22.03.2024

Unkritisch Reisen: Senegal

Von Niels Hipp

Titelbild

Foto: Privat

Zur Präsidentschaftswahl im Senegal am Sonntag sind viele oppositionelle Kandidaten nicht zugelassen. Mit der Einschränkung des politischen Angebots liebäugelt man auch hierzulande.

Heute setzen wir unsere „unkritische Reise“ fort. Diesmal geht es in den Senegal, einen Staat in Westafrika, den ich im Mai 2023 besucht habe. Wenn Sie am erst 2017 eröffneten Flughafen Blaise Diagne (DSS) außerhalb der Hauptstadt Dakar ankommen, ahnen Sie nicht sofort, dass Sie in einem sehr armen Land angekommen sind, da dort alles neu ist. Nach wenigen Kilometern Fahrt verstehen Sie, warum der Senegal – gerade außerhalb der Hauptstadtregion – weltweit auf Rang 162 (von 194) nach BIP pro Kopf (kaufkraftbereinigt ist es Rang 158) steht: Es herrscht dort eine Mischung aus Dreck, Chaos, Armut und – jenseits der Atlantikküste – auch Hitze. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung lebt noch als Nomaden, ohne Strom und fließendes Wasser. Na ja, dann brauchen sie sich wenigstens nicht vor einem Blackout zu fürchten.

Nicht wenige Einwohner leben mit ihren Tieren zusammen, die sie melken und bei Bedarf auch schlachten, das gilt teilweise auch in den Städten. Veganer gibt es schon in Deutschland – entgegen dem Eindruck aus Werbung, Medien und Politik – wenige, dort würde derlei auf komplettes Unverständnis stoßen. Ähnliches Unverständnis äußerte eine Nomadin darüber, dass meine Frau und ich bewusst kinderlos sind. Eine senegalesische Frau bringt im Schnitt 4,45 Kinder auf die Welt – eine derart hohe Geburtenrate wurde in Deutschland zuletzt um 1900 herum ermittelt, 2022 waren es 1,46 Kinder pro Frau. Das Durchschnittsalter (!) der Bevölkerung im Senegal lag kürzlich bei 19,1 Jahren. Zum Vergleich: Ein derart niedriges Durchschnittsalter wurde in Deutschland seit der Reichsgründung von 1871 nie ermittelt, zuletzt lag es bei 44,6 Jahren.

Der Senegal ist ein muslimisches, aber kein arabisches Land, Amtssprache ist Französisch. Französischkenntnisse wie in Frankreich dürfen gerade bei der Landbevölkerung aber nicht erwartet werden. 95 Prozent der Einwohner gehören dem Islam an, Sufi-Bruderschaften spielen eine große Rolle. Von islamistischen Anschlägen ist das Land, auch dank der bisherigen politischen Stabilität, verschont geblieben. Das Zusammenleben mit den – meist katholischen – Christen funktioniert gut, im Küstenort Joal-Fadiouth gibt es den Muschelfriedhof, den Christen und Muslime gemeinsam benutzen. Für die Einheimischen ist der Senegal ein Teil von „Afrique noire“ (Schwarzafrika), was man in Deutschland inzwischen „Subsahara-Afrika“ nennt. Eine solche Political Correctness ist dort noch nicht angekommen.

„Beim geplanten ‚Demokratiefördergesetz‘ wird ­– wie im Senegal – mit schwammigen Begriffen gearbeitet, die einer Demokratie und eines Rechtsstaats völlig unwürdig sind.“

Präsident des Senegal ist seit 2012 Macky Sall. Nach anfänglicher Weigerung hatte der Amtsinhaber dann doch zugestanden, bei der Wahl 2024 nicht mehr anzutreten. Die Wahl sollte am 25. Februar 2024 stattfinden. Anfang Februar verschob der eigentlich scheidende Präsident die Wahl per Dekret auf Dezember 2024, was zu Tumulten und sogar Todesopfern führte. Der Verfassungsrat hat das Dekret dann Mitte Februar 2024 annulliert. Am 25. Februar hat die Wahl trotzdem nicht stattgefunden. Mittlerweile steht aber fest, dass die erste Runde der Präsidentschaftswahlen am 24. März, mitten im Ramadan, stattfinden wird.

Ohnehin bekämpft die Regierung die Opposition: Nur ein Viertel der Präsidentschaftskandidaten wurde zur Wahl zugelassen. Der aussichtsreichste Bewerber, Ousmane Sonko, sitzt wegen „Verführung der Jugend“ im Gefängnis, um ihn von der Kandidatur auszuschließen. Derartige Fälle des Ausschlusses unliebsamer Konkurrenz gab es kürzlich auch in anderen Ländern, etwa in Pakistan, im Iran ohnehin. Aus deutscher Sicht erinnert das Ganze verdächtig an die Versuche, die an Beliebtheit gewonnene AfD direkt zu verbieten oder eine Grundrechtsverwirkung gegenüber dem Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke zu erreichen. Beim geplanten „Demokratiefördergesetz“ wird ­– wie im Senegal – mit schwammigen Begriffen gearbeitet, die einer Demokratie und eines Rechtsstaats völlig unwürdig sind.

„Schön ist es, am Meer zu sein, sonst ist Dakar – wie das ganze Land – chaotisch und oft dreckig.“

Was kann man als Tourist im Senegal sehen? Wer Bilder wie aus Nordafrika im Kopf hat, liegt völlig falsch: Der Senegal weist – wie die allermeisten Staaten südlich der Sahara – viel weniger historische Sehenswürdigkeiten auf. Außerdem sind Safaris mit vielen Großtieren (wie Elefanten oder Nilpferden) dort nicht so möglich wie in Südafrika oder Tansania. Zunächst empfiehlt sich ein Besuch der Hauptstadt Dakar. Da der heutige Senegal – den Staat gibt es seit 1960 – lange von verschiedenen Stämmen ohne Kultur der Urbanität geprägt war, ist es keine alte Stadt wie Kairo oder Tunis. Schön ist es, am Meer zu sein, sonst ist die Stadt – wie das ganze Land – chaotisch und oft dreckig. Das „Momument de la renaissance africaine“ (Denkmal der afrikanischen Wiedergeburt) wurde von Nordkorea erbaut, das „Musée des civilisations noires“ (Museum der schwarzen Zivilisationen) von China.

Interessant ist die Insel Gorée vor Dakar: Von dort aus wurden Sklaven nach Amerika verschifft. Ob die Insel wirklich der Umschlagplatz für Sklaventransporte über den Atlantik war, ist umstritten, sie erinnert aber gut an die Geschichte der Sklaverei in der frühen Neuzeit und ist mit ihren schmalen Gassen und alten Häusern definitiv einen Besuch wert. Im Norden des Senegal – direkt an der Grenze zu Mauretanien – liegt die ehemalige französische Kolonialstadt Saint-Louis. Man kann dort mit der Kutsche durch die alten Gassen fahren, die Kolonialarchitektur ist gut erhalten. Deren Schleifung durch „postkolonialistische“ Aktivisten, wie man sie aus dem Westen kennt, dürfte nicht zu befürchten sein. In der Nähe kann man im Nationalpark Djoudj u.a. Zugvögel (November bis April) aus Europa und im Rest des Jahres in Barberie mit einem Einbaum verschiedene Vögel (z.B. Pelikane und Flamingos) beobachten. Im Sine-Saloum-Delta lassen sich ebenfalls Vögel anschauen.

Wer sich für den Islam interessiert, dem sei die Große Moschee von Touba im Landesinneren angeraten. Es ist die einzige Moschee des Landes, die auch Nichtmuslime besuchen können. Ebenfalls im Landesinneren liegen die Steinkreise von Wanar und Sine Ngayène. Im Süden des Landes befindet sich die Casamance, eine Landschaft, die im Gegensatz zum trockenen Norden deutlich fruchtbarer ist. Wer möchte, kann den Senegal noch mit einem Besuch in Gambia verbinden. Der Staat wird von senegalesischem Territorium komplett umschlossen. Wer nicht baden möchte, findet dort aber außer einigen – durchaus sehenswerten – Ruinen aus der Kolonialzeit wenig Interessantes.

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