30.03.2021

Fünf Minuten Weltuntergang vor der Tagesschau

Von Thilo Spahl

Titelbild

Foto: derwiki via Pixabay / CC0

Was kann das Fernsehen dazu beitragen, dass wir den Klimawandel besser verstehen?

Weil das Thema Klimawandel in den Medien so sträflich vernachlässigt wird, man hört ja fast nie davon, haben sich einige klimabewegte Menschen zusammengefunden und die Initiative „Klima vor acht“ gegründet. Die fordert in einem Offenen Brief Herr Buhrow in seiner Funktion als Vorsitzenden der ARD auf, jeden Tag vor der Tagesschau fünf Minuten Klimaschutz zu senden: „Wir fordern Primetime fürs Klima!“

Man habe nachgezählt: Im Jahre 2020 gab es bei der ARD 128 Sendungen, deren Titel oder Beschreibung den Begriff „Klima” beinhalteten, Wiederholungen nicht mitgezählt. Dem Thema Wirtschaft hingegen widmeten sich fast dreimal so viele, nämlich 365 Sendungen. Diese Gewichtung sei nicht angemessen „angesichts einer existenziellen Krise, die sich beschleunigt und intensiviert.“

Da ich nicht fernsehe, kann ich zu keiner der 128 Sendungen, die allein die ARD ausgestrahlt hat (zzgl. Wiederholungen) etwas sagen. Vielleicht waren einige davon gar nicht so schlecht. Aber wahrscheinlich schon, nur halt nicht genug. Wenn nur alle drei Tage eine Sendung kommt, wie soll da der Normalbürger ausreichend die Dramatik empfinden?  Die „Macher:innen von Klima° vor acht“ haben das Problem in der sie qualifizierenden Voreingenommenheit klar erkannt: „Durch eine unzureichende Berichterstattung kann jedoch der Eindruck erweckt werden, die Klimakrise sei gar nicht so dramatisch oder bereits ausreichend unter Kontrolle.“ Damit ist das Ziel der Wunschsendung eindeutig formuliert. Hört sich nach optimalen Voraussetzungen für eine objektive Berichterstattung zu einem komplexen Thema („den Zustand unser aller Lebensgrundlagen“) an.

Ich kann mir ungefähr vorstellen, welche Mischung den Klimavorachter:innen vorschwebt: Ein Drittel Weltuntergang, ein Drittel super innovative Ideen zu Klimaschutz und bewusstem Konsum. Und ein Drittel Stars und Sternchen sagen uns, dass sie das auch ganz doll wichtig finden.

Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr kann ich mich allerdings für die Idee erwärmen. Eigentlich ist es eine gute Idee. Man sollte es ausprobieren. Es besteht die Chance, dass „Klima vor acht“ dazu beiträgt, dass immer mehr Leute es endgültig nicht mehr hören können. Dass sie sagen: Ah nee, nicht schon wieder irgendwo auf der Welt zu warmes Wetter oder zu viel Schnee oder das 95ste Bienensterben. Komm, schalt um, mal sehen, was im ZDF läuft!

Oder Sie machen es so, Herr Buhrow:  Sie lassen abwechselnd Apokalyptiker und Klimarealisten zu Wort kommen. Montag, Mittwoch und Freitag präsentiert Luisa Neubauer. Dienstag, Donnerstag und Samstag ist Sebastian Lüning dran. Der ist sicher bereit, mitzumachen. Er produziert und sendet seit Ende letzten Jahres die Klimaschau, ein Format mit nicht-alarmistischen Nachrichten aus der Wissenschaft, kurz erläutert und immer mit Link zu den wissenschaftlichen Original-Arbeiten. Zwar nur einmal die Woche, dafür sehr substanziell. Und natürlich nicht bei der ARD, sondern auf Youtube.

Ich empfehle den Klimavoracht-Vertreter:innen und -Unterstützer:innen und allen über  10.000 Unterschriebenhabenden, die ersten 22 Folgen anzuschauen. Aber natürlich nur, wenn sie sich ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen wollen. Mehr Stoff für ein lohnendes neues Fernsehformat könnten sie auch in dem Buch „Schluss mit der Klimakrise. Problemlösung statt Katastrophenbeschwörung“ finden und natürlich im Standardwerk für alle Kimawandelanerkenner-aber-Apokalypsenleugner „Unerwünschte Wahrheiten. Was Sie über den Klimawandel wissen sollten.“ Aber ich fürchte, sie wollen nicht wissen, was sie wissen sollten. Sie wissen ja schon alles. Es würde sie nur verwirren. Sie wollen lieber 365-mal im Jahr die bewährte Botschaft senden: „I want you to panic.“ Stimmt‘s?

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