08.05.2025
Hat Trump den Kurs verloren?
Von Sean Collins
Donald Trumps Präsidentschaft in den USA hat mittlerweile die 100-Tage-Marke hinter sich gelassen. Dem Anfang wohnte ein Zauber inne, doch jetzt drohen Inkompetenz und Chaos den Erfolg zu gefährden.
Donald Trump begann seine zweite Amtszeit mit einem Paukenschlag. Nach einem klaren Wahlsieg machte er sich sofort daran, eine Welle von präsidialen Erlassen zu verabschieden, die die Politik der Biden-Regierung in den Bereichen Zensur, juristische Kriegsführung, Gender-Ideologie und Grenzkontrolle rückgängig machten. Diese Schnellfeuer-Phase im Stil von „shock and awe" vermittelte den Eindruck einer neuen Regierung mit klarer Zielrichtung und Dynamik.
Doch nach 100 Tagen ist der anfängliche Optimismus verflogen. Nach einer Reihe von Fehltritten in den letzten Wochen wirkt Trumps hyperaktive Herangehensweise eher rücksichtslos als strategisch. Es stellt sich zunehmend die Frage, ob er tatsächlich in der Lage ist, seine ehrgeizige Agenda umzusetzen. Und das hat die amerikanische Bevölkerung gemerkt. Nach 100 Tagen im Amt zeigen zahlreiche Umfragen, dass seine Unterstützung schwindet. Laut RealClearPolitics liegt seine durchschnittliche Zustimmungsrate bei 45 Prozent – ein Rückgang gegenüber den 50 Prozent, mit denen er seine zweite Amtszeit begann.
Der Hauptgrund für Trumps Probleme ist offensichtlich: seine Zollpolitik. Einer CNN-Umfrage zufolge halten nur 28 Prozent Trumps Zölle für eine gute Idee. Seine instinktive Neigung zu Handelskriegen hat die Aktienmärkte erschüttert und große Unsicherheit ausgelöst. Nun verlieren die Amerikaner das Vertrauen in seine wirtschaftspolitische Kompetenz – 59 Prozent sagen, Trump habe die wirtschaftliche Lage verschlechtert.
Trumps Zollpolitik ist ein klassisches Eigentor. Nach den Biden-Jahren hatten sich die Amerikaner Stabilität und niedrigere Preise erhofft. Jetzt glauben fast drei Viertel der Bürger, dass Zölle die Preise erhöhen werden – genau das, was Trump vermeiden sollte. Zwar sprach er im Wahlkampf von Zöllen (sein „schönstes Wort“), doch er ließ nicht erkennen, dass sie derart umfassend und disruptiv sein würden. Er versprach ein wirtschaftliches Goldenes Zeitalter, fordert nun aber, dass das Volk kurzfristige „Schmerzen“ in Kauf nimmt, um dorthin zu gelangen. Diese Aussicht auf selbst zugefügtes Leid stößt vielen sauer auf.
„Es gibt einen Bereich, in dem Trump entschlossen gehandelt und bemerkenswerte Ergebnisse erzielt hat: die Eindämmung illegaler Einwanderung über die Südgrenze.“
Doch die Zölle sind nicht das einzige Problem. Das Gerede über die Aufnahme Kanadas als 51. Bundesstaat, die Annexion Grönlands, die Rückeroberung des Panamakanals oder die Umbenennung des Golfs von Mexiko wirkt verwirrend und abseitig. Auch wenn viele seiner Dekrete inhaltlich positiv waren, untergräbt sein Traum von globaler Expansion deren Wirkung. Statt als seriöser Staatsmann erscheint Trump zunehmend als launischer König, der nach Lust und Laune Befehle erteilt.
Jenseits von Zöllen, Kanada und Grönland haben Trumps Schritte auf der Weltbühne zu Instabilität geführt. Er scheint mutwillig eine bereits wackelige Weltordnung zu zerstören, während es ihm an einer Vision für das Kommende mangelt. In der Ukraine hat er Amerikas westliche Verbündete verprellt, Wolodymyr Zelenski beleidigt und Wladimir Putin ermutigt. Und der Frieden scheint so weit entfernt wie eh und je.
Es gibt jedoch einen Bereich, in dem Trump entschlossen gehandelt und bemerkenswerte Ergebnisse erzielt hat: die Eindämmung illegaler Einwanderung über die Südgrenze. Die Zahl der Grenzübertritte ist um 99,99 Prozent gesunken – der niedrigste Wert in der dokumentierten Geschichte. In seiner Rede vor dem Kongress im März sagte Trump: „Die Medien und unsere Freunde in der Demokratischen Partei haben ständig gesagt, wir bräuchten neue Gesetze […]. Aber letztlich haben wir nur einen neuen Präsidenten gebraucht.“
„Viele Amerikaner unterstützen nach wie vor Trumps Kurs. Sie bevorzugen seine Erlasse gegenüber Bidens ‚Nickerchen‘.“
Auch in anderen Bereichen konnte Trump Erfolge verbuchen. Er hat durch das von Elon Musk geleitete „Ministerium für Regierungseffizienz“ verschwenderische Ausgaben reduziert und vernünftige Politik bei Geschlecht und Gender wiederhergestellt.
Viele Amerikaner unterstützen also nach wie vor Trumps Kurs. Sie bevorzugen seine Erlasse gegenüber Bidens „Nickerchen“. Sie begrüßen die Idee, die amerikanische Industrieproduktion wiederzubeleben. Sie befürworten die Abschiebung krimineller illegaler Einwanderer. Und sie haben kein Problem damit, wenn Trump die kulturellen Eliten der Ivy League herausfordert.
Aber selbst wenn Trump die Themen anpackt, die die Wähler von ihm erwarten, steht ihm sein Mangel an Konzentration und Disziplin im Weg. Es geht dabei weniger um Trumps Agenda als um die Kapazitäten und die Kompetenz seines Teams, diese umzusetzen – beides scheint zu fehlen.
Ein Beispiel: Die Regierung schickte kürzlich Kilmar Abrego Garcia trotz eines gerichtlichen Verbots nach El Salvador zurück. Zuerst erklärten Trump-Beamte dies als „Verwaltungsfehler“, später behaupteten sie, die Abschiebung sei doch legal gewesen. Sie konnten sich schlicht nicht auf eine Version einigen. Garcias Fall hat – anders als von den Demokraten behauptet – keine Verfassungskrise ausgelöst, und angesichts seiner mutmaßlichen Verbindung zur gewalttätigen Gang MS-13 dürfte sich bei vielen das Mitleid in Grenzen halten. Dennoch lässt das Missmanagement der Regierung Trump und sein Team inkompetent erscheinen.
„Auch wenn Trump Fehler macht, spricht er zumindest offen über reale Probleme wie Migration oder DEI (Diversity, Equity, Inclusion).“
Ähnlich chaotisch ist ihr Vorgehen gegen Eliteuniversitäten wegen mutmaßlicher Bürgerrechtsverstöße im Zusammenhang mit Antisemitismus. Die Regierung hat rund 60 Institutionen mit dem Entzug staatlicher Mittel gedroht, falls sie keine Änderungen vornehmen. Die erste Zielscheibe, die Columbia University, beugte sich dem Druck: Sie verbot das Tragen von Masken bei Protesten auf dem Campus – ein häufiges Bild bei Pro-Gaza-Demos – und entzog nach Vorwürfen anti-israelischer Tendenzen bei zahlreichen Wissenschaftlern dessen Personal die Kontrolle über das Nahost-Institut. Doch bei der nächsten Station, der Harvard University, unterlief dem Weißen Haus ein grober Fehler: Nach einem Forderungsschreiben zog man dieses zurück mit der Begründung, es sei zu früh verschickt worden. Harvard nutzte diesen Patzer, um sich als Vorkämpferin für akademische Freiheit und Meinungsfreiheit zu inszenieren – eine bittere Ironie, wenn man an die Behandlung unliebsamer Professoren wie Ronald Sullivan oder Roland Fryer denkt.
Trumps Inkompetenz und erratische Politik drohen, die positiven und notwendigen Schritte seiner Regierung zunichtezumachen. Doch trotz all dieser Probleme bleibt sein größter Vorteil, dass die Demokraten noch immer keinen klaren Kurs gefunden haben. Die Amerikaner wissen: Auch wenn Trump Fehler macht, spricht er zumindest offen über reale Probleme wie Migration oder DEI (Diversity, Equity, Inclusion). Und noch immer scheint Trump näher an den Sorgen der Arbeiterklasse zu sein. Einer Washington-Post-Umfrage zufolge glauben 42 Prozent der registrierten Wähler, dass Trump die Sorgen der Mehrheit versteht – im Gegensatz zu nur 29 Prozent, die das von den Demokraten sagen.
Trump versprach, ein disruptiver Präsident zu sein – doch er läuft Gefahr, sich selbst zu sabotieren. Er erzeugt unnötiges und unproduktives Chaos. Aber es liegt in seiner Macht, das Ruder herumzureißen. Nach 100 Tagen ist es noch früh in seiner zweiten Amtszeit. Könnten Trumps berühmter politischer Instinkt und sein Wunsch nach Popularität dazu führen, dass er seinen Kurs korrigiert, Konflikte einschränkt und mehr Disziplin zeigt? Wir werden sehen.