25.02.2015

Frieden auf den Feldern

Kommentar von Thilo Spahl

Laut dem Bundesforschungsministerium bergen gentechnisch veränderte Pflanzen nicht mehr Risiken als konventionell gezüchtete Pflanzen. Der Politik sind die Fakten egal. In der Debatte um die Gentechnik siegt nun die jahrzehntelang organisierte Angstmacherei.

Ende letzten Jahres zog das Bundesforschungsministerium ein Fazit aus 25 Jahren biologischer Sicherheitsforschung mit über 300 Forschungsprojekten. Über 60 Hochschulen und Forschungseinrichtungen waren an den Projekten beteiligt. Das Fazit lautet: Gentechnisch veränderte Pflanzen bergen nicht mehr und nicht weniger Risiken als konventionell gezüchtete. [1]

Auf Basis dieser umfassenden Vorarbeit sollte es der Bundesregierung leicht fallen, in der Auseinandersetzung um die Zulassung gentechnisch veränderter Getreidesorten Position zu beziehen. Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Umweltministerium, hat in einem Interview in der Printausgabe der FAZ am 11. Februar verraten, wie diese Position aussieht. Man sei sich einig, dass ein nationales Anbauverbot der richtige Weg sei.

Nur das nach all der mühevollen Forschung wohl etwas voreingenommene Forschungsministerium muss noch auf Linie gebracht werden. In der zunächst abgedruckten, später als nicht autorisiert zurückgezogenen Fassung des Interviews sagt Flasbarth: „Einen Konflikt, der noch nicht überwunden ist, gibt es lediglich noch mit dem Forschungsministerium. Damit werden wir umgehen.“ In der zwei Tage später online korrigierten Fassung [2]  heißt es mit verbal gemäßigter Arroganz: „Einen Dissens, der noch nicht überwunden ist, gibt es vor allem noch mit dem Forschungsministerium. Deshalb müssen wir miteinander reden.“

Spricht etwas gegen das Verbot? Flasbarth fällt nur eines ein: „Die Gentechnikindustrie ist sauer, das ist leicht nachvollziehbar.“ (Zweite Fassung: „Dass der Gentechnikindustrie, insbesondere den Saatgutherstellern, der Beschluss nicht gefällt, kann ich leicht nachvollziehen.“)

Was ist mit den Ergebnissen der Sicherheitsforschung? Irrelevant. Auf die Frage nach „Erkenntnissen und Studien“, auf die er sich stütze, führt Flasbarth nicht weiter erläuterte „soziokulturelle Gründe“ (korrigiert „sozioökonomische Gründe“) ins Feld sowie natürlich den „Vorsorgegrundsatz“ in Hinblick auf „Aktivitäten in der freien Natur“. Wohl damit man nicht auf die Idee komme, er hätte speziell etwas gegen Gentechnik, fügt er hinzu, dass er sich dabei „keineswegs auf die Gentechnik beschränkt.“ (Wir dürfen also mit weiteren Vorsorgeaktivitäten zum Schutz der „freien Natur“ rechnen.)

Ausschlaggebend für Flasbarths Verbotsankündigung ist letztlich das eine, einzig verbliebene Argument der Gentechnikgegner, das wir wieder und wieder hören. Man müsse sie verbieten, weil ja keiner die Gentechnik wolle. „Wir haben heute im Land eine sehr große Koalition gegen die Gentechnik“, sagt er in Fassung eins. Wohl mit Blick auf eine Gruppe, bei der ebenfalls große Einigkeit, jedoch in Befürwortung der Nutzung, herrscht, nämlich die Wissenschaft, korrigiert er für Fassung zwei: „Wir haben heute politisch [!] eine sehr große Koalition…“

„Die Wissenschaft ist irrelevant. Was umstritten ist, wird einfach verboten.“

Keine Korrekturen gibt es in Hinblick auf das durch das Verbot zu erreichende „hohe Gut“, nämlich „große Sicherheit für die Verbraucherinnen und Verbraucher und Frieden auf den Feldern.“ Das erste ist angesichts der Ergebnisse der Sicherheitsforschung leeres Geschwätz. Denn in dieser Hinsicht gibt es keinen Unterschied zwischen konventionellen und gentechnisch veränderten Pflanzen. Das zweite ist starker Tobak. Flasbarth möchte also die Feldzerstörer endlich von ihrer moralischen Pflicht und der Last entbinden, mit Gift und Galle gegen Universitäten und Landwirte in den Kampf zu ziehen.

Das neue Selbstverständnis von Umweltschützern als Friedensstifter könnte Schule machen. Einfach verbieten, was umstritten ist. Mit wenig Phantasie lässt sich so manche löbliche Initiative starten: Frieden auf der Straße durch Demonstrationsverbot, Frieden im Wohnzimmer durch Verbot privater Fernsehsender, Frieden in der Kneipe durch Rauchverbot (umgesetzt), Frieden im Kindergarten durch Süßigkeitenverbot, Frieden im Bundestag durch Oppositionsverbot, Frieden in den Redaktionen durch Satireverbot.

Zum Schluss sagt Flasbarth noch etwas sehr Wahres, denn er möchte nicht versäumen, zu erwähnen, welche Lichtgestalt hinter ihm steht: Das Ende der grünen Gentechnik sei letztlich schon mit der „ersten großen Koalition der Kanzlerin“ eingeleitet worden. In der Tat hat Frau Merkel (auch wenn sie für die korrigierte Fassung wieder gelöscht wurde) von Anfang an den Ehrgeiz gezeigt, keine grüne Forderung den Grünen zu überlassen, sondern lediglich großzügig mit ihnen zu teilen. Für die Umsetzung sorgen im Fall der Gentechnik eine SPD-Ministerin und ihr parteiloser Staatssekretär.

Ungeachtet der deutschen Ablehnung wurden 2014 weltweit auf 181 Millionen Hektar gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. Seit der Einführung von GVO-Sorten 1996 nimmt die Fläche kontinuierlich zu. Bei Soja beträgt der GVO-Anteil weltweit mittlerweile 82 Prozent, bei Baumwolle sind es 68 und bei Mais und Raps jeweils 25 Prozent.

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