06.05.2025
Geheimdienstlicher Krieg gegen die Opposition
Der Bundesverfassungsschutz betrachtet die AfD nun als „gesichert rechtsextremistisch“. Wenn ein Geheimdienst entscheidet, wie weit der Diskurs reichen darf, steht die Demokratie auf dem Spiel.
Kann die Demokratie in Deutschland überleben? Für viele im politischen Establishment offenbar nur mit massiven staatlichen Eingriffen – insbesondere, wenn es darum geht, die populistische Welle zu brechen, die sie so sehr fürchten.
Vergangene Woche stufte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ ein. Dies markiert zweifellos eine weitere Eskalation im zunehmend verzweifelten Versuch des Establishments, eine Partei zu neutralisieren, die bei der Bundestagswahl im Februar über 20 Prozent der Stimmen erhielt. Die Angst, die AfD könnte bei der nächsten Wahl zur stärksten Kraft aufsteigen und womöglich die Regierung stellen, dominiert seit Wochen die politische Debatte.
„Die AfD ist eine Bedrohung für unsere Demokratie und unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt“, erklärte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Er kündigte an, prüfen zu wollen, „welche politischen und juristischen Konsequenzen“ sich aus der BfV-Einstufung ergeben. Die Botschaft ist eindeutig: AfD-Sympathisanten im öffentlichen Dienst droht die Entlassung – und viele sehen nun den Weg für ein mögliches Parteiverbot geebnet.
Doch es gibt auch kritische Stimmen. Der Journalist Oliver Maksan von der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) etwa spricht von einer massiven Intervention in die Demokratie – ein Schritt, der das Land in eine politische Sackgasse führen könnte, aus der es womöglich nie wieder herausfindet.
Dass es in der AfD Mitglieder gibt, die sich einer provokanten und aufstachelnden Rhetorik bedienen, ist unbestritten. Die Partei provozieren gezielt – etwa mit dem Ruf „Alice für Deutschland“, einer Anspielung auf das auch als NS-Parole genutzte „Alles für Deutschland“. Der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke wurde wegen der Verwendung dieser Parole verurteilt – und führte seine Partei dennoch zum Wahlsieg in Thüringen.
„Dem Bundesverfassungsschutz geht es nicht darum, Wähler zu überzeugen, sondern darum, sie einzuschüchtern.“
Doch dem BfV geht es nicht darum, Wähler zu überzeugen, sondern darum, sie einzuschüchtern – und die viel beschworene Brandmauer gegen rechts aufrechtzuerhalten. Niemand glaubt ernsthaft, dass sich AfD-Wähler von der neuen Einstufung abschrecken lassen. Sie sind es gewohnt, diffamiert und als rechtsextrem gebrandmarkt zu werden. Dass die Bekanntgabe der neuen Einstufung durch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) nur vier Tage vor ihrem Ausscheiden erfolgte – nachdem ihre Partei die Wahl verloren hatte – dürfte den Zynismus vieler Wähler eher verstärken als mildern.
Ironischerweise setzt der Vorstoß des BfV weniger die AfD unter Druck als vielmehr die neue Bundesregierung – und insbesondere die CDU. Dass Faesers Bekanntgabe möglicherweise eine Reaktion auf Jens Spahns kürzliche Forderung war, den Umgang mit der AfD im Parlament zu normalisieren, liegt nahe. Nun steht die neue Koalition vor einer Entscheidung: Ignoriert sie die Einschätzung des eigenen Inlandsgeheimdienstes – oder eskaliert sie weiter und leitet ein Parteiverbotsverfahren ein, mit all den politischen und rechtlichen Risiken, die ein solcher Schritt mit sich bringt?
In gewisser Weise bringt die Intervention des BfV zumindest eines auf den Punkt: Sie macht deutlich, wo die Frontlinien im Kampf gegen den eigenen Souverän – den Wähler – verlaufen. Der Verfassungsschutz war von Anfang an Ausdruck des tiefen Misstrauens des Staates gegenüber seinem Volk.
Gegründet wurde die Behörde nach dem Zweiten Weltkrieg unter alliierter Besatzung – mit dem erklärten Ziel, das Wiedererstarken des Nationalsozialismus zu verhindern. Eine verständliche und legitime Sorge. Doch rasch wurde der Dienst zu einem Instrument, das politische Dissidenten jeglicher Richtung ins Visier nahm. Während des Kalten Krieges überwachte man Kommunisten und Mitglieder der DKP; in den 1980ern wurden Teile der neu gegründeten Grünen Partei beobachtet. Später gerieten führende Politiker der Linkspartei ins Fadenkreuz – darunter sogar Bodo Ramelow, der spätere Ministerpräsident Thüringens.
„Die AfD ist keine faschistische Partei – auch wenn sie Mitglieder hat, die mit radikalen Positionen provozieren.“
Früher war es selbstverständlich, dass Linke und Linksliberale das BfV als autoritäres Relikt kritisierten, das sich demokratischer Kontrolle weitgehend entzieht. „Schafft den Verfassungsschutz endlich ab!“, forderte etwa der 2022 verstorbene Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, der der Behörde ein „Totalversagen“ attestierte.
Heute hingegen sind es viele Linke, die lautstark ein AfD-Verbot bejubeln. Es ist eine kaum zu überbietende Ironie, dass ausgerechnet Politiker wie Heidi Reichinnek und Jan van Aken sich nun als Vorkämpfer eines Parteiverbots profilieren. Ihr Argument: Als das BfV uns beobachtete, war das schlecht – wenn es gegen „die Faschisten“ geht, ist das gut.
Doch die AfD ist keine faschistische Partei – auch wenn sie Mitglieder hat, die mit radikalen Positionen provozieren. In der Pressemitteilung zur Begründung der Hochstufung heißt es etwa:
Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar. Es zielt darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen damit einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen. Konkret betrachtet die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern nicht als gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes.
„Wenn die neue Regierung den autoritären Impulsen, die aus dem jüngsten BfV-Vorstoß sprechen, nicht widersteht, steht Deutschland wahrlich eine harte Zukunft bevor.“
Der vollständige Bericht des BfV ist – ganz im Geiste Franz Kafkas – geheim. Einige Beispiele für angeblich „völkische“ Rhetorik wurden jedoch bekannt, etwa eine Aussage des Brandenburger AfD-Abgeordneten Dennis Hohloch:
Vielfalt bedeutet Multikulti. Und was bedeutet Multikulti? Multikulti bedeutet Traditionsverlust, Identitätsverlust, Verlust der Heimat, Mord, Totschlag, Raub und Gruppenvergewaltigung.
Solche Aussagen sind zweifellos hysterisch, in Teilen auch geschmacklos und ihnen sollte widersprochen werden. Doch wenn Millionen von Menschen – nicht nur die AfD-Wähler – Sorgen über Masseneinwanderung, Multikulturalismus und die von der letzten Regierung beschlossenen vereinfachten Einbürgerungsgesetze teilen, dann gehört das zum legitimen politischen Diskurs – kein Fall für geheimdienstliche Repression.
Die eigentliche Bedrohung für die Demokratie geht von einer Entwicklung aus, bei der ein nicht gewählter Nachrichtendienst sich zum Richter darüber aufschwingt, welche politischen Positionen noch als „demokratisch“ gelten dürfen. Wenn die neue Regierung den autoritären Impulsen, die aus dem jüngsten BfV-Vorstoß sprechen, nicht widersteht, steht Deutschland wahrlich eine harte Zukunft bevor.