14.10.2016

Steuern auf das älteste Gewerbe der Welt

Kommentar von Monika Frommel

Titelbild

Foto: Petr Kratochvil via PublicDomainPictures (CC0)

Prostitution wird uneinheitlich besteuert. Steuerautomaten für den Straßenstrich und Abführungen der Bordellbetreiber sollte man bundesweit regeln.

900 Einsatzkräfte wurden im Frühjahr bei einer Razzia im Berliner Großbordell Artemis eingesetzt. Der Tatverdacht der Steuerhinterziehung gegen die Betreiber, einer der Anlässe für dieses Vorgehen, hat sich inzwischen zerschlagen.

Das Problem der Besteuerung in der Prostitution bleibt aber, allgemein betrachtet, weiter auf der Agenda. Seit einiger Zeit ist mit der Grundsatzentscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 16. Mai 2013 – Prostituierte müssen Gewerbesteuer zahlen – der Weg frei für eine bundeseinheitliche Regelung. Der BFH gab seine seit 1964 gültige – mit dem Prostitutionsgesetz (ProstG) nicht kompatible – Ansicht auf, wonach es sich bei der Prostitution um „gewerbsmäßige Unzucht“ handele und entschied, dass selbstständig tätige Prostituierte Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1 erzielen.

Die Arbeit der Prostituierten müsste pauschal besteuert werden, so dass nur diejenigen, die sich namentlich zu ihrem Beruf bekennen, über eine individuelle Einkommenssteuer das zurückfordern können, was sie ihrer Meinung nach bei der Pauschalierung zu viel bezahlt haben. Noch im Jahr 2003 empfahl der Bundesrechnungshof ein pauschaliertes Besteuerungsverfahren, weil sich das übliche Verfahren der Einzelveranlagung zur Einkommens- und Umsatzsteuer für Prostituierte aufgrund häufig wechselnder Arbeitsorte und Unstetigkeit als nicht angemessen erwiesen habe.

„Seit 2004 stellen einige Städte für die Straßenprostitution Automaten auf.“

Seit 2004 stellen einige Städte (wie Köln, Dortmund und Bonn) für die Straßenprostitution Automaten auf. Pro Tag können für Summen wie z.B. 6 oder 7,70 Euro Belege gezogen werden, die dann bei der persönlichen Besteuerung Verwendung finden. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat diese Art der Sonderbesteuerung als rechtmäßig eingestuft, wenn sich die Betreiber oder selbstständigen Sexarbeiter diesem Verfahren unterwerfen.2  Eine bundeseinheitliche Regelung wäre sinnvoll, ist bislang aber gescheitert.

Eine andere Variante, das sog. Düsseldorfer Verfahren 3 betrifft Bordelle und ähnliche Einrichtungen. Es orientiert sich daran, dass die Betreiber die pauschale Besteuerung für die in ihren Räumlichkeiten tätigen selbstständigen Sexarbeiterinnen durchführen und geht von Tagessätzen wie 15 (Frankfurt) oder 25 Euro (Düsseldorf) aus. Städte wie München nehmen am Düsseldorfer Verfahren nicht teil, auch Schleswig-Holstein, Bremen und andere Länder kennen keine vergleichbare Sonderbesteuerung. Bayern setzt auf eine Regelung, welche Sexarbeiter im Zweifel als abhängig einstufen und damit Betreiber verpflichten, Lohnsteuer und Sozialabgaben abzuführen. Die Strafverfolgungsorgane drohen auch mit Ermittlungsverfahren wegen § 266 a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt).

Würde eine bundeseinheitliche Regelung das Düsseldorfer Verfahren durchsetzen, müsste man für München einen Betrag von 30 Euro als angemessen ansetzen, ähnlich in Berlin. Der Grund für die unterschiedlich hohen Tagessätze liegt in den je nach Standort äußerst unterschiedlichen Einnahmen. Die Preise in München gestalten sich nun einmal deutlich anders als etwa in NRW-Städten.

„Dieses Verfahren wahrt den Datenschutz und erzwingt kein Outing.“

Dieses Verfahren wahrt den Datenschutz und erzwingt kein Outing. Es kann weitgehend anonym (in Bordellen, der Wohnungsvermietung oder anderen Betriebsformen über Künstlernamen) und damit flexibel ausgestaltet werden – und dennoch mit geringem bürokratischen Aufwand nachprüfbar. Es kann auch zwischen Regionen, Vollzeit- und Teilzeit-Dienstleistungen differenzieren, da es pro Tag Belege für die persönliche Steuererklärung der selbstständigen Prostituierten erstellt. Die namentliche Erfassung über Sammellisten ist entbehrlich, wenn die Zuordnung auf eine den Datenschutz gewährleistende Art möglich ist.

In einem solchen System ist auch die Steuerehrlichkeit eher zu erreichen. Steuerrechtlich genügt, dass die steuerpflichtige Person pauschal abgeführte Beträge in ihrer persönlichen Steuererklärung abziehen kann. Dazu reicht es aus, wenn Automaten aufgestellt werden und Betreiber verpflichtet werden, Belege auszustellen (ggf. Künstlernamen), so dass die steuerpflichtige Person Belege hat, die ihr – ggf. über einen Künstlernamen – zuzuordnen sind Diese können dann vom zuständigen Finanzamt eingesehen und entwertet werden, damit Missbrauch erschwert wird. Es ist nicht zu erwarten, dass Prostituierte in nennenswerter Zahl persönliche Steuererklärungen abgeben werden.

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