26.06.2023

Stellvertreterkrieg – ja, bitte

Von Boris Kotchoubey

Titelbild

Foto: Ronile via Pixabay (CC0)

Die Einmischung von Großmächten in Konflikte hat in der Vergangenheit interessante Folgen gezeitigt, z.B. bei der Entwicklung der westlichen Demokratie oder beim Erhalt des Monotheismus.

Ungefähr 200 Meter von meinem Haus beginnt eine Steubenstraße. Der Name des Friedrich Wilhelm von Steuben sagt den meisten deutschen Lesern wenig, während der Baron in den USA fast Kultstatus hat, jedenfalls bei all denen, die sich für Deutschland und die deutschen Wurzeln von nahezu 50 Millionen Amerikaner interessieren. Das sollte uns nicht verwundern, weil es die heute mächtigste Nation der Welt ohne diesen 1730 geborenen professionellen Krieger, der bereits im Alter von 9 Jahren neben seinem Vater in einem Krieg zwischen Russland und der Türkei war und schon mit 14 am Zweiten Sächsischen Krieg auf der preußischen Seite teilnahm, wahrscheinlich nicht gegeben hätte.

Im preußischen Dienst hat von Steuben Karriere im berühmten Freibataillon Mayr gemacht, das unabhängig von den Hauptkräften operierte. Diese Unabhängigkeit wurde auch zu seiner persönlichen Eigenschaft. Ein Liebling von Friedrich II., geriet er bald in einen Konflikt mit dessen Generaladjutanten Wilhelm von Anhalt, weswegen er 1762 den Dienst quittierte. Eine andere Hypothese, die allerdings die erste nicht ausschließt, besagt, dass der Grund für den Rücktritt in einer abweichenden sexuellen Orientierung Steubens lag. So oder so, er wurde mit allen Ehren im damals hohen Rang eines Stabskapitän verabschiedet und ging als Hofmarschall zum Fürsten von Hohenzollern-Hechingen.

Ein preußischer Columbus

In dessen winzigem Staat (ca. 8000 Einwohner) hatte er wenig zu tun, außer den Fürsten auf dessen langen Reise nach Frankreich zu begleiten. An einem Empfang dort lernte er unter vielen Hochwohlgeborenen einen Bürgerlichen kennen, der sich als Benjamin Franklin vorstellte und ihm erzählte, dass sich eine Gruppe britischer Kolonien in Nordamerika im schweren Kampf für ihre Unabhängigkeit befindet.

Für Steuben war eine Reise zu den Wilden nichts Ungewöhnliches, da er davor schon zweimal (einmal als kleiner Knabe, später mehrere Monate als Kriegsgefangener) in Russland gewesen war (Ironie aus). Er landete in Amerika, wo er einen wilden Haufen von militärisch völlig ungebildeten Freischärlern vorfand sowie deren Führer George Washington, der möglicherweise ein großer Politiker war, aber vom Kriegsgeschäft verstand er wenig. Nahe Null lagen auch die Chancen der Aufständischen. In jener Epoche war die britische Armee in der Lage, problemlos die koloniale Ordnung wiederherzustellen, wenn das Verhältnis zwischen Briten und Rebellen 1:2 oder 1:3 war; in den nordamerikanischen Kolonien lag dieses Verhältnis sogar bei 2:1.

„Ohne das amerikanische Beispiel hätte es wahrscheinlich keinen Demokratisierungsprozess in Europa gegeben.“

Steuben, der zwar Französisch, aber kein Wort Englisch sprach, wurde von Washington empfangen und bald zum Generalstabschef ernannt. In wenigen Monaten machte Steuben aus einer Miliz eine hochorganisierte europäische Streitmacht, brachte den Amerikanern den preußischen Drill bei, erklärte die Aufgabe jedes Ober- und Unteroffiziers, zeigte ihnen, in welcher Ordnung sie sich auf verschiedenen Terrains bewegen sollten, wie sie Hindernisse umgehen sollen, um nicht in diesem Augenblick unerwartet angegriffen zu werden u.v.a. Das Ergebnis war eine Armee, auf die auch der Soldatenkönig stolz gewesen wäre, obwohl sie nicht aus Untertanen, sondern aus freien Bürgern bestand. Seit 1957 feiern deutschstämmige Amerikaner jeden dritten Samstag im September auf der New Yorker Fifth Avenue in New York die Steubenparade.

Entkolonialisierung

So wichtig der persönliche Verdienst von Steubens war, soll der Beitrag vieler anderer Europäer nicht unterschätzt werden. Einige Personen wie Marquise de Lafayette erreichen einen hohen Bekanntheitsgrad – seinen Sohn hat er mit dem Namen George Washington getauft, – andere, wie Baron Johann von Kalb, sind weniger berühmt, obwohl sie gleichwertige Posten innehatten. Aber noch weniger Aufmerksamkeit widmen die Geschichtsschulbücher dem Fakt, dass gegen Briten nicht nur einzelne europäische Helden in den Reihen der amerikanischen Armee kämpften, sondern vollbesetze Streitkräfte der kontinentaleuropäischen Länder. In der Schlacht von Yorktown 1781 (nach welcher Georg III. die Unabhängigkeit der Kolonien anerkennen musste) war die französische Armee gleich groß wie die britische. Fast 2500 Mann stark war das überwiegend aus Deutschen bestehende Régiment Royal Deux-Ponts (Fremdenregiment des französischen Königs) unter der Leitung des Generals Christian von Zweybrücken. Nicht die US-Armee hat mit Hilfe von Französen und Deutschen die Schlacht gewonnen hat; vielmehr sollte man sagen, die französische Armee in diesem entscheidenden Sieg über die Briten auch von amerikanischen Truppen (die z.T. von Nicht-Amerikanern wie u.a. Steuben und Lafayette kommandiert wurden) unterstützt wurde.

Wir sind geneigt, in der Amerikanischen Revolution 1775 bis 1783 einen großen Schritt der Menschheit von der Adelsherrschaft zur Demokratie zu sehen, einen historischen Bruch von kaum vergleichbaren Maß, die erste politische Verkörperung der Aufklärung. Wir wissen, dass dieser Revolution unmittelbar eine Verfassung folgte. Ohne das amerikanische Beispiel hätte es wahrscheinlich keinen Demokratisierungsprozess in Europa gegeben.

Ganz anders aber stellt sich die Lage aus der Sicht  der Mächte dar, welche die Revolution tatsächlich ermöglichten. Allein der quantitative Faktor, die bloße Zahl der Französen und Deutschen in diesem Krieg und ihre hervorragende (oft, wie bei Steuben, entscheidende) Stellung beweist, dass das Ereignis, das wir im Nachhinein als Aufstand des amerikanischen Volkes gegen die britische Kolonialmacht betrachten, für sie damals der Stellvertreterkrieg der kontinentaleuropäischen Staaten (v.a. Frankreichs) gegen das arrogante Britische Imperium war.  Die nordamerikanischen Kolonisten (nicht „das amerikanische Volk“ – dieses gab es noch nicht!) waren aus dieser Sicht lediglich Holzfiguren im globalen Schachspiel der Großen, in dem es darum ging, den stolzen Briten ihre Grenzen aufzuzeigen.

„Das Herzogtum Preußen, verdankte seine Unabhängigkeit im 17. Jahrhundert letztlich dem Wettstreit zwischen Polen und Schweden für die Herrschaft über den Ostseeraum.“

War es jemals anders? Goethe („Egmont“) und Schiller („Don Karlos“) besangen den Freiheitskampf der niederländischen Provinzen gegen die spanische Herrschaft in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Aber können wir tatsächlich, ohne romantische Übertreibungen, daran glauben, dass die damals mit Abstand stärkste Infanterie der Welt, deren kleine Kompanien ganze Reiche in Südamerika eroberten, gegen die Niederlande verlieren konnte, ohne dass eine ganze Reihe verschiedener Großmächte, denen die Supermacht Spanien auf die Nerven ging – von England über Frankreich bis zum Vatikan –, , Druck ausgeübt hätte?

Für die nationalen Befreiungsbewegungen im 20. Jahrhundert gilt dasselbe in noch größerem Maße. Die meisten afrikanischen und viele asiatische Länder schulden ihre Existenz dem Fakt, dass die Herrschaft der alten Imperien, des britischen und des französischen, den beiden neuen Großmächten, der Sowjetunion und den USA, gleichermaßen ein Dorn im Auge war. 1956 verhinderten die beiden Erzfeinde im Kalten Krieg die Zerschlagung Ägyptens durch Großbritannien und Frankreich (immerhin Nato-Partner der USA) und retteten das Regime Nassers.

Natürlich kann man sagen, dass das nicht generell in der Geschichte gilt und dass sich andere Nationen ohne Konflikte der Mächtigeren entwickelten, z.B. Deutschland. Nun, ganz stimmt das auch nicht. Das Herzogtum Preußen, das 100 Jahre später seinen Namen der ersten deutschen Großmacht gab, die ihrerseits nach weiteren 100 Jahren der Kern des Deutschen Reiches wurde – dieses Herzogtum verdankte seine Unabhängigkeit im 17. Jahrhundert letztlich dem Wettstreit zwischen Polen und Schweden für die Herrschaft über den Ostseeraum, Stichwort Pax Oliviensis.

Warum sind wir Christen?

Mit ein bisschen Fantasie können wir uns vorstellen, wie merkwürdig die Welt aussehen würde, wenn die Großmächte niemals versucht hätten, die Freiheitsbestrebungen kleinerer Völker zu ihren eigenen (der Großmächte) Zwecken im globalen politischen Spiel auszunutzen. Sehr wahrscheinlich hätten wir in diesem Fall keinen westlichen Monotheismus, v.a. kein Christentum. In der Mitte des 2. Jahrhunderts v.Chr. (welches in diesem Fall offensichtlich gar nicht „vor Christi“ heißen würde) war Judäa eine autonome Provinz eines bis an die indischen Grenzen reichenden Imperiums von Seleukiden; diese waren Nachkommen von Seleukos I. Nikator („dem Siegreichen“), einem der Generale des berühmten großen Alexander.

Die Hellenisierung von Juden war damals schon so weit fortgeschritten, dass bis zum Übergang zur griechischen Religion mit flüssiger Transformation Jahwes in den Zeus nur ein Schritt blieb. Die unverblümte Machtgier der Jahwe-Priester trug zur Begeisterung des Volkes für ihre Religion nicht bei. Es kam sogar nahezu zu einem Bürgerkrieg zwischen den Clans zweier Priester, eines Jason und eines Menelaos – man merke die griechischen Namen der beiden! Die Sprache des Moses und der Propheten war längst vergessen, und das einfache Volk sprach den aramäischen Dialekt – stellen Sie sich vor, überall zwischen Klagenfurt und Kiel würde Schweizerdeutsch gesprochen. Die Sprache der gebildeten Juden war natürlich Griechisch.

Als König Antiochos IV. die Hellenisierung der Juden zu hart durchpeitschen wollte (angeblich hat er sogar den Tempel plündern lassen, was einige Historiker allerdings bezweifeln), lehnte sich eine Gruppe frommer Juden, überwiegend Anhänger des priesterlichen Geschlechts der Hasmonäer, gegen die seleukidische Oberhoheit auf und erklärte auch dem Hellenismus einen Kulturkrieg. Eine andere Hypothese besteht allerdings darin, dass der unmittelbare Anlass zum Aufstand v.a. die Steuererhöhung war, während die jüdische Identitätsfrage zur ideologischen Umrahmung (Framing) diente.

„Nationale Befreiungsbewegungen führten in der Geschichte erst dann zum Erfolg, wenn sie von großen Global Players unterstützt wurden.“

Auch dieser Aufstand hätte vom starken Feldherrn der Seleukiden, einem Lysias, genauso schnell niedergeschlagen werden können wie 2000 Jahre später der Aufstand der amerikanischen Kolonisten von der britischen Armee. Aber es gab zu diesem Zeitpunkt eine Macht, welche den Seleukidenstaat unbedingt schwächen wollte. Die Römische Republik hatte bereits eine uneingeschränkte Herrschaft über das westliche Mittelmeer erreicht und ihre Tentakel in den östlichen Mittelmeerraum ausgeworfen, der seit Alexander unter mazedonischen Königen verteilt wurde. Im selben Jahr 168, als jüdische Identitätskämpfer zum bewaffneten Widerstand übergingen, besiegelten die Römer in der Schlacht bei Pyrna gegen den griechischen König Philipp das endgültige Aus der einst ruhmreichen mazedonischen Phalanx.

Wie man schon  der Bibel entnehmen kann (2. Makkabäer 11, 34-38), wussten die römischen Botschafter in Antiochia vom jüdischen Aufstand, waren mit den Anführern der Aufständischen im steten Kontakt und übten auf Lysias völlig unverhohlen Druck aus, um ihn zu einem Kompromiss mit den radikalen Juden zu zwingen. Mit dem Prinzip der Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Reiches hielten sich die siegesbewussten Römer so ungenau, dass sie den seleukidischen Kampfelefanten sogar die Sehnen durchgeschnitten haben (allerdings nicht wegen der Juden, sondern um einen Feldzug gegen Ägypten zu verunmöglichen). Also wurde die Hellenisierung gestoppt und der Monotheismus gerettet.

Nationale Befreiungsbewegungen führten in der Geschichte erst dann zum Erfolg, wenn sie von großen Global Players unterstützt wurden. Was wir Jahrhunderte später als weichenstellende nationale Befreiungsbewegungen interpretieren, waren aus der Sicht der Zeitgenossen oft nichts anderes als Stellvertreterkriege zwischen Großmächten, die unter anderen Figuren auch einige Bauern benutzt haben, welche – wie wir jetzt wissen – mächtige Damen geworden sind.

„Gesinnungsethik ist nur theoretisch eine Ethik, in der Praxis entartet sie zu einer Willkür der Macht, die jedes Verbrechen mit angeblichen guten Motiven legitimieren kann.“

Die globalen Spieler von damals hatten nicht die geringste Ahnung davon, was sie eigentlich bewerkstelligt haben. Weder Friedrich II. von Preußen noch Ludwig XV. von Frankreich dachten nur einen Augenblick daran, dass mit der Abtrennung nordamerikanischer Kolonien vom britischen Mutterland eine neue Art demokratischer Gesellschaft entsteht. Friedrich kannte mindestens das Wort „Demokratie“, gebildet war er schon; Ludwig konnte mit dem Begriff wahrscheinlich nichts anfangen. Der nächste König, Ludwig XVI., der die Amerikaner noch stärker unterstütze als sein Großvater, wäre wahrscheinlich sehr überrascht gewesen, wenn ihm jemand gesagt hätte, dass der gloriose Sieg seiner Armee bei Yorktown eine politische und ideologische Bewegung auslöst, die ihm in nur wenigen Jahren seinen Kopf kosten wird. Und gar nicht vorstellbar wäre, dass jemand in Rom daran gedacht hätte, wie aus der Schwäche der Seleukiden ein geistiger Boden entsteht, auf dem ein junger Rabbiner erscheinen wird, dessen Predigten Jahrhunderte später die gesamte antike Zivilisation zu Fall bringen werden.

Interessenpolitik, aber richtig

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 verbreiten sich in der deutschen Öffentlichkeit zwei merkwürdige Ansichten: Erstens, ein „fairer“ Krieg würde bedeuten, dass kein Dritter eine Kriegspartei gegen die andere unterstützt; zweitens, dass eine Unterstützung nur dann berechtigt wäre, wenn sie vollkommen selbstlos, einzig aus moralischen Gründen, etwa als Verteidigung der „westlichen Werte“, aber keinesfalls in der Suche nach eigenem strategischem Profit erfolgt.

Es sollte deutlich geworden sein, dass sich die Geschichte der Menschheit, so wie wir sie kennen, unter den zwei oben erwähnten Bedingungen nicht ereignet hätte. Auf den Einwand, dass vielleicht besser wäre, wenn es diese Geschichte nicht gegeben hätte, kann ich nur die Gegenfrage stellen, welche bessere Geschichte diejenigen, die mit diesem Argument auftreten, vorschlagen können.

Ein Grund für diesen himmelschreienden Ahistorismus ist die in der gegenwärtigen deutschen Gesellschaft dominierende Gesinnungsethik, nach welcher der ethische Inhalt einer Handlung nicht von ihren Konsequenzen, sondern von den Motiven der Handelnden bestimmt wird. Diese Sichtweise ist schon in Bezug auf Personen unhaltbar, zumindest deshalb, weil niemand die Motive einer Person wirklich kennen kann, und am wenigsten die Person selbst (siehe Freud). Der beliebigen Zuschreibung guter oder bösen Intentionen einem uns sympathischen oder antipathischen Menschen sind keine Grenzen gesetzt. Deswegen ist die Gesinnungsethik nur theoretisch eine Ethik, in der Praxis entartet sie zu einer Willkür der Macht, die jedes Verbrechen mit angeblichen guten Motiven legitimieren kann.

„Je mehr von Moral gesprochen wird, umso wahrscheinlicher werden wir an die Nase herum geführt, und es handelt sich um eine Politik zugunsten einer von der Masse der Bevölkerung entfremdeten Clique.“

Angewendet auf die internationale Politik führt Gesinnungsethik ad absurdum. Hätte es Staaten gegeben, die eine selbstlose Politik gemacht hätten, so könnten wir von diesen Staaten nichts wissen, da sie schneller verschwunden wären als man von ihnen etwas gehört hätte. Am heuchlerischen ist die politische Gesinnungsethik aber in Deutschland, denn gerade die deutsche Politik hat sich niemals an Moral orientiert. Letztlich gehört „Realpolitik“ (das zynische Gegenteil der werteorientierten Politik) neben „Eigenvektor“ und „Kindergarten“ zu den deutschen Wörtern, die sogar in den US-amerikanischen Sprachgebrauch aufgenommen wurden. Als Beitrag zur Ethik in den internationalen Beziehungen gilt in Deutschland die Existenz eines Ministeriums, dessen Aufgabe die Verteilung der Gelder, die der deutsche Mittelstand im Schweiße seines Angesichts erarbeitet, an ohnehin superreiche afrikanische und asiatische Diktatoren ist. Ein Land, das sich mit der deutschen Entwicklungshilfe entwickelt hat, ist mir bisher unbekannt.

Wenngleich internationale Politik immer egoistisch ist in dem Sinne, dass sie durch eigene Interessen geführt wird, bedeutet das nicht, dass alle Formen der Politik gleich sind. Im Gegenteil gibt es wichtige Unterschiede, aber sie liegen nicht zwischen Moral und Interessen, sondern zwischen sehr verschiedenen Interessen. Zum einem unterscheiden sich kurzfristige und langfristige Interessen. Ein nächster Schuss Droge liegt zwar im sofortigen Interesse eines Drogenabhängigen, in seinem langfristigen Interesse wäre aber eine gute Therapie. Genauso können ausschließliche wirtschaftliche Beziehungen mit einem einzigen (z.B. dem günstigsten) Rohstoff-, Computer- oder Medikamentenhersteller kurzfristig im Interesse eines Staates liegen, langfristig führen sie jedoch zu einer schweren Anhängigkeit, und die Abstinenz ist qualvoll.

Zum anderen ist wichtig zu verstehen, wessen Interessen die Politik vertritt: die der breiten Kreise der Landesbevölkerung („America first“), oder die einer kleinen elitären Gruppe. Wenn von einer „ethisch orientierten“ und „wertebasierten“ Außenpolitik gesprochen wird, dient das oft dem Zweck, diesen Unterschied zu vernebeln. Je mehr von Moral gesprochen wird, umso wahrscheinlicher werden wir an die Nase herum geführt, und es handelt sich um eine Politik zugunsten einer von der Masse der Bevölkerung entfremdeten Clique. In der Globalpolitik, wie auch im privaten Leben, greifen Wasserprediger beim Frühstück zum Champagner.

jetzt nicht

Novo ist kostenlos. Unsere Arbeit kostet jedoch nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Unterstützen Sie uns jetzt dauerhaft als Förderer oder mit einer Spende!