03.05.2016

Pressefreiheit und Nachhaltigkeit

Kommentar von Thilo Spahl

Heute ist Tag der Pressefreiheit. Um die ist es in Deutschland gut bestellt. Wir sollten darauf achten, dass das so bleibt.

Die Feierlichkeiten zum heutigen UNESCO Tag der Pressefreiheit legen in diesem Jahr erstmals den Fokus auf „Informationsfreiheit und nachhaltige Entwicklung“. Da muss ich erstmal nachdenken, was gemeint sein könnte.  Hmm. Hmm. Mir fällt nichts ein. Ich lese in der UNESCO Pressemitteilung weiter und erfahre, es gehe darum, „in Übereinstimmung mit nationaler Gesetzgebung und internationalen Vereinbarungen allgemeinen Zugang zu Informationen zu sichern und fundamentale Freiheiten zu schützen.“

Das stehe in Nachhaltigkeitsziel Nummer 16, Absatz 10, der Ende 2015 verabschiedeten Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Zugang zu Informationen, lese ich, sei nicht nur ein Zweck an sich, sondern auch ein Mittel zur Erreichung von Sustainable Development Goal (SDG) 16. SDG 16 besteht darin, „friedliche und inklusive Gesellschaften für nachhaltige Entwicklung zu fördern, Zugang zu Gerechtigkeit für alle zu ermöglichen, und effektive, verantwortliche und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufzubauen.“

Man hat es also geschafft, die Pressefreiheit im allgemeinen Nachhaltigkeitsgedöns irgendwo unter „Ferner liefen noch“ mit unterzubringen. Ist ihr damit geholfen? Ist es ein Fortschritt, nicht mehr „nur“ Zweck an sich zu sein, sondern auch noch Mittel zum (höheren) Zweck. Wie lange wird es dauern, bis Freiheit überhaupt nur noch Mittel zum Zweck ist und immer dann eingeschränkt wird, wenn der Eindruck entsteht, dass sie dem großen Ziel der Nachhaltigkeit nicht dient?

Unliebsame Klimaskeptiker

Was passieren kann, wenn Wissenschaftler Meinungen transportieren, die von der offiziellen Linie abweichen, konnte in Deutschland schon beobachtet werden. Sie werden natürlich nicht erschossen, verhaftet oder mit Berufsverbot versehen. Aber sie müssen damit leben, behördlich gerügt zu werden.

2013 brachte das Umweltbundesamt (UBA) eine Broschüre mit dem Titel „Und sie erwärmt sich doch“ heraus. Darin wurde erklärt, dass es bedauerlicherweise Wissenschaftler und Journalisten gibt, die Unwahrheiten über den Klimawandel verbreiten. Genannt wurden u.a. Dirk Maxeiner und Michael Miersch. Ihr Vergehen bestand darin, dass sie in Artikeln Wissenschaftler zu Wort kommen ließen, die Zweifel an den Prognosen des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) und des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung äußerten. Pressevertreter waren über diese Anprangerung zu Recht empört. Martin Schneider, Vorsitzender der Wissenschafts-Pressekonferenz (WPK) erklärte:
„Es ist nicht Aufgabe einer staatlichen Institution festzulegen, welche Meinungen geäußert werden dürfen und welche nicht. Journalisten dürfen und müssen unterschiedliche Positionen vertreten, und sie dürfen und müssen immer wieder auch etablierte Wissenschaftler in Frage stellen.“

Im Übrigen könne es auch nicht Aufgabe einer Behörde sein, bestimmte wissenschaftliche Positionen quasi amtlich als wahr zu beurkunden. Da die betroffenen Journalisten es selbst genau so sahen, klagten sie auf Unterlassung. Der Prozess fand im November 2015 am Verwaltungsgerichts Halle statt. Das UBA bekam Recht. Der Richter begründete die Ablehnung der Klage damit, dass die Äußerungen des UBA, die eventuell die Persönlichkeitsrechte der Kläger berühren könnten, nicht unmittelbar im räumlichen Zusammenhang mit den Namen der beiden stünden.

Politische Bildung ohne Wahrheitsanspruch?

Dass es auch umgekehrt gehen kann, zeigt ein Beitrag in der Frankfurter Rundschau vom 21. Juni 2015. Da klagt ein Journalist darüber, dass die Bundeszentrale für politische Bildung einen „ausgewiesenen Leugner des Klimawandels“ (neben einem Grünen, einer Umweltjournalistin und einem Vertreter eines Energiekonzerns) als Teilnehmer zu einer Podiumsdiskussion eingeladen hatte. Zitiert wird Brigitte Knopf, die Generalsekretärin des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, die beteuert, das Recht auf freie Meinungsäußerung sei eine große Errungenschaft. Aber…

„Aber es ist mir nicht verständlich, dass die Bundeszentrale für politische Bildung dem selbst ernannten Experten Michael Limburg auf ihrem Podium ein Forum bietet, obwohl er den wissenschaftlichen Fakt nicht anerkennt, dass der Klimawandel im Wesentlichen menschengemacht ist.“ Das findet auch Rundschau-Autor Steven Geyer misslich. Offene Debatten hält er für riskant: „Läuft die Sache für ihn gut, könnten die unbedarfteren unter den „Multiplikatoren“ den Eindruck gewinnen, es sei doch nicht alles so klar mit dem Klimawandel.“

Nicht immer sind es also die Behörden, die freie Meinungsäußerung als problematisch betrachten und einschränken wollen. Manchmal sind es sogar Journalisten, die auch für Pro und Contra vorab einen Rahmen festlegen wollen, um sicherzustellen, dass die „Unbedarften“ nicht auf falsche Gedanken kommen.

Konformismus

Deutschland ist kein schlechtes Land für Journalisten. Sie müssen keine Angst vor Repression haben. Sie müssen sich keine großen Sorgen machen, wenn sie unbeliebte Staatsoberhäupter beleidigen. Sie können schreiben, was sie wollen. Gerade deshalb sollten wir darauf achten, den Konsens nicht zu sehr zu pflegen, den Versuchungen des Konformismus zu widerstehen und die Lust an einer kontroversen Debatte nicht zu verlieren. Denn eine freie Presse ist nur dann viel wert, wenn es auch eine vielfältige Presse ist.


PS: Wer mehr über die SDGs (sustainable development goals) erfahren will, dem empfehle ich den schmissigen SDG-Song. Er bietet eine garantiert unkontroverse Zusammenfassung.

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