26.09.2024

Unkritisch Reisen: Indonesien

Von Niels Hipp

Titelbild

Foto: pvdberg via Pixabay

Fernreisen auf die populäre indonesische Insel Bali sind vielen westlichen Gegnern des Massentourismus ein Dorn im Auge. Für Kulturreisende empfiehlt sich insbesondere die Insel Java.

Heute reisen wir nach Indonesien, einen Inselstaat in Südostasien. Den viertbevölkerungsreichsten Staat der Erde habe ich im Mai 2024 bereist.

Reisen nach Indonesien, vor allem zur Insel Bali, werden immer wieder als besonders „klimaschädlich“ kritisiert. Der Tourist wird zum „Klimaschädling“ der Postmoderne. In der Tat liegt die Insel Bali besonders weit von Deutschland entfernt (Java kaum weniger), nämlich ca. 12.000 Kilometer Luftlinie, ähnlich weit wie Santiago de Chile. Kulturtouristisch interessante Ziele in noch größerer Distanz zu Deutschland als Bali sind nur noch Australien und Neuseeland. So etwas alarmiert die „Reisepolizei“ – außer bei ‚Klimaklebenden‘, ich meine natürlich ‚Klimakleber‘, die nicht mit dem Lastenfahrrad nach Bali fuhren, sondern flogen.

Bei Reisen nach Bali wird der hohe CO2-Ausstoß thematisiert, der sicherlich nicht zu leugnen ist. Aber aus der richtigen Erkenntnis, dass CO2 die Erderwärmung fördert, ist mittlerweile eine Ersatzreligion namens Klimaschutz geworden. Dabei ist der CO2-Ausstoß der Sündenfall, die Vermeidung desselben die Erlösung, d.h. CO2-Vermeidung um jeden Preis das gesinnungsethische Dogma. Anpassungsmaßnahmen wie Klimaanlagen, Erhöhung der Deiche o.ä. gelten in diesem Weltbild als Abirrungen von der reinen Lehre. Wer trotzdem „sündigt“, also fliegt, dem wird gnädigerweise der Ablass – in Form von CO2-Zertifikaten – oder die Beichte, etwa durch Aktionen wie „Flüge kompensieren“ bei Atmosfair, angeboten.

„Der Flug nach Bali ist besonders klimaschädlich“, behauptet der Spiegel. Man solle „auf Fernreisen verzichten“. Das Verzichtsdenken geht natürlich noch über das Fliegen hinaus und verbindet die Klimaideologie mit ‚echten‘ Religionen wie Islam und Christentum: Der gläubige Muslim soll nur „halal“ essen, nichts anderes – darauf wird er in Indonesien permanent hingewiesen. Die allermeisten Waren – sogar Wasser – tragen ein „Halal“-Kennzeichen. Der klimagläubige Deutsche wiederum isst kein Fleisch und idealerweise sogar vegan. Auf letzteres wird er auf immer mehr Produkten, mittlerweile sogar auf einigen Cola-Flaschen, hingewiesen.

„Auf Bali fahren etliche Einheimische Lastenfahrrad, aber nicht aus Wohlstandsverwahrlosung, sondern schlicht, weil sie sich keine motorisierten Fahrzeuge leisten können.“

Der gläubige indonesische Moslem – die allermeisten Frauen sind verschleiert – bedenkt die fünf Säulen des Islam, isst und trinkt also im Fastenmonat Ramadan von morgens bis abends nichts. Er orientiert sich an den Geboten des Koran, verzichtet also aus religiösen Gründen etwa auf Sex vor der Ehe oder uneheliches Zusammenleben, was im neuen indonesischen Strafgesetzbuch, das ab 2025 gelten soll, auch kriminalisiert wird. Auch der klimagläubige Deutsche orientiert sich an den Dogmen seiner Ersatzreligion, diese durchdringen bei ernsthafter Befolgung das ganze Leben genauso wie bei Christentum, Islam oder auch der Corona-Ersatzreligion.

Neben dem Verkehrsmittel Flugzeug steht auch der Massentourismus generell im Fokus. Ein zu diesem Thema repräsentativer Artikel findet sich aus der Feder von Julia Rathcke in der Rheinischen Post. Der Massentourismus ist auf Bali genauso wenig ein Problem wie auf den kürzlich „unkritisch bereisten“ Kanaren, sondern vielmehr der entscheidende Wirtschaftsfaktor. (Dennoch hat sich die indonesische Regierung offenbar von westlichen Diskursen anstecken lassen und schränkt jetzt Neubauten auf Teilen der Insel ein.) Rathcke verlangt wiederum eine höhere Tourismussteuer, fordert „Respekt und Verzicht“. Den Lesern soll  – wie stets – ein schlechtes Gewissen eingeredet werden. Die Autorin belehrt sie, wie Gläubige im Christentum, etwa beim Schuldbekenntnis in der katholischen Kirche oder der Aufforderung zur Beichte.

Der Beitrag in der Rheinischen Post zeugt von Überempfindlichkeit und ideologischer Verblendung, so wird etwa das Thema Müll – genauer: „menschengemachter Müll“ – fast als Katastrophe behandelt. Es ist richtig, dass viele Touristen durchaus eine Menge Abfall verursachen, aber die Antwort sollte doch nicht in weniger Tourismus liegen, sondern in einer effizienter funktionierenden Müllabfuhr oder – angesichts vieler herumliegender Plastikflaschen – in einem Pfandsystem wie in Deutschland, den Niederlanden, den skandinavischen Ländern und mittlerweile auch den baltischen Staaten. Solche Lösungen schlägt Rathcke nicht vor, weil sie mutmaßlich gar keine Lösung sucht, sondern vorab den Entschluss gefasst hat, Balireisen zu verurteilen, und dafür Gründe – oder besser: Vorwände – sucht.

Zum Verkehr auf Bali schreibt die Autorin u.a. von Lärm, Abgasen und „stundenlangen Staus“. Letzteres sind auf Bali – trotz in der Tat vielen Verkehrs – sehr selten. Lärm ist beim Verkehr nicht zu vermeiden und Abgase zumindest bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren ebenso wenig. Da es bisher keine Bahnstrecken auf Bali gibt, könnte sich die Frage stellen: Sollte man daher dort besser Lastenfahrrad fahren? Das tun tatsächlich etliche Einheimische, aber nicht aus ideologischer Überzeugung oder Wohlstandsverwahrlosung, sondern schlicht, weil sie sich keine motorisierten Fahrzeuge leisten können.

„Der Zug von Jakarta nach Semarang benötigt für ungefähr 450 Kilometer nur gut 5 Stunden, die Wagen sind klimatisiert und sauber; bei meiner Fahrt ist der Zug pünktlich abgefahren und angekommen.“

Was kann man in Indonesien besichtigen? Obwohl flächenmäßig der indonesische Teil von Borneo sowie die Inseln Sumatra, Westguinea und Sulawesi größer sind, ist die Hauptinsel doch Java. Nicht nur der Einwohnerzahl und der politischen und wirtschaftlichen Bedeutung wegen, sondern auch für Kulturtouristen, wohingegen die vorher genannten Inseln eher Naturfreunde ansprechen. In der bisherigen Hauptstadt Jakarta sind noch Spuren aus der niederländischen Kolonialzeit zu finden. Seit dem 17. August 2024 ist aber nicht mehr Jakarta auf Java, sondern Nusantara auf Borneo die Hauptstadt Indonesiens. Letztere ist eine im Bau befindliche Retortenstadt, die bis 2045 fertig werden soll. Der Umzug erfolgt, weil durch die starke Bebauung Jakartas bei sumpfigem Untergrund der Boden jedes Jahr etliche Zentimeter absinkt und mittlerweile oft unter dem Meeresspiegel liegt, wodurch Überschwemmungen deutlich zunehmen.

Touristisch am interessantesten ist aber zweifelsohne der Raum Yogyakarta. In der Stadt Yogyakarta selbst gehören der Sultanspalast und die Ruine des Wasserschlosses zu den Sehenswürdigkeiten. Die Highlights liegen aber außerhalb der Stadt: die Tempelanlagen Borobudur und Prambanan. Bei Borobudur handelt es sich um die größte buddhistische Tempelanlage der Welt, und das in einem heute zu rund 90 Prozent muslimischen Land. Indonesien ist eben nicht Afghanistan, wo 2001 zwei Buddha-Statuen von den Taliban  gesprengt wurden. Prambanan zählt zu den größten hinduistischen Tempelanlagen Südostasiens. Interessanterweise begegnet man dort relativ wenigen westlichen Touristen, wie überhaupt auf Java. Wer noch nicht genug hat, kann auf Java dann noch Semarang mit dem großen chinesischen (buddhistischen) Tempel besuchen sowie die Tempel von Sukuh und Cetho hoch im Gebirge oder die archäologischen Stätten von Trowulan. Nicht unerwähnt gelassen sei noch der Berg Bromo, ein aktiver Vulkan.

Bei europäischen und gerade australischen Touristen besonders beliebt ist die Insel Bali, die im Gegensatz zum Rest des Landes von einer weit überwiegend hinduistischen Bevölkerung geprägt ist – wobei es erhebliche Unterschiede im Vergleich zu Indien oder Nepal gibt. Hier seien die Elefantenhöhle Goa Gajah, das Felsrelief Yeh Pulu, die Tempel Bessakih, Ulun Danu Batur, Ulun Danu Bratan, der Meerestempel Tanah Lot sowie das Bali Museum und die Tagallalang-Reisterrassen empfohlen. Da Bali touristisch sehr erschlossen ist, herrscht überall reger Andrang, viele Tempel sind sehr stark vermarktet und die Preise für Nichtindonesier ziemlich hoch.

Weil Java und Bali auf der Südhalbkugel liegen, sollte man die Insel man besten von Mai bis Oktober bereisen. Sehr viel Wert ist darauf zu legen, dass die Unterkunft über eine Klimaanlage verfügt, da das ganzjährig tropische Klima mit sich bringt, dass die Temperaturen nachts nie unter 20 Grad Celsius fallen und man tagsüber bei oft gut 30 Grad und mindestens 70 Prozent Luftfeuchtigkeit gar nicht weiß, wo man anfangen soll zu schwitzen. Auf Java kann auch Bahnfahren sehr empfohlen werden: Der Zug von Jakarta nach Semarang benötigt für ungefähr 450 Kilometer nur gut 5 Stunden, die Wagen sind klimatisiert und sauber; bei meiner Fahrt ist der Zug pünktlich abgefahren und angekommen. Welches Land, liebe Deutsche Bahn, ist jetzt das Schwellenland?

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