07.09.2021

Laschet lasch beim Klima?

Von Sabine Beppler-Spahl

Titelbild

Foto: Metropolico.org via Flickr (CC BY-SA 2.0 / bearbeitet)

Wenn man die Berichterstattung verfolgt, könnte man fast meinen, dass der Klimawandel das einzige Thema ist, das in diesem Wahlkampf zählt. Doch die Deutschen sind sich dabei alles andere als einig.

Vorletzte Woche sorgte eine Äußerung von Armin Laschet für einige Kritik: Der Klimawandel müsse sozialverträglich gestaltet werden, sagte er, und Deutschland brauche auch in 20 Jahren noch eine Stahlindustrie, eine Autoindustrie und eine chemische Industrie. Besonders umstritten war, dass er den Grünen und der SPD vorwarf, die soziale Frage und die Arbeitsplätze vergessen zu haben, weil sie sich nur um die Ideologien kümmerten. Angesichts der Tatsache, dass sich alle etablierten Parteien dem Netto-Null-Klimaziel verschrieben haben, klang Laschets erfrischende Skepsis gegenüber der grünen Agenda fast wie ein Aufruf zur Revolte.

Viel zu viele Politiker und Beobachter wollen, dass die bevorstehenden Bundestagswahlen die „Klimawahlen" werden. Die Grünen haben, wenig überraschend, das Klima in den Mittelpunkt gestellt. Sie wollen im Kabinett das größte Klimaschutzpaket beschließen, das es je gegeben hat und ein, mit Veto-Recht gegenüber allen anderen Ressorts ausgestattetes, Klimaschutzministerium einführen. Die SPD hinkt nicht weit hinterher und will sich verpflichten, den Ausstoß von Kohlendioxid bis 2045 auf Null zu reduzieren. Obwohl die CDU ebenfalls eine  Netto-Null-Emission bis 2045 versprochen hat, wurde Laschet wiederholt vorgeworfen, den Klimawandel nicht ernst genug zu nehmen. Ein Kanzler Laschet wäre „Gift fürs Klima“, heißt es in einem Kommentar bei ntv. Der Kommentator, Sebastian Huld, wirft ihm vor, dass er – im Gegensatz zu den beiden anderen Kanzlerkandidaten – nicht persönlich an einer  Klimadebatte der Klimaallianz (ein Netzwerk verschiedener NGOs) teilgenommen hat.

Laschet hat jedoch gute Gründe, seine grünen Kritiker zu ignorieren. Immer wieder haben Umfragen gezeigt, dass sich die Wähler zwar Sorgen um das Klima machen, aber viele nicht die hochfliegenden Ziele der Klimaaktivisten teilen. Vor den Überschwemmungen im Juli meldete der ARD-DeutschlandTrend, dass lediglich 28 Prozent der Deutschen den Umwelt- und Klimaschutz für das wichtigste oder zweitwichtigste Problem hielten. Selbst unmittelbar nach der Flutkatastrophe zeigte eine Allensbach-Umfrage, dass der Klimawandel zwar an Bedeutung gewonnen hatte, aber immer noch nicht als oberste Priorität gilt. Bei der Frage, was eine Partei erfüllen müsse, um bei der Stimmabgabe in Frage zu kommen, landete die Positionierung bei der Migration noch vor dem Klima. Zu den anderen Themen, die den Befragten besonders wichtig waren, gehörten die Stärkung des Gesundheitssystems, ein verlässlicher und guter Schulunterricht sowie die Renten und Sozialsysteme. Die große Mehrheit wolle keinen Klimaschutz um jeden Preis, heißt es in der Studie. Nicht überraschend stellt Professor Renate Köcher, die die Umfrage leitete, fest, dass das Thema Umweltschutz und Klima vor allem von Teilen der Wirtschaft, der Politik und den „höheren sozialen Schichten” (den Wohlhabenden) vorangetrieben wird.

„Immer mehr Wähler erkennen, wie irrational die deutsche Klimapolitik geworden ist.“

Unsere Politiker müssen aufhören, das Klima als das einzige Thema zu betrachten, das zählt. Laschet mag nicht besonders beliebt sein, und es ist alles andere als sicher, ob er die Wahl gewinnen wird. Manche seiner Kritiker behaupten, das liege an seiner mangelnden Begeisterung für Klimapolitik. Wenn überhaupt, dann ist er unbeliebt, weil er zu zögerlich ist. Würde er es nämlich wagen, eine alternative Sichtweise zu präsentieren und der grünen Orthodoxie energischer entgegenzutreten, könnte er einiges an Zustimmung gewinnen. Durch sein laues Auftreten setzt er sich dem Vorwurf des Zauderns und der Führungsschwäche aus.

Dabei bietet die Klimapolitik jedem Politiker oder jeder Partei ein Vorlage, die sie nur zu verwandeln brauchen. Immer mehr Wähler erkennen, wie irrational die deutsche Klimapolitik geworden ist. So stammt auch nach der enorm teuren Energiewende ein großer Teil der Energie in Deutschland weiterhin aus nicht erneuerbaren Quellen. Laut Umweltbundesamt beträgt der Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch zwar 17 Prozent, doch  bei näherem Hinschauen zeigt sich, dass ein Großteil davon aus der Verbrennung von Holzpellets stammt, die nach Ansicht einiger Wissenschaftler nicht wirklich CO2- neutral ist. Der Anteil an Wind- oder Sonnenenergie liegt dagegen nur bei ca. 5 Prozent.

Noch absurder war die Entscheidung, die Kernkraftwerke abzuschalten, obwohl sie weder CO2-Emissionen verursachen noch zum Klimawandel beitragen. Eine zuverlässige und billige Energieversorgung ist wesentlicher Bestandteil jeder industriellen Wirtschaft. Die grüne Politik hat dazu geführt, dass Deutschland zu den Ländern mit den höchsten Stromkosten in Europa gehört. Zu alldem hat sich Laschet bisher nicht geäußert. Gewiss steckt er in einer Zwickmühle, denn immerhin wurde der Ausstieg aus der Kernenergie von seiner eigenen Partei unter der Führung der Klimakanzlerin Angela Merkel vorangetrieben.

Überraschen kann es daher nicht, dass Laschet in der Klimadebatte zunehmend nervös wird. Er weiß, dass er von vielen Medien, Mitgliedern seiner eigenen Partei und von Klimaaktivisten unter Beschuss geraten wird. Aber ihm ist auch bewusst, dass immer mehr Wähler deren Begeisterung für grüne Politik nicht teilen. Letztendlich sollten die Wähler entscheiden, ob das Klima die Priorität der nächsten Regierung sein soll. Dafür aber müssen ihnen aber auch Parteien zur Verfügung stehen, die andere Schwerpunkte setzen.

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