fortsetzen. 2009 publizierte auch eine dänisch-amerikanische Forschergruppe zum Thema Fett und Herzgefäßleiden und fand praktisch keinen Nutzen, wenn das – gesättigte – Fett reduziert würde. Andere Wissenschaftler kamen zu vergleichbaren Schlüssen und fügten noch hinzu: Das Risiko für Herz und Gefäße könnte sogar ansteigen, wenn die gesättigten Fette durch Kohlenhydrate ersetzt würden. Genau das empfiehlt die DGE bis heute: ohne jegliche Evidenz, quasi aus Prinzip. Das jedenfalls konnte man als Fazit der Ausführungen von Professor Dr. med. Hans Hauner anlässlich einer zertifizierten Fortbildungstagung für Ernährungswissenschaftler, Diätassistenten und Ernährungsmediziner Ende Oktober in München mitnehmen. Wer schützt die Bürger eigentlich vor solchen „Experten“?

Fettsteuer trifft Buttermangel

Vielleicht kommt Abhilfe trotz allem aus dem Norden Europas. Denn nicht nur in Dänemark, auch in Schweden und Finnland klagen die Lebensmittelhändler seit Wochen über Nachschubschwierigkeiten bei Butter. Es droht ein Buttermangel aufgrund von Hamsterkäufen. Während sich die Dänen vor Einführung der neuen Fettsteuer noch einmal mit Butter und Sahne eindeckten, haben Schweden und Finnen ein ganz anderes Motiv: Die Menschen fragen wieder vermehrt natürliche Lebensmittel nach. Schwedische Eltern wollen, dass ihre Kinder richtige Lebensmittel, Butter und Vollmilch anstelle von vermeintlich gesunden, fettkastrierten, konstruierten Ersatzprodukten zu essen bekommen. Zudem ernähren sich immer mehr Menschen ganz bewusst nicht – mehr – fettarm und kohlenhydratreich, sondern eher fett- und eiweißbetont.

Vor allem in Schweden haben engagierte Mediziner, Ernährungsberater und die Medien das Thema Fett und Gesundheit offensiv diskutiert und das „herkömmliche Wissen“ in Frage gestellt. Es gab Fernsehsendungen, Zeitschriftenbeiträge und Gerichtsverfahren, in denen die Experten der verschiedenen Richtungen Rede und Antwort stehen mussten. Dabei wurde aufgedeckt, dass etliche anerkannte Experten und Meinungsbildner sowie Autoren der offiziellen, quasi staatlichen Ernährungsempfehlungen von der Lebensmittelindustrie bezahlt worden waren. Seither vertrauen viele Schweden lieber dem wissenschaftlichen Kenntnisstand, den positiven Erfahrungen unabhängiger Ärzte und Ernährungsberater sowie ihrem gesunden Menschenverstand. Sie weigern sich zunehmend, Fettarmes und hoch Verarbeitetes zu essen, bevorzugen eine fettreichere, kohlenhydratärmere Ernährungsweise mit Grundlebensmitteln, auch um Übergewicht, Diabetes und Herz-Kreislaufleiden vorzubeugen oder sie zu bekämpfen.

Wir dürfen auf die Ergebnisse dieses „Experiments“ gespannt sein. Werden die Dänen oder die Schweden ihre Ernährung dauerhaft umstellen? Und wenn ja, wird das messbare gesundheitliche Auswirkungen haben? Wer wird am Ende gesünder und schlanker sein? Wem – außer den Herstellern von Lebensmittelimitaten – wird die Besteuerung der vermeintlich ungesunden Grundnahrungsmittel in Dänemark nützen? Wem nützen die überholten Empfehlungen der DGE? Und vor allem: Wem schaden sie? Der dänische Staat hofft übrigens auf jährliche Mehreinnahmen von rund 200 Millionen Euro. Wahrscheinlich ist letztlich die Suche nach „ethisch korrekten“ Einnahmequellen die Ursache für diese Steuer. Dank der offenbar unausrottbaren Vorurteile gegen Fett, werden sich der dänische Finanzminister und sein PR-Berater gedacht haben, kann man eigentlich nichts falsch machen, wenn man hier ein bisschen Sahne abschöpft.


 

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