12.02.2025

Schweizer Staat hält Libertäre für geisteskrank

Von Andrea Seaman

Titelbild

Foto: Martin Abegglen via Flickr / CC BY-SA 2.0

Einem libertären Schweizer wurden seine legalen Waffen entzogen. Grund dafür war offenbar seine öffentlich geäußerte Gesinnung. Jetzt soll er zum Psychiater, um seine Waffen wiederzuerlangen.

Als Michael Bubendorf, ein Schweizer Unternehmer in der Schifffahrtsbranche und leidenschaftlicher Fallschirmspringer, im vergangenen Jahr ein neues Sturmgewehr kaufen wollte, rechnete er mit keiner Hürde. Seit jeher ein geübter Schütze, ohne Vorstrafen, mit tadellosem Leumund, ist er der Inbegriff eines verantwortungsvollen Waffenbesitzers. Doch das kantonale Bedrohungsmanagement Basel-Landschaft sah das anders. Die Fachstelle Waffen und Sprengstoff stufte ihn als „Gefahr für den Staat” ein. Man stellte die sich bereits in seinem Besitz befindenden Waffen sicher und untersagte den Neuerwerb. Erst wenn Bubendorf eine psychiatrische Untersuchung übersteht und seine geistige Eignung nachweist, kann er hoffen, sie zu zurückzuerhalten.

Warum dieses Vorgehen? Ein Blick in die Fallakten gibt Aufschluss. Michael Bubendorf ist Libertärer, Anhänger des Anarcho-Kapitalismus und ein scharfer Kritiker des staatlichen Gewaltmonopols. Während der Corona-Zeit äußerte er mit derselben kompromisslosen Überzeugung seinen Widerstand gegen die Maßnahmen der Regierung. Damals führte die Schweiz Impfzertifikate ein, die den Zugang zum öffentlichen Leben einschränkten, setzte eine Maskenpflicht durch und stigmatisierte jene, die es wagten, die plötzliche Aussetzung einst unantastbarer Freiheitsrechte infrage zu stellen.

Ein Polizeiverhör im September gerät zum Philosophieseminar. Die Beamten hinterfragen Bubendorfs Überzeugungen, es geht um Grundsatzfragen. Ein Polizist erklärt: „Anarchie bedeutet das Recht des Stärkeren, ohne Herrschaft, ohne Obrigkeit, ohne Staat.” Dann fragt er: „Finden Sie, dies passt zu einer Demokratie?” Bubendorf entgegnet: „Anarchie ist die Abwesenheit von Herrschaft. Das Recht des Stärkeren haben wir heute. Der Stärkste im Land ist der Staat.” Das Gespräch setzt sich in diesem Stil noch eine Weile fort.

An einer Stelle offenbart die Polizei einen eklatanten Mangel an Leseverständnis. Sie beziehen sich auf einen Artikel, den Bubendorf 2023 in der liberalen Zeitschrift Schweizer Monat veröffentlicht hatte. Darin verteidigt er unmissverständlich das Naturrecht und lehnt die Doktrin des Rechtspositivismus ab – die Vorstellung, dass Gesetze allein deshalb gültig und richtig seien, weil sie existieren. Zur Veranschaulichung zitiert er das nationalsozialistische „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ – Teil der Nürnberger Gesetze von 1935 –, ein Gesetz, das er als ungültig und des Gehorsams unwürdig verurteilt.

„Die Parallelen zur sowjetischen Praxis, Andersdenkende durch psychiatrische Maßnahmen zum Schweigen zu bringen, sind kaum zu übersehen.“

Doch der Polizist fragt tatsächlich: „Wollen Sie ernsthaft das ‚Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre’ anerkennen?” An anderer Stelle setzt er Bubendorfs Ansichten mit denen der erzreaktionären Reichsbürger-Bewegung in Deutschland gleich. In dieser absurden Befragung bringt es Bubendorf knapp auf den Punkt: „Ich glaube, Sie sehen Gespenster. Sie projizieren etwas in mich hinein, was nicht da ist.”

Der Polizist fragt auch: „Woher wissen wir, dass Sie Ihre […] Waffen nicht gegen den Staat/[die] Polizei einsetzen?” Bubendorf sagt dazu: „Ich kann meine zukünftige Unschuld nicht beweisen. Ich kann Ihnen nur versichern, dass ich Gewalt ablehne.” Wie Bubendorf schreibt, geriet er damit unter den Verdacht eines „Precrimes“, ganz wie in Philip K. Dicks dystopischem Roman „Der Minderheiten-Bericht“.

Abgesehen davon, dass Bubendorf stets friedliche Kritik an einem Staat geübt hat, dessen Auflösung er bevorzugen würde, und Gewalt entschieden ablehnt, decken sich seine Überzeugungen eng mit denen des Anarchokapitalisten und argentinischen Präsidenten Javier Milei. Milei reiste Ende Januar in die Schweiz, um vor dem Weltwirtschaftsforum zu sprechen und den Röpke-Preis für Zivilgesellschaft vom Liberalen Institut entgegenzunehmen.

Bei dieser Preisverleihung erhoben sechshundert Personen – viele aus der Schweizer Elite – unisono ihre Stimmen und füllten den Saal mit einem elektrisierenden Ruf: „Libertad! Libertad!“ Doch niemand behauptete, Mileis bloße Anwesenheit sei aufgrund seiner Ideen eine Bedrohung für den Schweizer Staat. Auch einige der Anwesenden bei dieser Preisverleihung besitzen Schusswaffen. Müssen wir nun damit rechnen, dass die Polizei an ihre Tür klopft?

„Dadurch, dass die Schweizer Polizei von libertären Kritikern der Staatsmacht psychiatrische Gutachten verlangt, liefert sie ein glänzendes Beispiel für autoritäre Paranoia.“

Die Auflage, dass Bubendorf einen Psychiater aufsuchen muss, stellt den Höhepunkt dieses Skandals dar. Die Parallelen zur sowjetischen Praxis, Andersdenkende durch psychiatrische Maßnahmen zum Schweigen zu bringen, sind kaum zu übersehen. Auf diese Weise werden seine libertären Überzeugungen pathologisiert und quasi als eine Form geistiger Erkrankung betrachtet.

Der Staat bestraft Bubendorf für seine öffentlich geäußerten Überzeugungen. Er wird absichtlich unter Druck gesetzt und dem Risiko ausgesetzt, von einem Psychiater für unzurechnungsfähig erklärt zu werden, nur weil er seine philosophischen Ansichten vertritt und äußert. In der Schweiz ist es jedoch vollkommen zulässig, ein durch die Verfassung geschütztes Recht wahrzunehmen: die Natur der Regierung zu hinterfragen und sich für den Anarchokapitalismus einzusetzen.

Aus diesem Grund hat die Free Speech Union Switzerland Bubendorf einen Rechtsbeistand zur Seite gestellt, um gegen diese offensichtliche Ungerechtigkeit vorzugehen. Wir sind fest entschlossen, uns dem psychiatrischen Gutachten zu widersetzen und sowohl die Verweigerung seines Rechts, eine Schusswaffe zu kaufen oder zu besitzen, als auch die empörende Einstufung als Gefahr für den Staat anzufechten. Dadurch, dass die Schweizer Polizei von libertären Kritikern der Staatsmacht psychiatrische Gutachten verlangt, liefert sie ein glänzendes Beispiel für autoritäre Paranoia.

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