17.03.2014

Schröder, die Ukraine und grüne Sprechverbote

Kurzkommentar von Ramin Peymani

Die grünen EU- Parlamentarier Harms und Cohn-Bendit wollten Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder verbieten, sich öffentlich zu „Russland-Themen“ zu äußern, weil er das Krisenmanagement der EU im Ukraine-Konflikt kritisiert hat. Ein unerhörter Vorgang, findet Ramin Peymani

Was für eine Schlappe für die selbsternannten Erziehungsberechtigten der Nation. Nach ihrem Einmarsch in die deutschen Wohnzimmer wollen sie ihr unseliges Treiben nun also auch auf Europa ausdehnen. Den Anfang sollte das EU-Parlament machen, das sich mit einem Antrag konfrontiert sah, keinem Geringeren als Gerhard Schröder Redeverbot zu erteilen. Nicht etwa im Parlament, sondern generell. So ungeheuerlich klang die Meldung, die am Donnerstagmittag über den Ticker lief, dass man an einen geschickt lancierten Satirebeitrag dachte. Dabei hatte es die grüne EU-Parlamentarierin Rebecca Harms gar geschafft, einige Abgeordnete der konservativen Fraktion mit ins Boot zu holen, die sich nicht zu schade waren, beim Anschlag auf die Meinungsfreiheit als Komplizen mitzuwirken. Doch das Attentat misslang, weil das Parlament die unwürdige Resolution abschmetterte. Der frühere Bundeskanzler Schröder, heute Aufsichtsratsvorsitzender der Gazprom-Tochter Nord Stream, hatte sich wiederholt kritisch zum Kurs der Europäischen Union in der Ukraine-Krise geäußert. Er bemängelte mehrfach ein fehlendes Verständnis für die Region und attestierte den EU-Verantwortlichen schwere Patzer, die überhaupt erst zur Eskalation geführt hätten.

„Schröders Positionen mögen hierzulande unpopulär sein, sie sind aber keinesfalls extremistisch oder aufhetzend.“

Dass Schröder in seiner aktuellen Funktion de facto Angestellter des russischen Präsidenten ist, schadet zwar seinem Ansehen in Deutschland, nicht aber dem Wahrheitsgehalt seiner Aussagen. Es ist ganz offensichtlich, dass das Krisenmanagement der Europäischen Union dilettantisch verläuft. Unsicheres Zögern zu Beginn, unrealistische Zusagen an die Opposition, die Zusammenarbeit mit fragwürdigen Gruppierungen zum Sturz des korrupten ukrainischen Ex-Präsidenten und die Androhung alberner Sanktionen kennzeichnen einen Kurs, der völlige Ratlosigkeit und ein krudes Russland-Bild offenbart. Selbst der sicherlich der Kollaboration mit Putin unverdächtige Alt-Kanzler Kohl stellte unlängst fest, dass es dem Westen an Sensibilität im Umgang mit Russland fehle. Schröders Positionen mögen hierzulande unpopulär sein, sie sind aber keinesfalls extremistisch oder aufhetzend. Derlei braucht es aber auch gar nicht, um ins Visier der Grünen zu geraten. Es genügt, zu widersprechen, um die eiserne Faust der Volkserzieher zu spüren. Wer anders denkt und spricht als die Moral-und Sprachpolizei, soll mundtot gemacht werden. Das hat schon CSU-Mann Dobrindt im letztjährigen Wahlkampf erfahren müssen.

„Wollen wir wirklich Menschen im Parlament haben, die Andersdenkenden Sprechverbot erteilen?“

Zwar war der grüne Maulkorb für Schröder schnell vom Tisch, doch ein fader Nachgeschmack bleibt. Harms ist immerhin auch die Spitzenkandidatin der Grünen für die Europawahl am 25. Mai. Wollen wir wirklich Menschen im Parlament haben, die Andersdenkenden Sprechverbot erteilen? Nach dem Fall der deutschen Sperrklausel für die Wahl hörte man aus der hiesigen Politik viele besorgte Stimmen, nun könnte die Zeit der Extremisten in der Europäischen Union anbrechen. Eine Forderung, wie sie gerade von Harms, Cohn-Bendit & Co. in Brüssel erhoben worden ist, hat man aber selbst aus dem radikalen Parteienspektrum in Deutschland noch nie vernommen. Sitzen die Extremisten also vielleicht längst in Brüssel? Doch grün ist in der Wahrnehmung vieler eben nicht braun und links ist nun einmal nicht rechts. So dürfen sich die guten Extremisten wohl weiterhin größtmöglicher Narrenfreiheit erfreuen, während sich die Kritiker einer intransparenten, undemokratischen und sich überschätzenden Europäischen Union am Pranger wiederfinden. Es wird Zeit, dass die Bevölkerung auch in Deutschland die Europawahl ernst nimmt, damit die Mahner künftig nicht nur einem Redeverbot entgehen, sondern tatsächlich Gehör finden.

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