20.01.2021

Gegen Reparationen für Sklaverei

Von Promise Frank Ejiofor

Titelbild

Foto: Brocken Inaglory via Wikicommons / CC BY-SA 3.0

Reparationszahlungen an Nachkommen der Opfer des Sklavenhandels lassen sich überhaupt nicht umsetzen. Außerdem wären sie nutzlos und würden uns nur weiter auseinanderdividieren.

Nach der Ermordung George Floyds haben einige Black-Lives-Matter-Aktivisten den Diskurs über Reparationen für die Sklaverei neu belebt. Gemeint ist die Forderung, dass Institutionen, die historisch in den grausamen atlantischen Sklavenhandel involviert waren, Zahlungen an diejenigen leisten sollten, die unter dessen Erbe zu leiden hätten.

Weil dieses Argument einen übermäßig emotionalen Reiz hat, stimmten einige führende britische Firmen – darunter Greene King und Lloyd’s of London – der Idee zu, schwarzen, asiatischen und ethnischen Minderheitengruppen Entschädigungen als eine Form der Wiedergutmachung für ihre historische Betroffenheit durch den Sklavenhandel zu zahlen. 1 Ebenso hat die Hohe Kommissarin für Menschenrechte der UN, Michelle Bachelet, die Staaten, die von der Sklaverei profitiert haben, zur Zahlung von Reparationen aufgerufen, um „Jahrhunderte der Gewalt und Diskriminierung“ zu heilen. 2 Aber können solche Entschädigungen wirklich dazu beitragen, Rassismus und soziale Spaltung heute zu bekämpfen? Nein, das können sie nicht. Im Gegenteil, monetäre Reparationen sind nicht nur unhaltbar, sie sind auch eine sehr schlechte Idee.

Der vielleicht schärfste Befürworter von finanziellen Reparationen ist der amerikanische Schriftsteller Ta-Nehisi Coates. In einem Artikel für das Magazin The Atlantic mit dem Titel „The Case for Reparations“ argumentierte er, dass Amerika den Nachkommen der Sklaven eine Entschädigung für die vielfältigen Hinterlassenschaften der Sklaverei schuldet, die zu einer Rassendiskriminierung in Bereichen wie Wohnen, Bildung und Beschäftigung geführt haben und die weiterhin jede Möglichkeit der sozialen Mobilität für Afroamerikaner beeinträchtigen. 3

„Können solche Entschädigungen wirklich dazu beitragen, Rassismus und soziale Spaltung heute zu bekämpfen?“

Natürlich ist eine Entschädigung für Sklaverei moralisch und rechtlich erforderlich, wenn die Sklaven noch am Leben sind, da wir diejenigen, die unter der qualvollen Folter der Arbeit auf den Feldern ihrer Herren gelitten haben, direkt identifizieren können. Kritiker von Reparationen zufolge haben die Nachkommen keinen Anspruch auf finanzielle Entschädigung, weil die Sklaven, die direkt unter der Ausbeutung gelitten haben, heute nicht mehr am Leben sind.

Profiteure und Opfer auf drei Kontinenten

Befürworter von Reparationen sind zum Teil anderer Meinung, weil für sie „Afroamerikaner das Recht auf Reparation geerbt haben, das ihren versklavten Vorfahren geschuldet wurde und nie bezahlt wurde“. 4 Das von den Befürwortern von Reparationen am häufigsten angeführte Beispiel ist das Reparationsabkommen zwischen Israel und Deutschland von 1952, das dazu führte, dass Deutschland die jüdischen Opfer des Nazi-Holocaust finanziell entschädigte. Kritiker widersprechen dieser Analogie nicht zuletzt deshalb, weil die jüdischen Überlebenden des Holocaust leicht identifiziert und entschädigt werden konnten, während im Falle des atlantischen Sklavenhandels die Überlebenden nicht mehr existieren.

Sowohl die Argumente für die Wiedergutmachung von erlittenem Schaden als auch für das Erbrecht sind ebenso mangelhaft wie die Kritik daran. Das liegt daran, dass diese Argumente fast ausschließlich im Kontext der USA formuliert worden sind. Sie ignorieren die Tatsache, dass der Sklavenhandel ein „Dreieckshandel“ war und dass die Geschichte der USA nicht die Geschichte der Welt ist. Tatsächlich verband die Sklaverei unzählige Gesellschaften und Völker auf drei verschiedenen Kontinenten, nämlich Afrika, Amerika und Europa. In jedem dieser Kontinente gab es Käufer, Makler und Verkäufer, und ihre Identitäten waren so komplex wie der Handel selbst. Es gab Nutznießer auf dem amerikanischen Kontinent wie auch in Europa und Afrika, aber diejenigen, die letztlich unter diesem unmenschlichen Handel litten, waren natürlich die schwarzen Sklaven, deren Nachkommen heute nicht nur in den USA, sondern auch in Brasilien, England, Jamaika und Sierra Leone leben, um nur einige Nationen zu nennen. Um sinnvoll von schwarzen Reparationen zu sprechen, müsste man daher die komplexe Mischung von Akteuren, Regionen und Interessen berücksichtigen, die am Sklavenhandel und seinen vielfältigen lokalen und globalen Folgen beteiligt waren.

„Die Nachkommen der schwarzen Sklaven leben heute nicht nur in den USA, sondern auch in Brasilien, England, Jamaika und Sierra Leone, um nur einige Nationen zu nennen.“

Angenommen, wir würden dem Argument zustimmen, dass eine finanzielle Entschädigung der beste Ansatz zur Eindämmung des gegenwärtigen Rassismus und zur Bekämpfung von Rassenungleichheiten ist. Dann wären drei wichtige Fragen zu stellen. Erstens: Wer sind die Entitäten (Personen oder Institutionen), die für den Sklavenhandel verantwortlich und somit Nutznießer davon sind? Zweitens: Wem sollten finanzielle Entschädigungen angeboten werden? Und schließlich: Wie sollten wir die finanzielle Entschädigung an die Opfer verteilen? Diese Fragen sind nicht nur schwierig, sie sind auch spaltend und widersprüchlich.

Zunächst einmal: Wer waren die Nutznießer des Sklavenhandels? Die politische Klasse in Europa, Afrika und Amerika. Sklaverei war ein Handel, der die politischen Eliten dieser drei Kontinente miteinander verband. Während Sklaven in Zuckerplantagen arbeiteten, die die Wirtschaft Amerikas entwickelten und den Mehrwert schufen, auf dem die großen europäischen Imperien aufgebaut wurden, nutzten die politischen Eliten Afrikas die Gewinne aus dem Sklavenhandel auch zum Aufbau ihrer Imperien. Das große Reich der Ashanti zum Beispiel, das sich im Herzen des modernen Ghana befindet, florierte nicht nur durch den Verkauf von Gold, sondern auch durch den Sklavenhandel. Das wirtschaftliche Erbe des Sklavenhandels ist so groß, dass viele der Nachkommen dieser historischen politischen Eliten – und davon gibt es heute sicherlich viele in Amerika, Europa und Afrika – weiterhin davon profitieren. Angesichts der Tatsache, dass gesellschaftliche Eliten auf drei Kontinenten in den Handel verwickelt waren, wären finanzielle Kompensationen nur dann sinnvoll, wenn alle heutigen Nutznießer dieser Vermächtnisse identifiziert und gezwungen würden, für die Übel ihrer Vorfahren zu bezahlen. Angesichts der unvorstellbaren Komplexität der sozialen und geographischen Bewegungen der Völker in den letzten 200 Jahren wäre es praktisch unmöglich, die Verantwortung zuzuordnen.

Noch problematischer ist jedoch die zweite Frage, wem Reparationen gezahlt werden sollen. Die Antwort scheint einfach zu sein: Reparationen sollten an die „afrikanische Welt“, d.h. die Afrikaner überall, geleistet werden. Denn der Sklavenhandel hat nicht nur die Sklaven entmenschlicht, die schließlich auf den Plantagen in Amerika ankamen – er hat auch die Entwicklung afrikanischer Gemeinwesen gehemmt und die heutige Unterwerfung der afrikanischen Völker überall unterstützt. In seinem weithin gefeierten Buch „How Europe Underdeveloped Africa“ (Wie Europa Afrika unterentwickelt hat) behauptet der Historiker Walter Rodney, dass der Handel mit afrikanischen Sklaven zur „Entwicklung der Unterentwicklung“ in Afrika beigetragen hat. Die afrikanischen Gesellschaften verloren nicht nur ihre fleißigsten Männer und Frauen durch die Sklaverei, sondern ihr wirtschaftlicher Fortschritt wurde auch durch die Brüche in den sozialen Beziehungen erstickt, die unter denen entstanden, die das Privileg hatten, nicht in die Sklaverei verkauft zu werden.

„Angesichts der unvorstellbaren Komplexität der sozialen und geographischen Bewegungen der Völker in den letzten 200 Jahren wäre es praktisch unmöglich, die Verantwortung zuzuordnen.“

Korruption und Bevorzugung

Aber die Gefahr einer Wiedergutmachung für die afrikanische Welt besteht meines Erachtens darin, dass sie die heutigen afrikanischen Völker homogenisieren würde, indem sie die Unterschiede zwischen den verschiedenen Identitäten und Erfahrungen in der afrikanischen Welt nicht berücksichtigt. Darüber hinaus würde die Zahlung allgemeiner monetärer Entschädigungen an afrikanische Staaten ohne Berücksichtigung der sozialen und wirtschaftlichen Disparitäten innerhalb Afrikas die soziale Schichtung und den Rassismus nicht ausmerzen. Vielmehr würde es die wirtschaftliche Macht der politischen Klassen Afrikas weiter stärken, die ihr eigenes Volk durch Korruption und politische Bevormundung fast immer verarmt haben.

Schwierig ist auch die Frage, wie diese Kompensationen vorgenommen werden können. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Dambisa Moyo hat gezeigt, dass die Entwicklungshilfe keinen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des afrikanischen Kontinents leistet. 5 Das liegt daran, dass die heutigen afrikanischen Eliten, korrupt und eigennützig, wie sie sind, Hilfsgelder, die angeblich zum Nutzen ihrer Bürger bestimmt sind, zur Stützung ihrer eigenen autoritären Regime verwenden würden.

Wenn es sich bei der Entschädigung um eine bevorzugte Behandlung von Nachkommen afrikanischer Sklaven handelt, dann sprechen wir eigentlich nur von „affirmative action“. In diesem Fall käme es darauf an, die Politik der „affirmative action“ zu stärken, damit schwarze Stimmen – kurz gesagt – in den politischen Institutionen vertreten sind. Was wir dann brauchen, sind Systemreformen in genau den Institutionen und Strukturen, die Rassismus und Stratifizierung perpetuieren, von der Polizei bis zu den Medien.

Mir scheint die Forderung nach schwarzen Reparationen nicht nur ein unmögliches Projekt zu sein. Es ist ebenso eine bürgerliche Ideologie. Der Sklavenhandel sollte als Teil der Geschichte der Menschen mit all ihren Stärken und Schwächen richtig verstanden werden. Wenn wir den Sklavenhandel als Teil der Geschichte unserer Spezies begreifen, als etwas, das den Fortschritt unserer gemeinsamen Menschheit beeinflusst hat, dann geht es dabei nicht mehr um Weiße gegen Schwarze. Die Geschichte wird zu einem Ansporn, zusammenzuarbeiten, um unsere gemeinsamen Probleme heute anzugehen.

Leider wird die bürgerliche Ideologie der Reparationen nichts zur Entwicklung unserer gemeinsamen Menschheit beitragen. Gelder als Entschädigung von einem Zentrum zum anderen zu transferieren, würde uns so polarisiert und gespalten zurücklassen, wie wir es im 21. Jahrhundert bisher schon sind. Was wir einander wirklich schuldig sind, ist die Erinnerung an den Sklavenhandel als ein schreckliches Zeugnis der Unmenschlichkeit der Menschen gegenüber den Menschen und das Gedenken an diejenigen, die unter dieser üblen Praxis gelitten haben.

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