14.10.2024
Joker: Folie à Flop
Von Andrea Seaman
Der neue Spielfilm über den legendären Batman-Widersacher, „Joker: Folie à Deux“, gerät zum Trauerspiel, nicht nur kommerziell und bei der Kritik. Der Zeitgeist begräbt einen Kult-Bösewicht.
Man muss schon sehr hart im Nehmen sein, um „Joker: Folie à Deux“ in seiner ganzen Katastrophalität zu ertragen. Todd Phillips, der Regisseur, hat es tatsächlich geschafft, die Mittelmäßigkeit seines ersten Joker-Films nicht nur zu wiederholen, sondern in etwas Schlimmeres zu verwandeln.
Joaquin Phoenix kehrt als Arthur Fleck – oder sollten wir sagen, als der gescheiterte Möchtegern-Joker – zurück. Doch anstatt uns den Kronprinzen des Verbrechens zu präsentieren, den wir erwartet hatten, werden wir Zeugen eines hilflosen, dahinsiechenden Mannes, der weder die Kontrolle über seine eigene Geschichte noch über sein Schicksal hat.
Arthur Fleck, der nach den Ereignissen des ersten Films im Arkham State Hospital eingewiesen wurde, wird hier nicht als genialer Widersacher Batmans inszeniert, sondern als ein tragisches Wrack. Harley Quinn, gespielt von Lady Gaga – in ihrer Rolle als manipulative Verführerin die Krönung eines völlig fehlgeleiteten feministischen Emanzipationsversuchs – ist die treibende Kraft dieses Gerichtsdramas. Was einst eine tragische Romanze zwischen dem Joker und seiner besessenen Handlangerin war, wird zu einer Beziehung, in der Harley die Kontrolle innehat und Arthur nur noch hilflos ihrer Willkür unterworfen ist.
Die Dynamik aus den Comics, in denen der Joker Harley in den Wahnsinn treibt und sie als sein Werkzeug manipuliert, ist in „Folie à Deux“ komplett auf den Kopf gestellt. Harley ist nun die aktive Manipulatorin, die Arthur in sein Alter Ego, den Joker, zwingt – durch Lügen und Täuschung. Am Ende, als Fleck beschliesst, sich nicht länger als Joker auszugeben (ja, das passiert tatsächlich), bleibt er verlassen und völlig entblößt zurück. Es folgt der Abschluss dieses Fiaskos: Arthur Fleck wird, nachdem er bereits in einer Szene von Gefängniswärtern vergewaltigt wurde, am Ende von einem namenlosen Mithäftling brutal ermordet. Ein erbärmlicher Tod für eine Figur, die einst Kaiser des Chaos war.
„In Zeiten, in denen keine Frau auf der Leinwand mehr dem Willen eines Mannes unterworfen sein darf, wird Harley Quinn zur dominierenden Figur dieses Films.“
In Zeiten, in denen keine Frau auf der Leinwand mehr dem Willen eines Mannes unterworfen sein darf, wird Harley Quinn zur dominierenden Figur dieses Films. Ähnlich wie in „Napoleon“, wo Phoenix in der Titelrolle von der Figur der Josephine in den Hintergrund gedrängt wird, steht auch hier Arthur Fleck im Schatten einer Frau, die ihn komplett überflügelt. Phillips degradiert in seinem verzweifelten Versuch, jede Spur von „toxischer Männlichkeit“ zu vermeiden, den Joker zu einer Marionette.
Eine weitere Fehlentscheidung war, diesen Film als Musical zu inszenieren. Es scheint, als hätte Phillips keinen Plan gehabt, wie er die inhaltliche Leere des Films füllen sollte, und sich deshalb für einen Griff in die Mottenkiste der Musical-Klischees entschieden. Lady Gaga ist nicht in der Lage, die sinnlosen Gesangseinlagen zu retten. Statt die Handlung zu bereichern, bremsen die musikalischen Nummern das ohnehin schleppende Tempo des Films weiter aus. Es bleibt ein Rätsel, warum ein solches Format für den zweiten Film gewählt wurde, da der erste keinerlei Anzeichen dafür bot.
Doch abgesehen von den künstlerischen Fehlschlägen ist der wahre Zynismus dieses Films an seine Fans gerichtet. Der erste Joker-Film wurde von einer bestimmten Gruppe von Zuschauern, den sogenannten Incels, gefeiert, die Arthur Fleck in seiner Isolation und seinem Leiden als eine Art tragischen Helden sahen. Diese unangenehme Verbindung sorgte für heftige Debatten. Man warf dem Film vor, gefährliche Männlichkeitsbilder zu verherrlichen. Todd Phillips scheint in „Folie à Deux“ jedoch eine schroffe Antwort darauf zu geben: eine Verachtung für jene, die den ersten Film enthusiastisch aufgenommen haben. Mit diesem zweiten Teil sagt er unmissverständlich: „Wenn ihr das wollt, bekommt ihr es, aber so, dass ihr es hasst.“
„Indem Regisseur Phillips den Joker systematisch entmännlicht und erniedrigt, führt er die Figur und ihre Verehrer ad absurdum.“
Arthur Fleck, der in Folie à Deux als hilfloses Opfer dargestellt wird, verliert jegliche Autonomie. Der Joker, einst Symbol für Chaos und Anarchie, wird hier in einer Umkehrung selbst Opfer sinnloser Gewalt – ein letzter Hohn für all jene, die in ihm einen Antihelden gesehen haben. Es ist wahrscheinlich, dass Phillips versucht, jede Verbindung zur „Incel-Kultur“, die dem ersten Film zugeschrieben wurde, auf brutalste Weise zu kappen. Indem er den Joker systematisch entmännlicht und erniedrigt, führt er die Figur und ihre Verehrer ad absurdum. Arthur Fleck wird nicht nur besiegt, er wird zerstört – körperlich, psychisch und symbolisch.
Vergleicht man Phoenix' Darstellung heute mit den Größen der Vergangenheit – Heath Ledger, Jack Nicholson, als Zeichentrick-Stimme Mark Hamill – wird klar, dass sein Joker diesen gegenüber verblasst. Was einst eine vielschichtige Figur war, ist heute nur noch ein witzloser Hohn. Dass dieser Joker von Kritikern und Publikum gleichermaßen zerrissen wurde, zeigt sich deutlich an den Zahlen: Mit erbärmlichen 33 Prozent bei den Rotten- Tomatoes-Rezensionen und einem absoluten Flop an den Kinokassen bleibt „Folie à Deux“ ein Film, den man nicht einmal als unfreiwillige Satire genießen kann.
Das einzig Positive an diesem Desaster? Arthur Flecks Tod bedeutet, dass uns ein dritter Teil dieses missratenen Machwerks erspart bleibt.