30.10.2024

Der Populismus verändert Deutschland

Von Sabine Beppler-Spahl

Titelbild

Foto: JouWatch via Flickr / CC BY-SA 2.0

Auf dem Battle of Ideas in London sprach Sabine Beppler-Spahl zum Thema Populismus in Deutschland.

Deutschland ist von einer populistischen Revolte erfasst worden. Nichts verdeutlicht dies mehr als die Wahlen in diesem Jahr. Aus den jüngsten Landtagswahlen und der EU-Wahl konnte die rechtspopulistische AfD mindestens als zweitstärkste Partei hervorgehen. In Thüringen kam sie sogar auf Platz eins. Und das, obwohl auch die linkspopulistische BSW von Sarah Wagenknecht, die erst im Januar gegründet worden war, große Gewinne erzielte. Die Hoffnung der etablierten Kreise, die Populisten würden sich gegenseitig die Stimmen abspenstig machen, hat sich als Trugschluss erweisen. Besonders schockiert waren die Vertreter der etablierten Parteien über die große Zahl von jungen Wählern, die der AfD ihre Stimme gaben.

Der wohl ehrlichste Kommentar zu diesen Wahlen kam nicht von einem Populisten, sondern von dem FDP-Politiker Wolfgang Kubicki. Nachdem seine Partei in Thüringen, Sachsen und Brandenburg regelrecht pulverisiert worden war, sagte er: „Die Ampel hat ihre Legitimität verloren […]. Wenn ein beträchtlicher Teil der Wählerschaft ihr in dieser Art und Weise die Zustimmung verweigert, muss das Folgen haben.“

Doch welche Folgen? Die etablierte Politik, so viel ist anzunehmen, wird es in den nächsten Jahren kaum schaffen, das Vertrauen großer Teile der Wählerschaft zurückzugewinnen. Ansätze, die einen Ausweg aus ihrer Krise versprechen könnten, sind kaum zu erkennen. Zu distanziert sind sie von ihrer nationalen Wählerbasis und zu festgefahren in ihrer Reaktion auf die populistische Herausforderung.

Eine Art und Weise, in der die etablierten Parteien versuchen, wieder Boden zu gewinnen, kann als „Strategie der Zugeständnisse“ bezeichnet werden. Die Regierung verspricht, sich nicht länger taub zu stellen und die Meinungen der Wähler stärker zu berücksichtigen. Das tut sie, indem sie z.B. – wie im Sommer geschehen – ankündigt, wieder Kontrollen an den Landesgrenzen einzuführen. Was in den vergangenen Jahren noch undenkbar schien, wurde plötzlich möglich gemacht.

„Wenn die Wähler keine ungeregelte Migration mehr wollen, gibt es für sie keinen Grund, sich von den Populisten abzuwenden.“

Das Problem für die Politik ist jedoch, dass diese Initiative nicht von ihr, sondern von den Populisten ausging. Die Wähler registrieren sehr wohl, dass die Politik damit lediglich auf den Druck reagiert – und dies zudem nur unwillig. Dank ihrer tiefen Verankerung in der EU – die weit über die Verankerung in der nationalen Wählerschaft hinausgeht – legt die Politik Wert darauf, auf den provisorischen Charakter der Kontrollen hinzuweisen. Wenn die Wähler also keine ungeregelte Migration mehr wollen, gibt es für sie keinen Grund, sich von den Populisten abzuwenden.

Noch schlimmer ist, dass die Politik, parallel zu der „Strategie der Zugeständnisse“, weiterhin an ihrer autoritären „Brandmauer-Strategie“ festhält. Wenige Wochen nach den verlorenen Wahlen, hat sich eine Gruppe von Abgeordneten aus verschiedenen Fraktionen zusammengetan, um ein AfD-Verbotsverfahren einzuleiten. Sie wollen allen Ernstes eine Partei verbieten, die in manchen Teilen Deutschlands von über 30 Prozent der Wähler unterstützt wird! Autoritäre Maßnahmen dieser Art sind zur Standardreaktion im Kampf gegen die Populisten geworden. So wird nach jeder Wahl klargestellt, dass die AfD keinesfalls an einer Regierung beteiligt sein darf – selbst wenn dies immer kompliziertere Koalitionen zwischen den anderen Parteien zur Folge hat.

Auch die Angriffe auf die Redefreiheit nehmen zu. Im August berichtete die Presse von über 700 Anzeigen, die Robert Habeck seit April letzten Jahres gegen „Hassnachrichten“ gestellt habe. Der Wirtschafts- und Klimaminister (mehr Klima als Wirtschaft) ging damit auch gegen Bürger vor, die ihn als Idioten bezeichnet hatten.

„Es sind die Populisten, die die wichtigen Themen besetzen und die etablierten Parteien unter Druck setzen.“

Wenn all das keinesfalls dazu geeignet ist, das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen, so gibt es noch einen weiteren Grund zur Skepsis, dass dies gelingen kann: Der Kampf gegen rechts ist für die etablierte Politik zu einer der wichtigsten Legitimitätsgrundlagen geworden.

Deutschland steht vor immer größeren Problemen, die die Regierung offenbar nicht in den Griff bekommt. Zu den Herausforderungen gehören die sich verschärfende Wirtschaftskrise (Deutschlands Wirtschaft schrumpft weiter), aber auch die, zumindest gefühlte, Zunahme organisierter Kriminalität (in Köln gab es in diesem Sommer eine ganze Serie von Anschlägen) und die andauernde Gefahr durch den Islamismus (dem in den letzten Monaten mehrere Menschen zum Opfer fielen). All das ist nichts, was die Regierung erfreut. Doch, in ihrer Verzweiflung hofft sie, die Wähler wenigstens damit locken zu können, dass sie die Populisten bekämpft: „Die Lage ist nicht gut, aber wenigstens schützen wir den Staat und die Demokratie“, so ihre Botschaft.

Überzeugen kann das immer weniger Wähler, wie sich gezeigt hat. Immer mehr haben sich den Populisten zugewandt. Die Rhetorik des Kampfes gegen rechts beeindruckt sie nicht mehr – auch wenn die AfD tatsächlich in einigen Teilen eine sehr unangenehme Partei ist. Doch die Wähler wissen: Es sind die Populisten, die die wichtigen Themen besetzen und die etablierten Parteien unter Druck setzen. Der Populismus ist die Kraft, die Veränderung bringt.

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