05.09.2025
Maulkorb-Abkommen für „Fairness“
In Köln schränken zahlreiche Parteien durch ein „Fairness-Abkommen“ die politische Debatte im Sinne des Multikulturalismus ein. Es zeigt sich allerdings, dass das nicht mehr funktioniert.
Pünktlich vor der Kommunalwahl unterzeichneten CDU, SPD, Grüne, FDP, Linke und Volt gemeinsam mit dem „Kölner Runden Tisch für Integration“ ein „Fairness-Abkommen“, das den Parteien untersagt, im Kölner Kommunalwahlkampf „Vorurteile gegenüber Menschen mit Migrationsgeschichte zu schüren“, „Rassismus und Antisemitismus zu dulden“ oder Geflüchtete „pauschal für gesellschaftliche Probleme verantwortlich zu machen“.
Was auf den ersten Blick wie ein moralisches Bekenntnis klingt, ist bei näherem Hinsehen ein Maulkorb – selbst auferlegt von Parteien, die offensichtlich nicht wissen, wie sie mit einem Thema umgehen sollen, das weite Teile der Bevölkerung bewegt. Dass Elon Musk das Abkommen auf X kritisierte, machte es weltweit bekannt. Die britische Zeitung The Telegraph kommentierte trocken, es spiele vor allem der AfD in die Hände. Sie hat recht.
Neu ist die Vereinbarung nicht. Doch anders als in den Vorjahren, gab es diesmal Widerstand – und zwar aus den eigenen Reihen. Ausgerechnet die CDU, Mitunterzeichnerin des Abkommens, wagte den Tabubruch: Der Kölner Stadtrat Florian Weber verteilte ein Flugblatt gegen eine geplante Flüchtlings-Großunterkunft im Agnesviertel. Darauf der Slogan: „Nein zur Großunterkunft – für ein sicheres, lebenswertes Agnesviertel.“
Prompt folgte der moralische Zeigefinger: Angeblicher Verstoß gegen das Fairness-Abkommen! Doch anders als früher knickte die CDU diesmal nicht ein. Die Kölner Kreisvorsitzende Serap Güler verteidigte Webers Aussagen: „Wir werden keine dieser Aussagen zurückziehen. Diese Flüchtlingsunterkunft von ungefähr 500 Personen gehört nicht an diesen Platz, wo es eh schon genug Herausforderungen und Probleme gibt. Insofern ist es keine Hilfe für die Menschen.“ Weber zufolge seien die Ombudsleute des Runden Tisches zu dem Schluss gekommen, dass sein Flugblatt nicht gegen das Abkommen verstoßen habe.
„Köln war immer mehr als Karneval und Dom – es war auch die inoffizielle Hauptstadt des deutschen Multikulti-Experiments.“
Der Schlüssel dazu liegt in der DNA dieser Stadt. Köln war immer mehr als Karneval und Dom – es war auch die inoffizielle Hauptstadt des deutschen Multikulti-Experiments. Als 2017 das Abkommen erstmals verabschiedet wurde, lagen die Ereignisse der Kölner Silvesternacht 2015/16 noch in frischer Erinnerung: Hunderte Frauen wurden am Hauptbahnhof von Gruppen junger Männer umzingelt, bedrängt, bestohlen und sexuell belästigt. Die späteren Ermittlungen identifizierten die Täter mehrheitlich als muslimische Männer nordafrikanischer oder arabischer Herkunft. Die schockierende Nacht offenbarte zwei Wahrheiten: die Schattenseiten unkontrollierter Migration – und die Angst der Eliten vor dem eigenen Volk. Die Behörden versuchten tagelang, die Herkunft der Täter zu verschleiern. Polizeipräsident Wolfgang Albers musste schließlich zurücktreten, auch, weil er Informationen zu lange vor der Öffentlichkeit zurückgehalten hatte.
Kein Zufall ist auch der Standort der größten Moschee Deutschlands – errichtet mitten in Köln, mit Platz für 4000 Gläubige. Finanziert von der türkischen Religionsbehörde Diyanet, eingeweiht von Recep Tayyip Erdoğan persönlich. Dass dieses monumentale Gebäude ausgerechnet hier steht, hat politische Symbolkraft: Kölns Lokalpolitik hat den Bau trotz massiven Widerstands aus der Bürgerschaft aktiv befördert.
Prominente Kritiker wie der jüdische Publizist Ralph Giordano warnten: „Es gibt kein Grundrecht auf den Bau einer zentralen Großmoschee.“ Der damalige Kölner Erzbischof, Kardinal Meisner, mahnte, die Muslime dürften nicht Territorien schaffen, „auf denen sich die Scharia entfaltet“. Für solche Aussagen ernteten beide nicht Dank, sondern den Vorwurf der Islamophobie – in Meisners Fall teils aus den eigenen Reihen.
Kölns Fairness-Abkommen ist die logische Konsequenz einer Politik, die nie gefragt hat, was die Menschen wollen, sondern was man ihnen zumuten kann. Multikulti zielte auf Transformation. Die Einheimischen sollten lernen, Vielfalt zu „ertragen“ und sich der Welt zu öffnen. Zuwanderung wurde nicht als Herausforderung, sondern als moralischer Fortschritt verkauft. Kritik galt als reaktionär, Warnungen als rassistisch. Wer sich nicht anpasste, wurde nicht widerlegt, sondern diffamiert. Die Silvesternacht 2015, die Masseneinwanderung, die Integrationsprobleme – all das durfte besprochen werden, aber bitte nicht im „falschen Ton“. Genau das versucht das Fairness-Abkommen festzuschreiben: eine politische Hygienezone, die Diskussionen sterilisiert.
„Selbst in diesem Zentrum des Multikulturalismus drängen Wähler, die früher ignoriert wurden, darauf, gehört zu werden.“
Doch dieser Deckel hält nicht mehr dicht. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass 78 Prozent der Kölner glauben, ihre Stadt befinde sich im Niedergang. Die AfD, die jahrelang irrelevant war, liegt in Umfragen bei über 10 Prozent. 2014 und 2020 lag sie noch bei 4 Prozent. Obwohl sie immer noch unter dem Bundesdurchschnitt liegt, erreicht sie jetzt in Umfragen über 10 Prozent. Das ist mehr als das Doppelte ihres früheren Ergebnisses.
Auch die Wahlbeteiligung war in Köln bisher erschreckend niedrig: 2020 lag sie bei knapp über 50 Prozent, 2014 knapp darunter. Doch die Zeiten, in denen sich die etablierten Parteien darauf verlassen konnten, ohne echte Mehrheiten zu regieren, sind vorbei. Selbst in diesem Zentrum des Multikulturalismus drängen Wähler, die früher ignoriert wurden, darauf, gehört zu werden.
Wenn die CDU damit begonnen hat, den alten Konsens des Multikulti-Establishments vorsichtig aufzubrechen, dann deshalb, weil ihr klar ist, dass sie keine Wahlen gewinnen kann, ohne auf die Sorgen der Menschen einzugehen. Der britische Journalist Brendan O’Neill schrieb auf spiked nach der Silvesternacht 2015: „Die moralische Unterdrückung durch den Multikulturalismus zielt darauf ab, die Politik selbst zu unterdrücken – nämlich eine freie, offene, konfliktreiche Diskussion über Werte und Zukunft.“
Das Fairness-Abkommen ist ein Produkt dieser unterdrückten Zeit. Wir sollten das Ende dieser erstickenden Ära feiern. Und wir sollten nicht vergessen, dass es der Populismus war, der das Fenster für eine authentische politische Debatte wieder geöffnet hat. Es bleibt abzuwarten, wie die Wähler am 14. September darauf reagieren werden.