02.08.2013

Shishas haben ausgedampft

Kommentar von Christoph Lövenich

Aufgrund der verschärften Rauchverbote in NRW dürfen Shisha-Bars den Genuss der Pfeifen nur noch vor der Tür zulassen. Einmal entfesselt werfen die Tabakbekämpfer Rauch, Dampf und alles, was ihnen gerade in den Kram passt, ungerechtfertigt in einen Topf.

Globalisierter Konsum bringt es mit sich, dass in deutschen Innenstädten Frozen-Joghurt-Läden amerikanischen Typs und Geschäfte für japanischen Bubble Tea entstehen. Gerade junge Leute zeigen sich oftmals sehr offen gegenüber solchen Einflüssen aus anderen Kontinenten. Auch im Bereich der Rauchkultur verbreitete sich in der jüngeren Vergangenheit hierzulande ein Importprodukt: Das Shisha-Rauchen in Anlehnung an orientalische Gebräuche. Vor allem junge Menschen, mit oder ohne Migrationshintergrund, erfreuen sich in der Gastronomie oder zu Hause dieses Genusses. Gaststättenbetreiber, zumeist mit Migrationshintergrund, schaffen sich so eine selbständige unternehmerische Existenz und in immer mehr klassischen deutschen Eckkneipen, Weinstuben und Bars findet man hinter dem Tresen eine fein gereinigte „Wasserpfeife“ für die Gäste.

All dies aber steht auf dem Spiel, wenn sich die gesetzlichen Rauchverbote weiter durchsetzen. Die nordrhein-westfälische Gesetzesverschärfung, die seit dem 1. Mai dieses Jahres gilt, sieht unter anderem ein absolutes Rauchverbot für die Gastronomie vor, so dass Shisha-Bars in NRW nur noch draußen vor der Tür rauchen lassen dürfen. Damit gerät das gesamte Geschäftsmodell an den Abgrund, erste Shisha-Bars haben bereits geschlossen, andere sind von Personalentlassungen und Schließungen bedroht, wie exemplarisch aktuelle Berichte aus Düsseldorf [1], Neuss [2] und Duisburg [3] zeigen. Ein Gastronom aus dem sauerländischen Meschede [4] geht optimistisch noch davon aus, dass im Innern seiner Lounge wenigstens der Rauch sogenannter Shiazo-Steine, aromatisierter Kieselsteine ohne Tabak, gestattet werden dürfte. Dies ist etwa in Bayern der Fall, wo zwar ein absolutes Tabakrauchverbot in der Gastronomie herrscht, nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichts [5] die Steine jedoch nicht darunter fallen.

„Die Gesetzesverschärfung sieht ein absolutes Rauchverbot für die Gastronomie vor, so dass Shisha-Bars nur noch draußen vor der Tür rauchen lassen dürfen.“

Schon der Vergleich, den der sauerländische Betreiber selbst heranzieht, nämlich dass die Steine zur Shisha so stehen wie das Liquiddampfen („E-Zigarette“) zum Zigarettenrauchen, sollte seine Hoffnungen aber trüben. Denn das NRW-Gesundheitsministerium unter Ministerin Barbara Steffens (Grüne) betrachtet mittlerweile das Dampfen auch als Rauchen, das dem Rauchverbot unterliegen soll. [6] So einfach können sich Regierende über naturwissenschaftliche Gegebenheiten hinwegsetzen, wie etwa den Unterschied zwischen dem Rauch verbrennender Pflanzenteile einerseits und andererseits dem Dampf von Flüssigkeiten.

Bei der Shisha geht es – vom neuen Phänomen der Shiazo-Steine abgesehen – um Tabakrauchen. Daher beschäftigt sich die offizielle Tabakbekämpfung (Tobacco Control) seit rund einem Jahrzehnt mit diesem Phänomen, an dem ihr in auffälliger Weise erst gelegen war, als es in der westlichen Welt Präsenz zeigte. Die WHO und Wissenschaftler aus Antiraucherkreisen betonen dabei regelmäßig Analogien zum Zigarettenrauchen und versteigen sich gar zu der Behauptung, eine Shisha-Sitzung entspräche einem Äquivalent von hundert Zigaretten.

Wie der in Frankreich lehrende Medizinanthropologe und Shisha-Experte Kamal Chaouachi jedoch belegt, kann davon keinerlei Rede sein. [7] Das Shisha-Rauchen unterscheidet sich in wesentlichen Punkten vom Zigaretten-, Zigarren- oder Pfeifenkonsum: Kontext, Konsumdauer (mit anderer Frequenz der Züge), um Größenordnungen weniger Stoffe im Rauch, Temperaturunterschied der Verbrennung, Wasser- und Glyercolkomponenten. Ferner wird beim Shishakonsum so gut wie kein Nebenstromrauch erzeugt.

Chaouachi weist nach, dass kurz nach der Jahrtausendwende im gleichen Stile wie bei anderen Tabakwaren die Verbotsstimmung durch unzählige „Studien“ aufgeheizt wurde, denen es an wissenschaftlicher Qualität mangelt. [8] Hierbei wird ständig von Wasserpfeifen gesprochen, einem generischen Kunstwort, ohne dabei zwischen den unterschiedlichen Arten, etwa der modernen Shisha, der chinesischen Bambuspfeife oder der traditionellen orientalischen Variante zu differenzieren.

„Die WHO und Wissenschaftler aus Antiraucherkreisen versteigen sich gar zu der Behauptung, eine Shisha-Sitzung entspräche einem Äquivalent von hundert Zigaretten.“

Relevante wissenschaftliche Literatur, die sich nicht ins Konzept der Prohibitionisten fügt, wird von diesen einfach unberücksichtigt gelassen. Diverse unseriöse Behauptungen über Zusammenhänge mit der Entstehung von Krebserkrankungen werden aufgestellt. Daher hoffte man, nach einer toxikologischen Untersuchung bei Shisha-Konsumenten reichlich Schadstoffe in deren Körperflüssigkeiten vorzufinden und zeigte sich dann enttäuscht, als im Vergleich zu anderen Tabakkonsumenten und sogar zu Nichtrauchern kein in dieser Hinsicht gut ausschlachtbares Resultat hervorkam. Dies zeigt überdeutlich, dass sich die Tabakbekämpfung nicht für die Gesundheit irgendwelcher Konsumenten interessiert, sondern nur für immer neue Propagandaware im Krieg für die „tabakfreie Welt“ (WHO-Motto).

Zu einem der vielen Opfern, die dieser Feldzug hinterlässt, droht nun das Shisha-Rauchen zu werden. Dies gilt auch in Ländern, in denen es zum Kulturerbe gehört. In Tunesien, Ägypten und Syrien [9] und jüngst in der Türkei haben die Rauchverbote zu Protesten geführt, die in weltbekannte, für die dort herrschenden Regime recht unangenehme Friktionen gemündet sind. In westlichen Ländern wie Deutschland oder Großbritannien [10] kommt hinzu, dass einschlägige Regulierungen die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund als Gaststättenbetreiber und das gemeinsame interkulturelle Miteinander junger Leute schwerwiegend untergraben. Immerhin waren bei einer der diversen Demonstrationen, die derzeit in NRW gegen das Rauchverbot stattfinden, Shisha- und andere Raucher im Protest vereint.

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